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My home is my castle. Einen alten Baum verpflanzt man nicht mehr. Sagt der Volksmund. Und es stimmt wohl: Viele Menschen möchten ihre späten Lebensjahre in gewohnter Umgebung verbringen. Glücklich ist, wer das kann.
Manchmal aber ist ein Umzug unvermeidlich. Haus und Garten machen plötzlich zu viel Arbeit. Überhaupt ist die Wohnung zu groß, Besuch kommt ja meist sowieso seltener als gedacht. Die Treppe ist zu steil, vieles in der Wohnung einfach zu eng. Und überhaupt wohnt man jetzt da, wo es vielleicht früher mal schön war, es aber heute nicht mehr praktisch ist.
Mit dem Alter ändern sich die Bedürfnisse
Genau das ist es, was mich beschäftigt. Eigentlich wohne ich schön. Stadtrandig, ruhig und sicher, es gibt einiges an Grün vor der Tür. Meine Wohnung ist hübsch, geräumig und hell.
Aber, und das ist die Krux: Sie liegt im dritten Stock. Einen Fahrstuhl gibt es nicht.
Ich bin hier vor zehn Jahren eingezogen, weil ich Wohnung, Haus und Umgebung mochte und es nicht weit zum nächsten Bahnhof ist. Ich pendelte bis zu meiner Pensionierung täglich ins Nachbarstädtchen. Nicht mehr als eine gute halbe Stunde. Alles paletti.
Ich kann mich noch erinnern: Beinahe gleichzeitig bezog eine ältere, aber ziemlich rüstig erscheinende Dame die Wohnung im Halbparterre. Ihr gegenüber wohnte ein älteres Ehepaar, der Mann verstarb vor einigen Jahren.
Die beiden Damen wohnen noch immer hier. Ich sehe sie manchmal. Heute sind sie, verständlich, nicht mehr ganz so rüstig. Von der Wohnungstür bis zum Hauseingang sind es nicht viele Stufen, nicht mehr als fünfzehn, schätze ich. Aber diese „wenigen“ Stufen machen den beiden netten Damen zunehmend zu schaffen. Im Hausgang ist jetzt dauerhaft ein Rollator geparkt.
Mir schwant, was in einigen Jahren in meinem dritten Stock auf mich zukommen könnte.
Besser rechtzeitig umziehen...
Wenn noch mal umziehen, warum dann nicht jetzt? Ich muss jetzt nicht mehr täglich zum Bahnhof. Etwas zentraler zu wohnen wäre auch ganz schön. In zehn Jahren oder noch später werden mir Wohnungssuche und Umzug sicher nicht leichter fallen.
Obwohl: Betrifft mich das jetzt wirklich schon? Übertreibe ich nicht? Dem kürzlich der Arbeitswelt entkommenen, glücklichen Rentner in den angeblich goldenen Sechzigern? Jüngst erfuhr ich, dass „sechzig“ heute ja kein Alter mehr sei. Meinte eine Dame, deren dreiundsechzigjähriger Gatte ein paar Monate später an einem Herzinfarkt verstarb.
Kürzlich plauderte ich mit einer Bekannten über meine Umzugsgedanken. Dafür erntete ich ein paar befremdliche Blicke. Meine Bekannte ist nicht nur zwei Jahre älter, sie ist auch gerade erst in eine Wohnung im gleichfalls dritten Stock gezogen, ohne Lift, versteht sich. Einen Aufzug brauche sie nicht, der erhöhe nur die Nebenkosten. Und überhaupt halte das Treppensteigen sie fit, meint sie.
Trotzdem: Ich möchte vorbereitet sein. Auf die Zeit, in der ich wahrscheinlich nicht mehr so beweglich bin. Sollte ich die Wohnung wechseln, muss die neue natürlich altersgerecht sein. Ich will ja in einigen Jahren nicht wieder umziehen müssen.
„Vergnügen“ Wohnungssuche
Ich weiß ungefähr, was ich will. Eine kleine Wohnung, mit einem, gerne auch zwei Schlafzimmern, falls der seltene Besuch in Zukunft plötzlich häufiger wird. Mit Aufzug oder im Erdgeschoss gelegen. Was meine Bekannte wiederum gar nicht gut findet: Erdgeschoss? Da, wo in Großstädten ständig eingebrochen wird?
