Das Rumpelstilzchen in Amerika

von Maria Schmelter

Als das Rumpelstilzchen eines Tages auf der Suche nach einem geeigneten Altersruhesitz einen Ausflug nach Amerika machte, kam es in Kansas zu dieser schönen alten Holzbrücke, die über einen Fluss führte. Es entdeckte dort ein hübsches kleines Holzhaus und daran hing ein Schild: „To rent“. Rumpelstilzchen dachte, das wäre genau das Richtige, um hier seine alten Tage zu verbringen. Es malte sich aus, dort auf der Terrasse vor dem Haus in der Abenddämmerung zu sitzen und dem leisen Murmeln des Flusses zuzuhören. Es bemühte sich sofort, den Kontakt mit den Vermietern aufzunehmen. Es war aber eine Immobilienfirma, die zum T*konzern gehörte, und das brachte einige Umstände mit sich.

Es gab eine große Liste von Dingen, die ein Mieter zusagen musste:

  • Er musste ein Trumpwähler sein
  • Er musste gut bewaffnet aufpassen, dass die Brücke nicht von Schwarzen überquert wurde und
  • Er musste zusagen, Mitglied einer evangelikalen Freikirche zu sein.

Das Rumpelstilzchen dachte total verdattert, in welchen Film bin ich denn hier geraten. In meiner Geschichte war doch alles ganz anders. Da sollte jemand meinen Namen erraten. Und jetzt dieses ganze Gemache, Vorschriften hinten und vorne, nur weil ich ein Haus mieten will. Da habe ich gar keinen Bock drauf. Was soll ich machen, einfach zu allem ja und Amen sagen, in der Hoffnung, dass keiner kontrollieren kommt, oder soll ich mir diesen Vermieter mal richtig vorknöpfen, was ihm einfällt, solche Forderungen zu stellen? Und ich dachte, Amerika sei ein freies Land, in dem jeder nach seiner Fasson glücklich werden könnte.

Rumpelstilzchen entschied sich dafür, die T*-Immobilienfirma aufzusuchen. Dafür musste es nach Washington reisen, dort war in einem Anbau des Weißen Hauses die Firma untergebracht. Davor waren lange Warteschlangen. Von Zeit zu Zeit wurde mal einer aus der Schlange hereingebeten, aber es ging nicht der Reihe nach. Dank seiner guten Augen sah das Rumpelstilzchen: Man musste einen sehr großen Geldschein fünfmal knicken und in einen Schlitz stecken, dann wurde man aufgerufen.

Das Rumpelstilzchen dachte, so ein Sch…, das ist doch Korruption pur, daran will ich mich nicht beteiligen.

Es buchte den nächsten Flug zurück nach Good old Germany und landete auf dem Flugplatz in Kassel-Calden. Von dort begab es sich schnurstracks in die Grimmewelt, um den Rest seines Lebens ruhig und beschaulich im Museum zu verbringen.