Retten wir die Demokratie

Leseempfehlungen von Ute Lenke

Frido Mann: Demokratie als Aufgabe und Verantwortung
Christine Mann: Wir gestalten unsere Welt

 2021 in dem Sammelband „Im Lichte der Quanten“ erschienen, den Frido Mann zusammen mit seiner Frau Christine in der Wiss. Buchgesellschaft herausgegeben hat. In Zusammenarbeit mit anderen Autoren werden die Erkenntnisse der Quantentheorie auf Alltags- und Gesellschaftsprobleme angewandt.

Inhalt:

Die in unserem Themenzusammenhang interessierende These ist, dass das Prinzip der Unbestimmtheit der Quantentheorie nicht nur für die Physik gilt, sondern das ganze Leben durchzieht: Es gilt für unser Bewusstsein, für unsere Fähigkeit, freie Entscheidungen zu treffen – also zum Beispiel auf die, aktiv am gesellschaftlichen Leben mitzuwirken, zu gestalten, zu partizipieren. Denn: „Im Gegensatz zu hierarchisch gegliederten und nur von einer Minderheit gestalteten und von der Mehrheit nur passiv mitvollzogenen Gesellschaftsformen tragen alle zu einer Demokratie gehörigen Menschen die Verantwortung für deren Aufbau und für deren Aufrechterhaltung mit. Ohne Demokraten keine Demokratie“. Darum ist der Mensch geradezu verpflichtet am demokratischen Geschehen mitzuwirken.

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wikicommons Joe+Jeanette Archie CCA 2.0

Was das mit Quantentheorie zu tun hat? Für Mann ist „Quantenphysik die naturwissenschaftliche Grundlage für das Verständnis des Menschen als autonomes und handlungsoffenes Wesen“. Der Glaube an die Demokratie setzt den Glauben an die Autonomie und Willensfreiheit menschlichen Handelns voraus. Der Mensch kann aus mehreren Handlungsmöglichkeiten wählen, er hat „quantische Denkmöglichkeiten“, kann notfalls aber auch Entscheidungen revidieren. Demokratie ist somit ein Wagnis, eine „Achterbahnfahrt zwischen Versuch und Irrtum und zwischen Erfolg und Versagen“.

Weil Demokratie aber immer noch von allen schlechten Staatsformen die beste ist (Churchill 1947), darum ist Wachsamkeit gegenüber den Hauptfeinden der Demokratie nötig: Populismus, Irrationalismus, Fundamentalismus und Extremismus. Das gilt für Deutschland wie für andere Staaten in Europa und wie wir jüngst gesehen haben – was Frido Mann 2021 ahnte, aber noch nicht wusste – auch für Amerika. Auch das System der parlamentarischen Demokratie muss ständig an die sich wandelnden Zeiten angepasst werden. Aber wichtig sind vor allem wir, „we the people“: Wir sind mitverantwortlich, die Gegensätze zwischen arm und reich, zwischen Stadt und Land, zwischen Männern und Frauen, zwischen Bildung und Unbildung zu verkleinern.

Ein Mittel dazu ist der Dialog: Dialoge zwischen Religionen, Weltanschauungen, im zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereich. Dialogfähigkeit ist der Nährboden der Demokratie. Ideologien, totalitäre Regime schließen Dialoge aus. Darum ist eine die Menschen zusammenführende Gesprächskultur von zentraler Bedeutung.

Diese Gedanken entwickelt Christine Mann in ihrem Beitrag „Wir gestalten unsere Welt“ weiter. Sie beschreibt die Veränderungen in unserer Welt durch quantenphysikalische Entdeckungen (Globalisierung, Kommunikationstechniken etc) sowie die Konsequenzen für eine Veränderung unserer Gesellschaft. Auch sie plädiert für eine Weiterentwicklung der Demokratie, die Erziehung zum Demokraten muss für sie bereits im Kindergartenalter beginnen. Konsequenzen für eine neue Pädagogik und neue Unterrichtsformen, Medienerziehung und Lernen politischen Handelns sind dafür erforderlich. Aber Christine Mann weiß natürlich auch, wie schwierig es ist, Lehrer, Eltern, Schulbehörden und Politiker von solchen Reformen, für die sie Beispiele aus der Praxis bringt, zu überzeugen.

Sie ist dennoch überzeugt: „Die quantenphysikalische Erkenntnis, dass die Zukunft der Welt nicht völlig festgelegt ist , sondern dass wir sie mit unserem Handeln ein kleines bisschen beeinflussen können, eröffnet uns die Möglichkeit, nicht angstvoll schicksalsergeben in die Zukunft zu schauen, sondern für eine positive Entwicklung unserer Welt aktiv zu werden mit der Hoffnung auf Erfolg.(…) Und da jeder Einzelne die Welt nur ein winziges Bisschen verändern kann, ist die Fähigkeit zu Kooperation das Fundament für all diese Aktivitäten.(…)Für so viele Zukunftsaufgaben brauchen wir die Mithilfe aller Menschen.“

Fazit

Die Autoren Frido und Christine Mann versuchen mit Hilfe der vor über 100 Jahren entdeckten Quantentheorie aufzuzeigen, dass unser Weltbild, unsere Geschichte und Entwicklung nicht völlig vorherbestimmt oder berechenbar sind. Menschen können ihr Handeln steuern, die Zukunft beeinflussen, was den meisten Menschen nicht bewusst ist. Die Thesen sind ungewöhnlich, vielleicht idealistisch, auf jeden Fall unbequem: Jeder einzelne von uns ist hier gefragt, das Seine zur Rettung der Welt und unseres Gesellschaftssystems beizutragen.

Über die Autoren

Frido Mann, Enkel von Thomas Mann, Dr.theol, Professor für Psychologie, Autor

Christine Mann, Tochter von Werner Heisenberg, Studierte Pädagogik, Psychologie, Theologie. Autorin von Sachbüchern über Quantenphysik, zusammen mit Frido Mann  „Es werde Licht“ (2017), „Im Lichte der Quanten – Konsequenzen eines neuen Weltbildes“ (2021)

Literatur

Frido Mann, Christine Mann (Hrsg): Im Lichte der Quanten. Konsequenzen eines neuen Weltbilds.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2021.