Was soll denn das * ?

von Carmen Stadelhofer

Senta Tröml-Plötz und Luise Pusch waren Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts feministische Sprachwissenschaftlerinnen, die in zahlreichen Vorträgen, Aufsätzen, Streitgesprächen auf die fehlende Symmetrie bei der Geschlechterbenennung in der deutschen Sprache hinwiesen Sie zeigten an zahlreichen Beispielen auf, dass in der deutschen Sprache Mann und das Männliche als soziale Norm benutzt wird.

„Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und 1 Sänger sind zusammen 100 Sänger […] Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männer-Schublade. Die Metapher bewirkt, dass in unseren Köpfen nur Manns-Bilder auftauchen, wenn von Arbeitern, Studenten, Ärzten, Dichtern oder Rentnern die Rede ist, auch wenn jene Ärzte oder Rentner in Wirklichkeit überwiegend Ärztinnen bzw. Rentnerinnen waren“ (Luise Pusch. Alle Menschen werden Schwestern. Frankfurt, M.: Suhrkamp. 1990. S. 85f).

Die feministischen Linguistinnen setzten eine eingehende Debatte in Gang, warum und wie eine geschlechtergerechte Sprache gehandhabt werden sollte. Denn Sprache, so zeigten auch in der Folge viele wissenschaftliche Studien, ist nicht nur Kommunikationsmittel, sondern über Sprache werden auch Bilder, Einstellungen und Emotionen vermittelt, die sich ab dem frühen Kindesalter einprägen und die Sicht von Welt, Geschlechter und (Macht-)Positionen beeinflussen.

Diese These belegten auch empirische Untersuchungen, in denen z.B. Grundschülerinnen und Grundschüler aufgefordert wurden, ein Bild zu dem Begriff „Lehrer“ zu malen, und wo die Kinder fast ausschließlich Männer malten, obwohl in den Grundschulen die Lehrpersonen in großer Mehrheit weiblich sind.

Mit dem generischen Gebrauch der maskulinen Form werden also häufig männliche Bilder assoziiert, Frauen und ihre Leistungen bleiben sprachlich „unsichtbar“. Maskuline Formen von Personenbezeichnungen beziehen sich auf Männer, aber manchmal auch auf beide Geschlechter, während feminine Formen ausschließlich auf Frauen bezogen sind. Dies wurde von den Feministinnen als „sexistisch“ im Sinne von „Frauen diskriminierend“ bezeichnet, und immer mehr Frauen schlossen sich der Forderung an, eine geschlechtergerechte Sprache in allen schriftlichen und mündlichen Äußerungen zu verwenden.

Damit begann in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion pro und contra einer Veränderung der Sprache im Schriftlichen und Mündlichen hin zu einer Sprache, die Männer und Frauen gleichberechtigt behandelt.  Die einen fanden/finden eine Differenzierung und Benennung der weiblichen Form als überflüssig, Frauen seien in der generischen Form immer mitgemeint und es würde den Sprachgebrauch unnötig komplizieren, die anderen forderten eine explizite Benennung der weiblichen Anteile in der Sprache , z.B. Lehrer und Lehrerinnen, auch in der Schriftsprache markiert  durch das große „I“, also  LehrerInnen oder durch „/-„ also,  Lehrer/-innen,  oder aber durch die Benennung in geschlechtsneutraler Form, die „Lehrenden“.

In der Folgezeit wurden zahlreiche Vorschläge für eine geschlechtergerechte Sprech-und Schreibweise und in Leitfäden und Richtlinien erarbeitet, z.T. auch in Gesetzestexten   festgehalten, die Schreibweise /- wurde in den Duden aufgenommen.

Seit einigen Jahren öffnet sich die Gesellschaft zusehends für nicht binäre Geschlechtervorstellungen. Mit der Diskussion um die Kategorie Geschlecht als soziale Konstruktion entstand die Debatte um eine gendersensible Sprache, die geschlechtliche Vielfalt zwischen den Polen von Weiblichkeit und Männlichkeit berücksichtigt. Nach der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtskategorie „divers“ im Jahr 2018 in Deutschland und 2019 in Österreich wurde das Gendersternchen * eingeführt, das in der gesprochenen und geschriebenen Sprache die Gleichstellung aller Geschlechter zum Ausdruck bringen will. Wieder entstanden hitzige Debatten, aber allmählich setzt sich die Schreibweise mit * immer mehr durch. Schwieriger wird es mit der geschlechtssensiblen Sprache bei der mündlichen Kommunikation – kleine Pause bei der Aussprache an der Stelle des *, Lehrer (kleine Pause) innen.

Dass die Genderfrage und die Gendersprache keine Modeerscheinungen sind, sondern uralt, zeigt die Ausstellung G*tt w/m/d – Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten,  die derzeit bis zum  19. Dezember 2021 im Bibelhaus Erlebnis Museum in Frankfurt zu sehen ist, mit einem umfassenden Begleitprogramm. Sie befasst sich mit der Frage: Welches Geschlecht hat Gott? Ist Gott weiblich, oder männlich, oder doch etwa ganz anders? Was sagt die Archäologie? Was sagt die Bibel? Die Sonderausstellung greift diese Fragen auf. Es geht um archäologische Erkenntnisse aus dem Heiligen Land, Gottesebenbildlichkeit und die Einheit in der Vielfalt.

https://www.museumsufer.de/de/ausstellungen-und-veranstaltungen/ausstellungen/g-tt-w-m-d-geschlechtervielfalt-seit-biblischen-zeiten/

https://www.gott-wmd.de/

Es bedarf zweifelsohne einiger Bemühungen und großer Aufmerksamkeit, um eine geschlechtersensible Sprache anzuwenden, aber es ist aus meiner Sicht absolut notwendig, wenn wir dazu hinwirken möchten, dass Vielfalt von Lebensformen in gleichberechtigter Weise in unserer Gesellschaft gelebt werden kann.

Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984