Wie wird man reich und schön?

von Maria Schmelter

Das war die den Alltag beherrschende Frage von Lethitia. Gleich morgens, es war eher schon mittags, die Rollläden hielten das grelle Sonnenlicht aus ihrem Schlafzimmer fern, griff sie zu ihrem Handy, um die neuesten Tipps ihres angebeteten Influencers Amadeus zu inhalieren.

Gott sei Dank waren endlich Ferien und sie musste nicht mehr mitten in der Nacht aufstehen, schlaftrunken dem Blick im Spiegel begegnen und die langweiligen Schulstunden,  eine nach der anderen, an sich vorüberziehen lassen.

Sie konnte gleich nach dem Aufwachen ihr Handy starten und diesem strahlenden Amadeus begegnen, dessen gewinnendes Lächeln ihr mitten ins Herz traf. Er hatte empfohlen die Fingernägel zu verlängern und jedem eine andere Form zu geben und darüber hinaus auf jedem eine andere Farbe aufzutragen. Es galt, ein tolles Gesamtkunstwerk zu kreieren. Lethitia war begeistert und wusste sofort, wer die Begabung besaß, es nachzubilden.

Sorgfältig gestylt verliess sie das Haus. Sie hatte eine Anleihe bei der Haushaltskasse machen müssen, denn ihr Konto war schon hoffnungslos überzogen. Sie war in den Beautysalon geeilt und hatte gewartet, bis Jessica Zeit für sie hatte und sich mit Begeisterung ihren Nägeln widmete. Das Haushaltsgeld hatte eigentlich bis zum Ende des Monats reichen sollen. Aber Schönheit hat eben ihren Preis und Essen macht ja eh nur dick und für die Mutter würde sich in den Vorräten schon noch was Essbares finden lassen.

Pech nur, das Geld reichte nur zur Verschönerung einer Hand. Da würde sie eben an der anderen Hand einen Spitzenhandschuh immer farblich passend zur Kleidung tragen.

Als sie schließlich nach Hause kam, wollte sie ihrer Mutter mit dem verhärmten Gesicht und den abgetragenen Klamotten lieber nicht begegnen. Die hatte einfach alles verkehrt gemacht. Mit 16 war sie auf diesen schönen Herzensbrecher hereingefallen, hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt und war sehr bald schwanger geworden. Für eine Abtreibung hatte das Geld nicht gereicht.

Sie bekam das Kind und schwor sich, das sollte es einmal besser haben. Der schöne Vater hatte sich bald einer anderen zugewendet. Sie musste das nötige Geld verdienen und ging putzen und träumte den Traum von ihrem berühmten Töchterchen, das ihr ein sorgloses Leben bescherte.

Zu unzähligen Shows hatte sie sie angemeldet. Singen konnte sie leider nicht und die Nase hatte einen leichten Knick, ein Erbe ihres Vaters. So hatten sie sich schließlich auf Castingshows verlegt, denn unter den Schauspielern gab es doch auch welche, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprachen. Aber eine Sprechrolle kam auch nicht in Frage, das Kind stotterte, wenn auch nur ganz wenig.

Jetzt hatte Lethitia es selbst in die Hand genommen und wollte eine erfolgreiche Influencerin werden. Dazu waren einige Investitionen nötig, das sah die Mutter ja ein. Aber dass das  Töchterchen im Haushalt keinen Finger krumm machte, – das war ja schädlich für die kunstvoll verzierten Nägel und dass sie jetzt das gesamte Haushaltsgeld ausgegeben hatte, der Monat hatte ja gerade erst begonnen, das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht

Sie würde ihr die Pistole auf die Brust setzen. Sie musste einen Ferienjob bei McDonald´s annehmen.

Als die Tür aufging, trat sie ihrem Töchterchen mit aller Entschlossenheit entgegen. Lethitia war ganz verstört, angesichts des Wutausbruchs ihrer Mutter. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, die Wimperntusche zerrann, denn für die wasserfeste hatte es beim letzten Einkauf schon nicht gereicht.

Was sollte nur aus ihr werden, wenn ihre Mutter verhinderte, dass sie eine erfolgreiche Influencerin werden konnte?