Altern – hier und anderswo

Beispiel: Dänemark

Von Ute Lenke

Wer das Thema „wo und wie willst du im Alter mal wohnen“ anschneidet, erntet meist missbilligende Antworten zwischen: bloß nicht ins Heim, da sind nur alte Leute – natürlich zuhause – bis: am liebsten unter südlicher Sonne. Und besser redet man nicht darüber – das hat noch Zeit.

Altern in Deutschland

Deutschland ist in Europa eines der reichsten Länder, aber was die Fürsorge für die Älteren betrifft, sind sogenannte Entwicklungsländer manchmal weiter. Heimplätze für pflegebedürftige sind knapp, das Personal überfordert und schlecht bezahlt, Seniorenresidenzen kann sich kaum jemand leisten und helfen vor allem den Immobilienfirmen, die damit und mit Häusern für betreutes Wohnen gute Geschäfte machen. Wohnen zuhause verlangt oft kostspielige, altersgerechte Umbauten und Hilfe durch private ambulante Dienste oder ausländisches Pflegepersonal, deren Kosten zwar teilweise von Pflegeversicherungen übernommen werden, aber wenn, dann erst, nachdem man umständliche bürokratische Hindernisse überwunden hat.

Ein unbeliebtes Thema also; dabei wird es in der Zukunft immer dringlicher. Der Anteil der über 60-Jährigen an der bundesrepublikanischen Bevölkerung beträgt schon jetzt fast 30% und wird in den kommenden Jahren steigen.

Als in unserer Familie der Entschluss gefasst wurde, nach gefühlten 10 Umzügen und Wohnortswechseln endlich ein eigenes Häuschen zu erwerben, sollte das als Alterssitz ausgestattet werden. Das hatte ich mir so schön vorgestellt: Unser Lieblingsurlaubsland ist Dänemark. Die Ferienwohnungen dort sind so praktisch und modern eingerichtet, alles funktionell und technisch auf dem neuesten Stand. So wollte ich auch zuhause wohnen. Leider wurde das nichts: Zu allen Vorschlägen sagten die Handwerker: “Geht nicht, haben wir noch nie gemacht”.

Altern in Dänemark

Bauernhaus in Dänemark (Foto: U.Lenke)

Von den beneidenswerten dänischen Errungenschaften konnten wir uns bei den letzten Urlauben wieder überzeugen. Wir hatten eine Wohnung in einem umgebauten Bauernhaus gemietet mit Fernheizung, WLan, Telefon, TV, moderne Küche. In einer Nachbarwohnung lebt eine alte Dame – die Besitzerin. Sie spricht kein Deutsch, wir kaum Dänisch, es blieb beim freundlichen „Hallo, alles gut?“ Vor ihrer Tür standen bei dem ersten Aufenthalt ein Auto und ein Rollator, sie konnte mühsam den Weg zum Briefkasten schaffen oder fuhr mit dem Auto in den Hauptort der Insel. Einmal täglich erhielt sie Besuch von der „Kommune“, das ist der dänische Sozialdienst, der sich um ältere Mitbürger*innen kümmert.

Beim zweiten Mal, 9 Monate später, war das Auto weg, die Dame nicht mehr zu sehen. Jetzt kam die „Kommune“ 2 – manchmal 3-mal am Tag, 1-mal eine Frau, die putzte, Wäsche wusch, Müll fortschaffte. Mehrmals erschien ein Lieferwagen, der Hilfsmittel brachte: ein verstellbares Teil für ein Bett, mal einen Rollstuhl. Kurz: es war immer „was los“ – einsam schien die Dame nicht zu sein, auch Nachbarinnen kamen ab und zu vorbei. Das war alles so ganz anders als ich es von Deutschland gewohnt war.

Meine Neugier war geweckt und ich informierte mich über die erstaunliche

dänische Altenfürsorge.

Dänemark gilt als eines der altersfreundlichsten Länder Europas. Schon seit 1987 werden keine Altersheime mehr gebaut. Stattdessen gibt es unterschiedliche Wohnformen und staatliche Hilfen.

Die Sozial- und Gesundheitsdienste sind dezentral durch die Gemeinden organisiert. Die Verantwortung für die Aufgabenbereiche der stationären und ambulanten Pflege, ebenso wie für Wohnen, Betreuung und soziale Dienste liegen in der Hand der Kommunen.

Sozialdienste sind sehr umfangreich ausgestaltet und umfassen eine breite Palette von einfachen Hilfestellungen bei der Hausarbeit bis hin zu medizinischer Versorgung und Pflege und Organisation von Besuchsdiensten. Wer haushaltsnahe Dienste (Hilfe beim Abwasch, Reinigung der Sanitäranlagen, Gardinen u. ä.) benötigt, kann das über das staatlich bezuschusste sog. „Home Service-Programm“ (Hjemmeservice) besorgen lassen.

Dänische Bürgerinnen und Bürger, die 75 Jahre und älter sind und keine häusliche Pflege und Betreuung erhalten, haben zweimal jährlich Anspruch auf kostenfreie präventive Hausbesuche. Ziel dieser Maßnahme ist es, einen bestehenden Hilfebedarf schnell zu erkennen und bei der Planung des selbstbestimmten Lebens behilflich zu sein.

Es gibt flexible Kombinationen von Wohn- und Pflegeangeboten in Form von betreutem Wohnen in stationären Alters- und Pflegezentren. Hier werden Wohnanlagen, die aus Alters- und Pflegewohnungen mit Servicezentren bestehen, zusammengebracht. So sind differenzierte Angebote für unterschiedliche Bedürfnisse verfügbar. Häufig sind in den Zentren auch Wohngemeinschaften für Demenzkranke integriert.

Ein anderes Modell sind Seniorenwohngemeinschaften („Seniorbofællesskaber“), die sich seit den 1970ern als eigenständige Form des Wohnens im Alter etabliert haben. Dabei handelt es sich um Einfamilienhaussiedlungen für Personen über 50 Jahre, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern gemeinsam geplant und selbst verwaltet werden. In größeren Städten handelt es sich auch um Eigentumswohnungen in Wohnanlagen, die sehr beliebt sind und für die es lange Wartelisten gibt.

Ein Schwerpunkt der aktuellen Seniorenpolitik ist der verstärkte Einsatz von neuen Technologien im sozialen Bereich. Der Public Welfare Technology Fund (PWTFund) prüft und verbreitet seit 2008 bspw. den Einsatz von Telemedizin, Sensortechnik in Wohnungen und Online-Pflege-Modelle und strukturiert Dienstleistungsabläufe im staatlichen Sektor neu. Das dänische Finanzministerium finanzierte die Einrichtung mit 400 Mio. Euro für den Zeitraum 2009 – 2016.

So kann es also auch gehen – Däne müsste man sein.

Quellen:

Age Stiftung (Herausgeber) Wohnformen für die Generationen 50 plus in Dänemark – PDF Free Download (docplayer.org)

Stula, Sabrina: Wohnen im Alter in Europa – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Arbeitspapier Nr. 7 der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa, Juni 2012, hrsg. BMFSFJ (AP_7_DE.PDF)

Pflege, Altenpflege, Pflegeheim, 50plus – 50PLUS.de

Siebter Altenbericht. Sorge und Mitverantwortung in der
Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften
und Stellungnahme der Bundesregierung. 2018 hrsg. BMFSFJ