von Maria Schmelter
Heute Morgen scheint der Vollmond zum Fenster rein. Es war eine schreckliche Nacht, ich habe mich von einer Seite auf die andere gewälzt. Das, was gestern Abend passiert war, ist einfach so furchtbar, dass es mich bis in meine Träume hinein verfolgte.
Vor einer Woche hatte Andreas mir per WhatsApp mitgeteilt: „Es ist Schluss, versuch’ nicht, mit mir Kontakt aufzunehmen, es ist endgültig.“ Wie erstarrt hatte ich vor dem Handy gesessen und mir die Nachricht immer wieder angeschaut. Ich war es doch schließlich gewesen, die Andreas den Job in der Firma vermittelt hatte.
Vor meinem geistigen Auge ließ ich unsere letzte Begegnung nochmal ablaufen. Wir hatten uns, wie so oft, freitags nach der Arbeit beim Italiener getroffen, hatten eine Pizza gegessen, ein Glas Wein getrunken und uns von der vergangenen Woche erzählt. Das war wie immer gewesen. Er hatte mich nach Hause gebracht. Auf die Frage „Kommst du noch mit hoch?“, hatte er geantwortet, „heute nicht, ich bin so erschöpft“, und hatte sich mit einem Küsschen auf die Wange verabschiedet und gleich auf den Heimweg gemacht.
Ich hatte mir den restlichen Abend zwar anders vorgestellt, mir aber nichts dabei gedacht. Im Fernsehen lief ja noch die Ladies Night, und die konnte ich besser allein oder mit Freundinnen genießen, Männer fühlen sich da so oft auf den Schlips getreten. Ich hatte mir ein Glas Rotwein geholt und es mir vor dem Fernseher gemütlich gemacht.
Auf meine Frage, ob wir am kommenden Wochenende etwas zusammen unternehmen wollten, hatte er geantwortet, er müsse unbedingt seine Mutter besuchen, die habe schon gedroht, ihn zu enterben, weil er sich gar nicht mehr blicken ließ.
Und jetzt also das: Ich hatte einer Freundin von meinem Kummer erzählt, und sie hatte vorgeschlagen, wie in alten Zeiten, mal wieder durch die Clubs zu ziehen. Beide im stylischen Outfit, zogen wir die Männerblicke auf uns.
Wir holten uns einen Drink, sicherten uns einen Platz an der Bar und gingen zur Tanzfläche. Und was sehe ich da? Andreas tanzt engumschlungen mit seiner Sekretärin, dieser dummen Kuh, über die wir oft gemeinsam abgelästert hatten. Aber nicht nur das, er hatte ihr den gleichen türkisfarbenen Schal geschenkt, von dem er behauptet hatte, er bringe meine Augen zum Glänzen; die füllten sich aber jetzt mit Tränen. Ich zog Elisa am Ärmel, nichts wie weg. Auch sie hatte Andreas entdeckt. Wir verließen fluchtartig den Club.
Ja, es stimmt wohl doch, dieses alte pessimistische Sprichwort: Undank ist der Welten Lohn.