von Maria Schmelter
Ich habe die Sprichwörter noch gelernt. Es ist erstaunlich, wie viele ich hersagen könnte.
„Morgenstund hat Gold im Mund“ und „Sich regen, bringt Segen“, das waren die Leitsprüche meines Vaters, der immer am arbeiten war und erst im Alter die Hände in den Schoß legen konnte, aber er blieb darauf bedacht, die restliche Familie auf Trab zu halten.
Gut belegt ist doch heute, dass Menschen unterschiedliche Lebensrhythmen haben, dass es Lerchen und Nachtigallen gibt. Spätaufsteher sind also keine notorischen Faulenzer, wie mein Vater meinte, sondern sie erledigen ihre Arbeit eben zu einer anderen Tages- oder Nachtzeit. Diskutiert wird, ob es nicht sinnvoll wäre, vom frühen Schulbeginn um 8.00Uhr morgens Abschied zu nehmen, um auch den Kindern, die morgens länger brauchen, bessere Chancen zu geben. Vielleicht wird es dazu in Zukunft eine EU Norm geben.
Meine meistgehasste Redewendung lautet: „Mädchen die pfeifen und Hähne, die krähen, denen soll man beizeiten die Hälse rumdrehen:“ Also um die Hähne war ich nicht so besorgt, die wandern ja früher oder später sowieso in den Kochtopf, aber ich habe alles daran gesetzt auf vier Fingern pfeifen zu lernen. Ich beherrsche es noch immer. Wenn mir etwas gegen den Strich geht, kann ich so pfeifend meinen Protest ausdrücken, oft zum Erstaunen meiner Umwelt.
Das Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, ist doch ein Hohn für die gesamte Erwachsenenbildung. Eine der besten Nachrichten der Hirnforschung ist doch, dass unser Gehirn bis ins höchste Alter fähig ist, neue Synapsen zu bilden. Man muss viel Geduld haben, denn sie brauchen viel Zeit und Übung, um sich zu etablieren.
Was sollen wir jetzt mit all diesen Sprichwörtern und Redewendungen tun, die in fernvergangener Zeit vielleicht einmal Richtschnur fürs Leben waren?
Ihren historischen Wert nicht schmälernd würde ich vorschlagen, sie zu sammeln, mit einem kritischen Kommentar zu versehen und ihnen einen Platz in der Grimmschen Welt zu geben, neben den Wörterbüchern von Jakob und Wilhelm Grimm.