von Ute Schäfer
Ein Fragezeichen muss hin. – Und doch ohne Frage: Eine amour. Bis heute.
War ich Mitte dreißig? – vierzig? – Den Namen – für mein Ohr fast schnarrend – hörte ich damals zum ersten Mal – bei einem Kaffee-Kränzchen. Hier eine ältere Dame, deren Mann gestorben war, sie nun allein – nach W. gezogen? Wie gerne, so sagte sie, würde sie wieder einmal ausgehen. – Und fast ein wenig verschmitzt: Den Pelzmantel würde sie auch gerne wieder einmal tragen. Aber das ginge dort ja nicht.
Da kam er, der Name – im Chor gerufen: „In W.!!!“ –
„Gerade dort geht das!“
W. war für mich nun ein elegantes Städtchen, hin und wieder pelzbekleidete Damen. (Die Gefahr, beim Spazierengehen einen Zettel auf den Pelzrücken geklebt zu bekommen, war wohl noch nicht – oder war das nur in Zürich?)
Und dann war ich selbst in W.: Seminar. Teilnehmer aus dem Umland oder dem Ort selbst. Am Abend wollten einige noch ausgehen. Und wieder im Chor: „In W.!!!“ – „Da werden um halb acht die Bürgersteige hochgeklappt. Um Acht ist man im Bett! Da schläft man.“
Nach einer langen – sehr langen – Zeit wieder in W.. Herzklopfen bei der Ankunft? Schließlich besuchte ich eine alte Liebe!
Oder Herzklopfen durch das Ankommen mit dem Zug?
Endstation! Als erstes am besten den Koffer aus dem Zug! Werfen? Dann hinterherspringen? (Ein Zug mit drei hohen Stufen abwärts für einen Ort, der vorwiegend von älteren Menschen besucht wird – beachtenswert!)
Während ich meinen Koffer aus dem Zug zerrte (das mit dem Rauswerfen kam mir erst hinterher), kam der Schaffner hinter mir vorbei. Auch er war ausgestiegen (es war ja Endstation). Beharrlich schaute er in eine andere Richtung. (W. schon in Bayern? Sturheit auf stoisch?)
Klar: Ich hätte rufen können: „He Sie!“ – oder angemessener: „Entschuldigen Sie bitte, Herr Schaffner!“ – aber da war er schon weg.
Das Bahnhofsvorplätzchen: Eine Überraschung! Wasser – das wahre Zeichen von W. – rauschte in einer hohen Fontäne. – Schön! Einfach schön! – Davor das übliche Bahnhofs -Bäckerei- Steh- Sitz- Café mit dem Plätzchen zum Hinsetzen. Es war umrahmt von einem Sommerblumenzaun. Schön! Einfach schön! – Da musste ein Kaffee getrunken werden! Gleich!
Vom Bahnhof ein Taxi? – Zu „meinem“ W. (dort, wo es am schönsten ist) kommt man, wenn man ungefähr 30 Stufen bergauf geht. – Das mit Koffer? –
Ich konnte nicht anders: Die alte Liebe lag ausgebreitet vor mir. Ich musste hinein (Koffer hinter mir), wenigstens die ersten hundert Meter! Bis zur Brücke. Dort, wo zwei so unterschiedliche Welten sich begegnen:
Am Flüsschen links entlang: Cafés, Geschäfte, Wasserspiele, Hotels – Stadtleben pur.
Rechts entlang ist es still: kleine schmucke Häuser, kleine, Pensionen, irgendwann rechts ein ganz kleines Restaurant, wenige Tische draußen. – Es war meines! – Ob es das noch gibt? Noch so klein?
Weiter am Flüsschen entlang: Die winzige Kirche mit dem besonderen Licht. – Die Glasfenster. – Stille dort. Still auch das Gärtchen drum herum.
Weiter am Flüsschen entlang – die letzten Häuser von W. Dann ein weites Feld – schön die Weite und still – langes Gehen. – War dort dann das Erschrecken?
Mitten in diese Landschaft geknallt die Therme?
Einmal bin ich drin gewesen – in der Eingangshalle Ledertaschen, Schmuck, ich weiß nicht was … Kopfschütteln – auch über die Preise. – Und dann weiter drinnen: Kreischgrüne Nebel, pinkfarbene Wände, wirbelndes, sprühendes Nass. Laut. – Überall schien es zu rufen nach mehr und mehr und noch mehr und größer und … –
„Nie wieder gehe ich da hin“. – Und ich habe Wort gehalten. Wobei das „Nie wieder“ dann doch so zustande gekommen war, dass nie wieder Zeit für einen Thermenbesuch war. – Sie soll schön geworden sein. – Auch als Ort zum Erholen. Ja, gerne würde ich sie wiedersehen.
Auf der anderen Straßenseite zurück zum Bahnhof. Da steht noch das alte „Lichtspieltheater“ – ein bisschen Programmkino scheint es geworden zu sein. Die Filme ausgewählt für ein älteres Publikum – Inhalte auf Flyern im Kasten vor dem Kino. – Und ein reiches Programm für Kinder!
Ja, Regentage könnte man sich wünschen. Und jeden Tag ins Kino gehen.
„Mein“ W. – dort, wo es am schönsten ist: Kleine „Schlösschen“ (wenige) hinter schmiedeeisernen Toren, manchmal ein Murmeln von Wasserspiel, der Wald ganz nah, Wiesen mit Spazierwegen – und ganz besonders nah:
Die schönste Terrasse von W.. Dort gab es Zeiten, wo man fast allein sein konnte, lesen, träumen. Schön der Blick ins Weite …
Die besten Forellen der Welt gibt es dort – in D. – von W. (wo es am schönsten ist) eine Wanderung durch Wald, Wiesen, Felder …
Einmal ging es zurück durch die Nacht – lange, sehr lange über ein dunkles Feld. Sterne habe ich nie so klargesehen, Weite nie so still erlebt …
Ein Café mitten im Wald – wie schön war es!
Von meinem W. aus (von dort, wo es am schönsten ist) ging man ca 10 Minuten in den Wald hinein – da lag es unter hohen Bäumen, ganz im Schatten – der Wald außen herum lebendig und frisch – hoffentlich ist er es immer noch.
Nun sei es weg. Ein Schwimmbad (!) dort. Die Liegewiese bis hinunter an einen kleinen See. An diesem war ich Stunden gesessen – es gab dort nur eine Bank, also auch nur eine, die dort saß: Lesen. Träumen. Schreiben?
Kaffee könne man dort immer noch trinken – erzählt man.
Direkt am See nun? – innerhalb des Bades? –