von Cornelia Kutter
„Mama, Mama“, rief die kleine Fee, „ich freue mich so, denn ich habe einem Menschen namens Felix Glück gebracht und geholfen, dass er das Leben wieder schön und lebenswert findet.“
Bedarf es mystischer Hilfe?
Die Mutter schmunzelte. Der Name Felix bedeutet doch ‘der Glückliche‘. Wozu musste man ihm also noch zum Glück verhelfen, dachte sie. „Das ist lobenswert“, sagte sie zu ihrer Tochter. „Wir sind nun mal gütig und hilfsbereit. Doch können die Menschen nur mit unserer Hilfe Freude am Leben haben?“
„Mama, du kennst doch dieses lyrische Gedicht „die Gärten der Feen“. Jeder kann bei uns Glückseligkeit finden“:
Im Dämmerlicht des Waldes,
dort liegt ein verborgener Pfad.
Er liegt dort versteckt unter Efeu,
kein Mensch ihn seit langem betrat.
Er liegt zwischen Büschen und Gräsern
seit ewig langer Zeit.
Doch er führt zu den Gärten der Feen
und all ihrer Herrlichkeit.
Wer jemals den Fuß auf ihn setzte,
den führte der Pfad in das Glück.
Und die, die das Ziel dann erreichten,
die wollten nie wieder zurück.
Er führte so manchen Wanderer
Dem das Herz von Sorgen so schwer
Zu den leuchtenden Gärten der Feen
Und seine Sorgen, die waren nicht mehr
Auch jene, die floh’n vor Dämonen
Und sich verirrten im Wald
Die fanden in schillernden Gärten
Einen sicheren Aufenthalt
Ob Männer, ob Frauen, ob Kinder
Alt oder jung, arm oder reich
In den freundlichen Gärten der Feen
Dort wurden sie alle gleich
Im Dämmerlicht des Waldes
Dort liegt ein verborgener Pfad;
Und wer ihn heute noch findet
Hat den alten Glauben bewahrt
Der blickt dort mit leuchtenden Augen
In der Königin silbernes Licht;
In den heiligen Gärten der Hohen
Dort existiert Traurigkeit nicht
Lebensfreude benötigt Kraft.
Felix hatte immer wieder gerufen: „Wenn ich doch nur den Wunsch frei hätte, dass ich das Leben wieder genießen kann.“
Die kleine Fee erzählte der Mutter Felix‘s Geschichte. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der sich nur an seinem Erfolg und dem damit verbundenen Luxus erfreute. Für seine Familie, Freunde und die kleinen Dinge des Lebens hatte er selten Zeit. Natur erlebte er dann und wann bei den – ausschließlich der Fitness dienenden – Wanderungen mir seinem Geschäftspartner. Seine Frau konnte das schließlich nicht mehr ertragen und verließ ihn samt gemeinsamer Tochter. Bei einem Segeltörn wollte Felix den schmerzlichen Verlust und die Schmach vergessen. Wäre er dann nicht gekentert und hätte schwer verletzt lange Zeit für seine gesundheitliche Wiederherstellung kämpfen müssen, vielleicht hätte sich sein Partner dann nicht mit dem Firmenkonto ins Ausland abgesetzt. Doch nun war Felix ganz unten angekommen und hatte keine Ahnung, wie er da wieder herauskommen sollte.
Wo bleibt die Eigenverantwortung?
Die Feen-Mutter hatte Verständnis dafür, dass ihre Tochter helfend eingegriffen hatte. Allerdings fand sie, dass die Menschen lernen müssten, auch aus eigener Kraft wieder im Leben Fuß zu fassen. Wenn man ganz unten ist, führt jeder Weg automatisch nach oben. Man muss nur den richtigen für sich finden. Das erfordert den Mut, sich wieder auf das Leben, sein Umfeld und die kleinen Dinge des Alltags einzulassen. Felix fragte sich ständig, wie er es schaffen könnte, seine Dämonen, um die sein ganzes Denken kreiste, zu bezwingen. Er war jedoch gefangen in seinem Schmerz und sah nur einen Ausweg: Irgendwer musste ihm aus der Misere heraushelfen.
Hilfe zur Selbsthilfe ist hier gefragt.
Die kleine Fee pflichtete ihrer Mutter bei, was die Eigenverantwortung angeht. Sie hatte Felix ja eigentlich nicht direkt geholfen, sondern ihn nur auf den richtigen Weg aufmerksam gemacht. Sie schickte ihm einen Traum, in dem er am Meer mit lieben Menschen ein Picknick machte. Überall blühten wunderschöne Blumen und bunte Schmetterlinge flogen umher. Dann sah er eine Meeresbiologin, die ihn mit in eine Robbenaufzuchtstation nahm. Dort angekommen ging er ihr so selbstverständlich zur Hand, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Die Biologin fragte ihn, ob er sich vorstellen könnte, dort zu arbeiten. Sie seien doch ein gutes Team.
Als Felix am Morgen erwachte, konnte er sich zwar nicht an seinen Traum erinnern, aber er fühlte sich irgendwie erleichtert und unbeschwert.
Der Weg ist das Ziel.
„Woher weißt du denn, dass Felix nun nach dem Traum sein Leben wieder schön und lebenswert findet?“ „Ich habe ihn beobachtet. Sieh selbst.“
Felix hatte das Gefühl, er sollte einmal ausspannen und Urlaub machen. Es zog ihn in die Berge. Dort könnte er bei ein paar Wanderungen in der Natur wieder zu sich selbst finden. Bei einer dieser Bergtouren lernte er eine Sennerin kennen, die vor ihrer Hütte saß, umgeben von Wildblumen und summenden Bienen. Er freute sich, jemanden zu treffen, der anscheinend total entspannt war und den Moment genießen konnte, obwohl die Arbeit einer Bergbäuerin anstrengend und zeitaufwendig ist. Sie zeigte ihm, wie sie die Milch zu leckerem Käse verarbeitet und was das Leben auf der Alm so mit sich bringt. Dann lud sie ihn zu einer leckeren Brotzeit ein. Plötzlich dachte Felix wieder an die Bitte in seiner Verzweiflung: „Wenn ich doch nur den Wunsch frei hätte, dass ich das Leben wieder genießen kann.“ Und er fühlte: wenn ich irgendwo mein Leben wieder schön und lebenswert finden kann, dann hier. Noch einmal ganz neu anfangen, und es fühlt sich verdammt gut an.
Es gibt noch viel zu tun für die kleine Fee.
Manchmal bedarf es der Nachhilfe, um wieder die schönen Dinge des Lebens wahrzunehmen. All die Katastrophen auf der Welt, die wir täglich durch die Medien hautnah miterleben, persönliche Zukunftsängste oder Verlust und Krankheit lassen uns oftmals vergessen, dass es um uns herum doch noch viel Gutes gibt. Da ist es schön, wenn uns eine ‘gute Fee‘ wieder die Augen für die lebens- und liebenswerten Dinge öffnet.
Quellen:
„Die Gärten der Feen“ ist ein lyrisches Gedicht, das in dem Projekt „Carved in Stone“ von Ilona „Swawa“ Jeschke vertont wurde und von ihr gesungen wird:
https://www.shazam.com/song/1505576137/die-g%C3%A4rten-der-feen
Weiterführende Links:
https://herzbiskopf.de/grunde-zu-leben-motivation-weiterzumachen/
https://karlallmer.com/52-vergnueglichkeiten-die-das-leben-lebenswert-machen/