Wohnen im Alter

Ein Bericht über das Leben im Rollstuhl bei zunehmendem Alter

von Bernhard Peitz

Situation und Anforderungen

Meine Mutter ist 92 Jahre alt geworden und saß davon 20 Jahre wegen eines Hüftleidens im Rollstuhl. Weil wir Kinder „ausgeflogen“ sind, war sie 15 Jahre in ihrem Eigenheim mehr oder weniger alleine auf sich gestellt. Wir mussten also gemeinsam dafür sorgen, dass ihre Sicherheit im Haus, ihre Versorgung, die Pflege des Hauses mit Garten, ihre Mobilität im und außerhalb des Hauses und die sozialen Kontakte gewährleistet waren. Dank ihrer unverwüstlichen, dynamischen Art hat sie immer genau gewusst, was sie jetzt gerade brauchte. Mit zunehmendem Alter mussten wir die Hilfen immer wieder neu anpassen.

Erste Hilfestellungen

Zunächst waren die beiden wichtigsten Dinge, das Bad/die Toilette behindertengerecht zu gestalten und den Weg aus der Wohnung auf die Terrasse, in den Garten und zur Straße zu ebnen.

Dusche mit Sitzbank (Foto: B.Peitz)

Die Badewanne musste einer ebenerdig, großzügig bemessenen Dusche mit Sitzbank Platz machen, die Toilette wurde mit stabilen Aufstehhilfen ausgestattet und die Tür ins Bad rollstuhlgerecht verbreitert. Alle anderen Türen in der Wohnung waren für den Rollstuhl breit genug.

Terrassenboden (Foto: B.Peitz)

Mit viel Eigenarbeit wurde die Terrasse mit einer Lage Balken und Bohlen auf Wohnungshöhe angepasst. Eine umgebaute LKW-Ladebühne sorgte dafür, dass sie von der Terrasse in den Hof konnte. Jetzt war der Weg in den Garten und zur Straße frei. So konnte sie wieder dem angeheuerten Gärtner auf die Finger sehen, selber die Rosen schneiden und mit den Nachbarn Kontakt aufnehmen.

Erweiterte Hilfestellungen

Anfangs konnte sie den Haushalt trotz Rollstuhl noch selbst erledigen. Irgendwann musste dann aber eine „Putzfrau“ eingestellt werden, die auch die Wäsche erledigte. Essen kochen konnte meine Mutter noch sehr lange, weil Nachbarn die Einkäufe erledigten. Die Küchenarbeitsplatte hatten wir teilweise abgesenkt, damit auch vom Rollstuhl heraus das Putzen des Gemüses und die Vorbereitung der Kochtöpfe bequem möglich waren.

Küche (Foto: B.Peitz)

Eine Spülmaschine erledigte den Rest der Hausarbeit. Ein weiteres Problem wurden mit der Zeit die Rollläden. Automatische Gurtwickler sorgten hier für Abhilfe. Für die Sicherheit sorgten Wassermelder in der Küche und im Bad, Rauchmelder in allen Zimmern und an der Haustür eine Video-Wechselsprechanlage mit fernbetätigtem Türöffner. Die Krönung bildete dann der Hausnotruf eines örtlichen Dienstleisters. Dieser hatte einen Haustürschlüssel und medizinisch ausgebildetes Personal für den Notfall.

Freizeitbeschäftigung

Meine Mutter ging sehr gerne zur Badegymnastik und auf Senioren-Nachmittage, das konnte sie mit dem ÖPNV in den ersten Jahren noch alles selbständig besuchen. Sehr gerne hat sie auch gelesen. Als die Augen dann schlechter wurden, haben wir ihr ein elektronisches Lesegerät beschafft, in dem sie das Buch ablegen und auf einem großen Bildschirm dann lesen konnte.

Das Finale

Irgendwann kam der lange befürchtete Anruf: „Ich bin heute mit dem Oberkörper auf den brennenden Gasherd gefallen. Ich kann nicht mehr. Hole mich bitte ab, ich möchte jetzt in die Pflege“. Alles war vorbereitet. Das Heim in meiner Nähe hatte sie sich selbst ausgesucht. Wichtige Möbel und Erinnerungsstücke konnte sie mitnehmen. So richteten wir ihr ein gemütliches kleines Zimmer ein.

Neues Zuhause (Foto:B.Peitz)

Bei gemeinsamen Ausflügen wünschte sie sich dann irgendwann: „Ich möchte jetzt wieder nach Hause“. Sie hatte die professionelle und liebevolle Hilfe im Heim nicht nur akzeptiert, sondern auch genossen. „Königin Elisabeth“ war dort in ihrem Element und das Pflegepersonal war umwerfend zugänglich. Ich hätte ihr diese Pflege, Mobilisierung und Animation zuhause niemals bieten können.
Mein aufrichtiger Dank geht an das Personal des Pflegeheims.