von Dorothee Durka
Sehen Sie hierzu auch ein Interview mit Dorothee Durka und Karin Hunsinger
Im Lerncafé 81 hatte ich beim Thema ‚Ruhestand‘ von meinem ziemlich überraschend bevorstehenden Umzug berichtet. Was hat sich seitdem getan?
Der Umzug
Anfang August 2019 fand mein Umzug in die ‚Seniorenresidenz‘ statt, wie solche Einrichtungen heißen, Abteilung ‚Betreutes Wohnen‘. Einer meiner beiden Söhne, Schreiner und Innenarchitekt, hat mit drei Freunden den Umzug durchgeführt, nachdem er mich in Urlaub geschickt hatte (“du kannst keine Kartons tragen, du kannst keine Möbel ab- und aufbauen, du stehst nur ´rum“).
Fragen, die vor dem Umzug noch offen waren, hatten sich bis zum Umzug geklärt: Das Haus habe ich – ohne Makler – an eine mir entfernt bekannte Familie mit vier Kindern vermietet, die plötzlich vor meiner Tür stand. Meine Kinder wollten nicht, dass ich das Haus verkaufe, und wollen sich um die Verwaltung kümmern – allerdings ein bisschen schwierig von München und Stuttgart aus. Der Afghane, der mein Haus nicht verlassen wollte, ist einen Monat später als gewünscht doch ausgezogen.
Wie es in meiner ‚Betreuten‘ Wohnung anfing
Nun bin ich 1,5 Jahre hier. Der Zauber, der nach Hermann Hesse in jedem Anfang stecken soll, stellte sich erst ein, nachdem ich die Strapazen des Umzugs, wenn ich ihn auch nicht selbst gemacht habe, einigermaßen überwunden hatte. Ich hatte ja nur 2,5 Monate, um zu entscheiden, was ich brauche, was ich möchte, was ich loswerden will oder muss und wie ich das organisiere. Zum Glück fand sich mein Mieter bereit, die ‚Reste‘, die sich nach 48 Jahren noch in sechs Zimmern und einigen Kellerräumen befanden, zu ver- oder entsorgen.
Ein- und auspacken musste ich natürlich selbst. Mit der Verminderung meines Inventars von sechs auf zwei Zimmer à ca. 22 m² konnte ich mich gut anfreunden, zumal ich das Inventar meines Wohnzimmers fast komplett, sogar mit einem Schrank von 3,80 m Breite und den Gardinen, hier unterbringen konnte, dazu die Möbel meines Arbeits- und Schlafzimmers und der Diele. Etwas klein ist mit ca. 4,5 m² die Küche, ohne Fenster und ohne Platz für eine Spülmaschine. Aber da ich noch nie eine begeisterte Köchin war, kann ich damit leben.
Was bedeutet ‚Betreutes Wohnen‘?
Das ‚Betreute Wohnen‘ bedeutet nicht, dass man rundum betreut wird. Die Betreuung besteht z. B. in einem Life-Check, mit dem man sich jeden Morgen telefonisch meldet. Wenn man das nicht tut, ruft nach 10:30 h jemand vom Haus an oder schaut vorbei. Anfangs ist mir das dreimal passiert. Bei Bedarf steht ein Hausmeister zur Verfügung, z. B. um den Wasserhahn zu reparieren oder die Gardinen auf- und abzuhängen (waschen muss man sie selbst!). Man hat Notrufknöpfe an zwei Stellen in der Wohnung und einen Feuermelder, für Heizung, Wasser, Müllentfernung und eine wöchentliche Reinigung wird gesorgt.
Die Angebote des Hauses
Zur Betreuung gehört auch, dass das Haus ein großes Veranstaltungsangebot hat.
Das wurde mir persönlich von einer Hausdame vorgestellt, und ich habe etliche Angebote wahrgenommen: Gedächtnistraining, Sport mit Fitnesstraining, Backen, Kochen u. a. Dazu kommen Vorträge, Musikdarbietungen, 2x wöchentlich Fahrten ins Stadtzentrum mit einem Kleinbus, Ausflüge.