Ich bin weniger ängstlich. Aber sind meine Wünsche wenigstens einigermaßen realistisch, gemessen an meinen Mitteln?
Eigentum im Alter schont die Rente. Das stimmt wohl. Also schaue ich mir im Internet erst mal das Kaufangebot an. Und bin umgehend ernüchtert.
Es gibt, so scheint es, ein großzügiges Wohnungsangebot. Neubau, und so passend! Barrierefrei –noch weiß ich nicht so recht, was das bedeutet. Manchmal heißt es auch „rollstuhlgerecht“ und man sieht auf Fotos Badewannen mit besonderen Haltegriffen. Was jetzt nicht unbedingt besonders einladend auf mich wirkt, aber sicher irgendwann nützlich sein könnte.
Was allerdings weniger einladend wirkt, sind die Preise. Mal eben eine halbe Million Euro hinblättern? Ich frage mich, wer das bezahlen kann. Der Markt wird es schon richten? Nicht für mich, so scheint es.
Also darf es, nein, sollte es wohl etwas „Älteres“, und vor allen Dingen billiger sein. Tatsächlich finde ich einige Angebote, die erfolgversprechend klingen. In einem Angebot bei Bedarf gar mit „betreutem Wohnen“. Warum nicht.
Der Markt richtet es eben doch nicht immer
Um es kurz zu machen, keine der angebotenen Wohnungen hielt, was ich mir erhoffte. Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist „eng“, wie es in der Fachsprache heißt, Miete und Kaufpreise sind meist schlicht zu hoch.
Beim betreuten Wohnen fiel mir sofort der Wagen der örtlichen Pflegestelle vor dem Haus ins Auge. Gut, der gehört wohl dazu. Bereits der Hauseingang hatte „Heimcharakter“. Schlimmer noch: Am Fenster im Erdgeschoss achtete eine ziemlich misstrauisch wirkende Dame darauf, wer sich dem Haus näherte. Sicherheit ist ja schön und gut, betreutes Wohnen irgendwann vielleicht notwendig, kontrolliertes aber wenig angenehm.
Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben. Wahrscheinlich muss ich bei Preis oder Miete Zugeständnisse machen. Oder meine Ansprüche eben senken.
In der Gemeinschaft alt werden?
Mittlerweile habe ich mich ein wenig sachkundig gemacht. Wohnen im Alter ist ein durchaus diskutiertes Thema. Die Politik ist sich bewusst, dass wegen der oft zitierten demographischen Entwicklung weitaus mehr altersgerechter Wohnraum gebraucht wird. Aber, siehe oben, ob es der Markt wirklich richtet? Man darf zweifeln.
Neue Wohnformen auch für ältere Menschen versprechen attraktive Alternativen. Ein ehemaliger Ministerpräsident des Landes Bremen schrieb bereits vor Jahren ein Buch über sein Leben in einer Senioren-WG. Generationenübergreifendes Wohnen, Wohn-Pflege-Gemeinschaften und andere Wohnexperimente scheinen ein interessanter Kontrast zum Alleinleben, zum betreuten Wohnen oder zum Alten- und Pflegeheim zu sein. Mit Serviceangeboten wie mobiler Pflege, aber auch Einladungen zum gemeinsamen Kochen oder auch – wen es interessiert – mit Meditationsgruppe und künstlerischer Betätigung.
Der Haken: Rein kommerzielle Angebote sind ausgesprochen teuer. Außerdem findet man die Angebote, wie so oft, nicht gerade vor der eigenen Haustür. Die gewohnte Umgebung einschließlich Freundeskreis aufgeben und in den hohen Norden, mitten in die fremde Großstadt oder die ostdeutsche Provinz umsiedeln, um sich dort auf ein Wohnexperiment mit unbekannten Idealisten einzulassen? Passe ich dort überhaupt hin?
Plötzlich fühle ich mich dann doch ziemlich alt.
Fazit
So viel Veränderung muss nicht sein. Also suche ich weiter nach der passenden Wohnung, in meiner Stadt, also dem Ort, an dem ich mich wohlfühle. Wenn man schon einen alten Baum verpflanzt, dann bitte in die nähere Umgebung. Altersgerecht, wohlgemerkt. Aber das eilt ja nicht. Ich bin ja erst in den goldenen Sechzigern und eigentlich zufrieden, da, wo ich bin. Noch jedenfalls.
(anonym, Verfasser ist der Redaktion bekannt)