Votivtafeln als Dank

von Irma Hildebrandt

In katholischen Gegenden kann man sie ab und zu noch sehen: kleine bemalte Holztäfelchen an den Wänden von Wallfahrtskirchen und Kapellen. Es sind Zeugnisse der Dankbarkeit für himmlischen Beistand in mancherlei Nöten und Gefahren. Von Laienhand gemalt, schildern sie die wundersame Rettung vor Naturgewalten, die Abwendung von Unglück in Haus und Hof oder die Behütung von Kindern durch ihren Schutzengel. Auch freudige Ereignisse werden dankbar dargestellt: Hochzeiten und Kindstaufen, Hausbau und reiche Ernten. Die Dankbezeugungen an den Kirchenwänden gaben hilfesuchenden Gläubigen oft Zuversicht und stärkten ihr Gottvertrauen.

Votivtafeln als Dank
VOTIVTAFEL
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Dieser Ausdruck von Volksfrömmigkeit vergangener Jahrhunderte fand bei Kunstkennern kaum Beachtung, wurde höchstens als religiöser Kitsch abgetan. Aber mit der Aufwertung naiver Malerei durch Ausstellungen und Auktionen erfuhren die belächelten Täfelchen auf einmal eine neue Wertschätzung – mit dem Ergebnis, dass sie zunehmend aus unverschlossenen Kirchen gestohlen wurden. Mancher Pfarrer oder Klosterabt sah sich genötigt, die verbliebenen Votivbilder abzuhängen und sie der sicheren Obhut eines Museums anzuvertrauen. Wer also heute in den Wallfahrtskirchen Deutschlands nach Votivtafeln sucht, wird nicht selten enttäuscht. Häufiger findet man sie noch in südlichen Ländern, in Südamerika oder auch in Polen.

Votivtafel Erntedankteppich

Dass viele Votivbilder in Volkskundemuseen eine neue Bleibe gefunden haben, macht Sinn, stellen sie doch authentische Situationen aus dem Leben dar. In der Art der Dankbezeugungen gab es standesgemäße Abstufungen. Wenn ein Fürst oder Feldherr sich bei den himmlischen Mächten für einen Sieg bedankte und ein vorher geleistetes Gelübde einlöste, ließ er eine Kirche oder gar einen Dom erbauen. Der Bürgermeister oder reiche Kaufmann errichtete eine Kapelle als Dank für den Beistand bei einer schweren Entscheidung. Der Bauer bezeugte mit einem Bildstöckchen am Wegrand seine Dankbarkeit für die glückliche Geburt eines Hoferben. Und der einfache Mann, der keinen Grund und Boden besaß, dankte Gott auf einem Votivtäfelchen für eine gute Ehegefährtin. Jeder nach seinem Vermögen – Vermögen im doppelten Wortsinn.

Inschriften auf Votivtafeln

Hanneli hat einen guten Schutzengel

Dank, dass mein Josefle nicht im Bach ertrunken ist

Mein Herz ist wieder gesund, dem Himmel sei Dank!

Vom Hagel verschont, Gott hat´s gelohnt.

(Erstabdruck in Frau und Kultur 4,2011, zur Verfügung gestellt von Inge Kellersmann)