An jedem Monatsende gibt es einen Geburtstagskaffee für die Geburtstagskinder des Monats, alle paar Monate ein Frühstück für Neuankömmlinge
Faschingsfeier, Oktoberfest, Weihnachtsfeier mit einem opulenten Abendessen. Alle diese Veranstaltungen bieten die Gelegenheit, Leute kennenzulernen, was mir in einigen Fällen gelungen ist. Einige Personen kannte ich schon vorher.
Das alles hat natürlich seinen Preis: Für meine ca. 53 m² plus Terrasse von ca. 25 m² zahle ich zur Zeit 1472,33 € im Monat – eine Mieterhöhung für April wurde bereits angekündigt. In Anbetracht dieser vielen Angebote konnte ich den Preis, über den ich zuerst erschrocken war, akzeptieren. Allerdings bekomme ich an Miete für mein Haus – nach Abzug von Steuern und eigenen Nebenkosten, mitgerechnet die Ersparnis an Heizung, Wasser und Müll in meinem Haus – immerhin etwas mehr als die Hälfte dieses Betrags.
Dann kam Corona
Die oben beschriebenen Angebote hätte ich eigentlich in der Vergangenheitsform darlegen müssen, denn ab 12. 3. 2020 wurden alle Veranstaltungen abgesagt. Vorsichtige Versuche im Sommer, wieder etwas, wenigstens in kleinen Gruppen, anzubieten, reichten nur bis zum neuen Lockdown im Herbst.
Als ‚Ersatz‘ geben die fünf Angestellten des sozial-kulturellen Dienstes, die die ganzen Veranstaltungen durchgeführt hatten, nun ein Wochenblättchen heraus, sie bieten Besuche und Gespräche an, halfen bei den Impfaktionen oder denken sich kleine Überraschungen aus, z. B. ein Fähnchen für jeden zur Dekoration des Gartens, einen Schokoladennikolaus am 6. 12., einen Papierstern zu Weihnachten zum Bemalen, einen ‚Berliner‘ zur Fastnacht oder Ähnliches. Der Mietpreis wurde allerdings nicht gesenkt!
Was ist für mich geblieben – was hat sich geändert?
Mein Leben musste ich nicht besonders umstellen: Meine Wohnung liegt nur 5 – 6 km von meinem früheren Wohnort entfernt. Ich konnte also meine Kontakte und meine meist ehrenamtlichen Tätigkeiten beibehalten und mich mit meinem Auto überall hinbegeben. Geändert hat sich, dass ich mein Auto abgegeben habe, weil ich nun in Zentrumsnähe wohne und gute Anbindungen zum ÖPNV habe. Die Entfernung zum Stadtzentrum und Bahnhof beträgt ca. 2 km. Von meinem Haus auf dem Land konnte ich zwar auch den ÖPNV nutzen, aber das Angebot und dessen Erreichbarkeit waren nicht so günstig wie hier. Außerdem liegt in Minuten-Entfernung ein großer Park, den ich oft aufsuche.
Fazit
Mein Fazit ist: Ich bin rundum zufrieden – natürlich in der Hoffnung, dass es nach Corona wieder die guten Angebote des Hauses gibt. Der Umzug hat mir nur Vorteile gebracht. Manchmal denke ich, ich habe es mir – obwohl noch topfit – zu bequem gemacht, z. B. mit dem Service und den Annehmlichkeiten, die hier geboten werden, mit den wenigen Schritten, mit denen ich meine Wohnung durchqueren kann. Aber dann stelle ich mir vor, wie oft ich vielleicht schon meine großen Treppen innen und außen hinuntergefallen wäre, wie mühsam das Schneeschippen war und wäre. Durch den Umzug und die Reduzierung meines Inventars habe ich auch meine Söhne entlastet in Bezug auf die irgendwann anfallenden Räumungsarbeiten. Was ich vermisse, ist die Möglichkeit, Gäste zu beherbergen, was ich früher gern und öfter machen konnte. Es gibt zwar hier Gästezimmer, aber die sind wegen Corona geschlossen und würden etwa so viel kosten wie ein Hotel. In Corona-Zeiten war allerdings der Bedarf an Übernachtungen nicht so groß.
Ich kann diese Art zu wohnen sehr empfehlen. Sie hat halt ihren Preis, und ich bin froh, dass ich diesen Preis bezahlen kann.