Entwurzelt. Heimatlos. Bindungslos.

von Maja Prée

Heutzutage denken wir sicherlich bei Entwurzelten an Emigranten, die aus ihren Heimatländern geflohen sind und eine neue Heimat suchen. Die Gründe können sehr unterschiedlich sein. Existenzielle Not, politische Unterdrückung, Flucht vor Gewalt, Krieg, aber auch der Wunsch nach einem neuen Job oder einem besseren Einkommen.

Entwurzelt können aber auch Menschen sein, bei denen familiäre Probleme, ein Umzug, manchmal eine Krankheit oder auch der Verlust von Freunden eine Rolle spielen. Selbst politische Umbrüche können zur Entwurzelung beitragen.

Die Generation unserer Eltern bzw. Großeltern hatte eine Entwurzelung zum Teil am eigenen Leib erlebt. Zum Ende des II. Weltkrieges waren viele auf der Flucht. Mussten mit nur wenigen Habseligkeiten an unbekannten Orten wieder Fuß fassen. Und dort waren sie oftmals die Neuen, misstrauisch beäugt und beobachtet. Oftmals war es schwer, in der Gemeinschaft Fuß zu fassen, akzeptiert zu werden.
Überwiegend politische Unverträglichkeiten führten Ende der 80ziger Jahre vermehrt zu Ost-West Fluchten. Auch hier mussten die Menschen neue Wurzeln bilden.

1989 und in den Folgejahren kam es für uns im Osten noch einmal zu vielen Brüchen in den persönlichen Lebensläufen. Viele Betriebe wurden stillgelegt. Ganze Belegschaften wurden entlassen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das in den Arbeitskollektiven existierte, ging verloren. Oftmals war das wie eine zweite Familie gewesen. Man hatte über Probleme geredet, sich gegenseitig geholfen. In der Familie, bei der Betreuung der Kinder oder wenn gebaut wurde.

Vor allem jüngere und ‚mittelalte‘ Menschen wanderten in die westlichen Bundesländer ab. Meist waren sie gut ausgebildete Facharbeiter und fanden dort schnell eine neue Arbeit und damit auch neue Wurzeln. Arbeitsteams mischten sich neu. Die Kollegialität war anders, als wir es vorher gekannt hatten. Viele mussten erst lernen, dass nun verstärkt auch die Ellenbogen eingesetzt wurden.

Ich hatte das Glück, trotz beruflicher Brüche immer wieder Arbeit in der Region zu finden. So blieben der Freundeskreis und das gewohnte Umfeld erhalten. Die Heimat ist letztendlich immer dort, wo man sich zu Hause fühlt. Die musste ich zum Glück nicht neu finden.

Wir müssen unsere Welt in jeder Hinsicht neu denken. Ein Zugang für alle Menschen zu Wasser und ausreichend Lebensmitteln. Hilfe zur Selbsthilfe, so dass alle ein menschenwürdiges Leben führen können. Dass die Menschen nicht gefährliche Wege übers Meer wählen, um in den vermeintlichen Genuss des Lebens in einem Wohlstandsstaat zu kommen. Jeder soll dort Fuß fassen können, wo er sich zu Hause fühlt.  Und wo seine Familie ist.