Wie wollen wir im Alter wohnen?

Von Maria Schmelter

Als ich über diese Frage nachdachte, kam mir die banale Antwort: So verschieden, wie wir vorher gelebt haben.

Ich erzähle euch ein paar Beispiele aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis:

Zuhause wohnen bleiben

Da war Elisabeth, sie lebte in einem Holzhaus am Wald und hatte sehr gerne Gesellschaft. Sie rief einfach an und bat um einen Besuch, und ich besuchte sie gerne, weil es immer interessant war, sich mit ihr zu unterhalten. Sie erzählte aus ihrem bunten Leben, aber genauso war sie an der Tagespolitik interessiert und am Wohlergehen ihrer großen Familie.

Bis sie 90 war, brauchte sie keine Hilfe. Sie war nie ernsthaft krank gewesen und hatte Medikamenten immer misstraut. Als sie nicht mehr alleine klar kam, weil sie insgesamt schwächer wurde, organisierten die Kinder eine Hilfe aus Osteuropa. Mit den meisten verstand sie sich gut. Sie sagte klar, worauf es ihr ankam, wollte nicht geduzt werden, wollte kein Fleisch zu essen, wollte nicht, dass im Haus geraucht wird….Einmal, da ging sie schon stramm auf die 100 zu, wollte sie keinen Wechsel der Betreuungskräfte mehr und wollte die Zeit, bis die ihr vertraute Hilfe nach ihrem Heimaturlaub zurückkehrte, in der Kurzzeitpflege überbrücken. Da habe ich sie zum 1. Mal todunglücklich gesehen, und die Kinder organisierten ganz schnell, dass sie wieder nach Hause konnte. Und da lebte sie, immer schwächer werdend, bis sie im Alter von 102 Jahren starb.

Dann denke ich an eine Frau, die lange in der Kirchengemeinde aktiv war. Sie war schwer herzkrank und wohnte im 3. Stock. Mit eisernem Willen trainierte sie, ihre Wege zu schaffen. Als es schlechter wurde, stellte sie in jedem Stockwerk einen Stuhl zum Ausruhen auf. Das ging noch eine ganze Weile. Sie war schon über 90, als sie ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte. Von den Vorzügen eines Lebens im Heim wollte sie nichts hören. Sie wollte dort sterben, wo sie gelebt hatte. Kontakte waren nur noch per Telefon möglich, denn ihre alten Freundinnen schafften den Weg in den 3. Stock schon lange nicht mehr. Sie beklagte sich nicht und starb dort.

In einer Seniorenwohnanlage

Neulich führte ich ein Gespräch mit Ingrid. Sie lebt seit 15 Jahren in einer Seniorenwohnanlage, fußläufig zur Innenstadt. Eingezogen war sie dort mit ihrem Ehemann, der vor 5 Jahren in einem Pflegeheim verstarb. Ich fragte sie, was sie damals bewogen hätte, in die Seniorenwohnanlage zu ziehen, immerhin war sie damals erst 70 Jahre alt und erfreute sich guter Gesundheit. Es war ihr 8 Jahre älterer Mann, der den Ausschlag gab. Zwar hatten sie sich, da kinderlos, schon Jahre zuvor in einem Betreuten Wohnen angemeldet, aber eben für später, wenn es nötig sein würde. Als ihr Mann von diesem Bauprojekt in der Innenstadt erfuhr, war er begeistert und wollte dort eine 2-Zimmer-Wohnung erwerben. Ingrid stimmte – eher schweren Herzens – zu. Für sie war es der Abschied von ihrer geliebten großen Wohnung, in die sie so viele Freunde hatten einladen können. Aber sie stimmte zu. Sie mussten fast alle Möbel zurücklassen, da die neue Wohnung nur halb so groß war. Sie richtete sie mit viel Geschick ein. In den ersten Jahren dort konnte sie mit ihrem Mann das gewohnte Leben fortsetzen, mit Reisen, die nun Ziele in Europa ansteuerten, Ausflügen in die Umgebung und Besuchen von Freunden, die zum Übernachten im nahen Hotel einquartiert wurden. Aber sie sagte im Gespräch, zu Hause gefühlt habe sie sich in dieser Wohnung erst, nachdem ihr Mann verstorben war. Nun, da ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt ist, sei sie froh, dass sie aufgrund des kurzen Weges in die Stadt alle Dinge des täglichen Lebens noch selbständig erledigen kann und es ihr auch möglich ist, am kulturellen Leben teilzunehmen. Die Seniorenwohnanlage bietet keinen Service bei zunehmender Pflegebedürftigkeit. Sollte ihr Gesundheitszustand sich also verschlechtern, so muss sie sich um einen ambulanten Pflegedienst bemühen oder sich nach einem Platz in einem Pflegeheim umschauen.

Ein Wohnprojekt

Jetzt erzähle ich euch von einem Wohnprojekt, das Freunde von mir – mehrere Ehepaare – nach jahrelangen Planungen verwirklicht haben. Sie suchten lange nach einem geeigneten Objekt und fanden es schließlich in einer heruntergekommenen alten Hofreite. Die Gebäude wurden aufwendig und mit viel Eigenarbeit saniert und restauriert, ökologisch und unter Beachtung der Denkmalschutzauflagen. So entstanden 4 unterschiedlich große barrierefreie Wohnungen mit Wohnküche und 2 – 3 Zimmern und Bad mit bodengleicher Dusche dazu noch eine kleine Wohnung für eine Person. In einem der Nebengebäude befinden sich ein großer Gemeinschaftsraum sowie Platz für weitere Aktivitäten und für die Übernachtung von Gästen.

Im anderen Nebengebäude sind eine Werkstatt, eine Waschküche und ein Wannenbad. Der Innenhof und der kleine Garten sind liebevoll gepflegt und bieten zahlreiche Sitzgelegenheiten. Alle Wohnungen sind Einzeleigentum, während die Gemeinschaftseinrichtungen einer GbR gehören, an der die Wohnungseigentümer beteiligt sind.

Hinter dem Wohnprojekt stand die Idee, soziale Isolation im Alter zu verhindern und, wenn nötig und möglich, sich persönlich zu unterstützen. 

Es wird 1x pro Woche gemeinsam gegessen. Außerdem werden wöchentlich alle anstehenden Fragen gemeinsam besprochen und entschieden. Geburtstage werden mit einem Geburtstagsfrühstück von allen begangen. Mehrmals im Jahr werden Freunde und Nachbarn zu Aktivitäten eingeladen.

Als Besucherin kann ich nur sagen, es ist ein in jeder Hinsicht lebendiger Wohn- und Lebensort entstanden.

Mit einigen Aussagen der dort Lebenden möchte ich schließen:

„Ganz neue Freundschaften sind entstanden, das freut und fordert mich.“ „Auch im Älterwerden kann man sich noch verändern.“ „So ein Zusammenleben hält einen dynamisch und jung.“  „Stadtnah dörflich leben – das Engagement hat sich gelohnt.“ „Wenn viele anpacken, werden Träume wahr.“