von Inge Kellersmann
Sommerferien am Meeresstrand, später Skikurse in den Alpen und Wandern in der Sächsischen Schweiz – dies und einiges mehr unternahmen wir Großeltern mit unseren drei Enkelkindern, bis die beiden Ältesten in die Pubertät kamen. Aber was kann ich ihnen nun als ehemalige Reiseleiterin bieten, um Eindrücke von europäischen Städten zu vermitteln und dabei Spaß zu haben?
Am Ulmer Bahnhof sah ich eines Tages einen TGV einfahren. Das war`s: Paris! Die damals 15-jährige Franka zu überreden, war nicht notwendig. Wir waren damals kreuz und quer mit der Metro unterwegs, stiegen hoch zum Montmartre, besuchten die Kirche Notre Dame, die Galerie Lafayette usw.
Dann kam Franka auf die Idee, doch mit dem Fahrrad die Stadt zu erkunden. Und das in Paris. Wir einigten uns auf eine geführte Tour. An der Seine entlang, über einige Brücken (es wurde inzwischen schon dunkel, der beleuchtete Eiffelturm war ein attraktives Fotomotiv). Mit Grausen denke ich zurück an diese Tour durch die engen Straßen im Quartier Latin, vorbei an den Fußgängern und der Außengastronomie. Unsicher stieg ich immer wieder vom Fahrrad ab, vergrößerte somit den Abstand zu der kleinen Gruppe, die dann auch mich warten mussten. Es stand für mich fest, zu einer Fahrradtour in der Großstadt lasse ich mich nicht mehr überreden.
Franka erzählte zuhause von ihren Erlebnissen, so dass ihr jüngerer Bruder natürlich auch nach Paris wollte. Ich buchte eine Wohnung über Airbnb. Sie lag im 5. Stock ohne Aufzug. Und diese Treppen hochzusteigen nach einem vollgefüllten Tag inklusive Louvre, das war selbst für meinen Enkel eine Herausforderung. Bennos Aufgabe war, so haben wir es vereinbart, mit Google maps den Weg bzw. die Metro zu den Sehenswürdigkeiten zu finden. Es klappte wunderbar. Leider war der Eiffelturm aufgrund der noch bestehenden Corona-Maßnahmen gesperrt, so fuhren wir abends mit dem Bus dorthin und nahmen auf einer Wiese neben anderen Menschen Platz, tranken ein Glas Sekt und bestaunten den Eiffelturm von unten. Schön war´s!
Natürlich wollte die jüngste Enkelin Lena auch mit der damals schon 78-jährigen Oma verreisen. Das erste Ziel war Hamburg. Das Musical „König der Löwen“ und das Miniatur-Wunderland fand sie toll, aber die Hafenrundfahrt mit Sicht auf die Oper und die riesigen Containerschiffe beeindruckte sie mehr.
Im letzten Jahr besuchte ich mit ihr Amsterdam. Auch Lena verstand es, uns mit ihrem Handy trotz des Straßengewirrs zur anvisierten Sehenswürdigkeit zu führen. Leider gab es keine Möglichkeit mehr, das Anne-Frank-Haus zu besuchen. Dafür genossen wir beide eine Grachtenfahrt auf einem kleineren Schiff mit internationalen Gästen, mit denen Lena ihr Englisch üben konnte.
Im Februar rief mich die nun 15-jährige Lena an, dass sie ein vierwöchiges Praktikum im Deutschen Bundestag bei einem ostdeutschen SPD-Abgeordneten machen kann. Ganz stolz berichtete sie anschließend, wo sie überall gewesen ist und welche Politiker sie gesehen hat. So kam mir die Idee, mit ihr in den Osterferien nach Brüssel zu fahren und buchte im Internet einen Besuch im Parlament und im Parlamentarium. Ob wir dort mit einem Politiker in Kontakt kommen würden, bezweifelte ich. Tatsächlich ermöglichte es ihr Vater – den Kontakt mit einer italienischen Politikerin, die uns in das Gebäude der Europäischen Kommission führte. Leider war Frau von der Leyen, die im 13. Stock ihre Büros hatte, vermutlich schon im Osterurlaub. Dafür betrachteten wir in diesem Stockwerk die goldene Medaille und die Urkunde für den Friedensnobelpreis, die die EU im Jahre 2012 erhielt. Auf dem Foto erkannten wir auch den damaligen Parlamentspräsident Martin Schulz, der zusammen mit zwei anderen Politikern stellvertretend für die rund 500 Millionen Bürger der Union den Preis entgegennahm.
Der Zugang zum Parlament war problematisch. Er war mit Eisenstangen, Stacheldraht und vielen Polizisten versperrt. Auf dem Platz davor demonstrierten lauthals viele Kurden, es wurde Tränengas versprüht. So eilten wir zu einem anderen Zugang zum Parlamentsgebäude. Mittels eines Audioguides konnten wir dann von den Zuschauerrängen aus eine Sitzung zum Thema Landwirtschaft verfolgen und erfuhren u.a. die Aufgaben der Abgeordneten.
Am nächsten Tag war der Termin im Besucherzentrum der EU geplant. Die Ausstellung mit einer multimedialen Installation ist vor allem für junge Besucher spannend. Aber auch zu dem Parlamentarium war der Zugang versperrt. Der Platz war voll mit Traktoren. Die Bauern demonstrierten gegen die Auflagen der EU wie in Deutschland auch. Auf dem Platz lagen Mist und brennende Gummireifen, die später angezündet wurden. Schwarzer Rauch zog in den Himmel.
Natürlich hat Brüssel mehr als Politik zu bieten. Wir besichtigten das Atomium und Mini-Europa-Gelände mit seinen Baudenkmälern und Landschaftsszenen (als Anregung für die nächste Reise).
Was nicht bei einem Besuch in der belgischen Hauptstadt fehlen darf, ist der Besuch des eleganten Grand-Place. Wir flanierten danach in den drei Galerien mit den Luxus-Boutiquen und Cafés. Dort konnten wir nicht umhin, eine Waffel mit einer Tasse Schokolade zu kosten und ein paar der berühmten Pralinen zu kaufen. Ein passendes Mitbringsel für unsere Lieben zuhause.
Wo wohl die nächste Reise hingeht?