Frauen sind anders – Männer auch, eine kleine Geschichte

von Cornelia Kutter

Da sitzt Ulla nun am Küchentisch und fragt sich, ob sie sich mit einer früheren Bemerkung ein Eigentor geschossen hat, oder ob Männer wirklich so gefühllos sind, wie es ihr momentan erscheint.

Was ist geschehen?


Es ist Sonntag, das Wetter ist herrlich und eigentlich ein Tag zur Freude. Aber es ist Muttertag, und jede Mutter wünscht sich an dem Tag etwas Wertschätzung von ihrer Familie. Ulla jedoch hockt allein vor einem Sudoku, als es aus dem Hobbykeller schallt: „Schatz, wann gibt es Essen?“ Ihr Göttergatte Werner hatte sich bereits nach dem Frühstück dahin zurückgezogen, um an der Steuerung seines neuen Modellflugzeugs zu basteln. Weder von ihm noch von ihrem Sohn Sascha könnte sie wohl an diesem Tag eine nette Überraschung erwarten. Lediglich Laura, ihre Tochter, hatte schon vor zwei Stunden angerufen und ihr versichert, sie sei die beste Mama der Welt. Ohne Ullas Hilfe bei Problemen im Alltag und die Betreuung der Enkel wäre sie neben Beruf, Familie und Haushalt aufgeschmissen. Aber das war es dann auch schon mit Zuwendung.

Wie konnte es dazu kommen?


Vor zwei Jahren – es war auch Muttertag – war Ulla der Kragen geplatzt. Erst hatte Werner ihr gesagt, dass er die Nachbarn spontan zum Grillen eingeladen hat, und sie solle doch mal den Grill saubermachen und für Salate sorgen. Student Sascha war zwar angereist und hatte sogar Blumen mitgebracht. Allerdings hatte er auch einen Berg schmutziger Wäsche dabei und fragte gleich unverblümt, ob er die noch am Abend sauber wieder mitnehmen könne, denn er hätte sonst nicht genug zum Anziehen, bis er mal wieder nach Hause käme. Da musste Ulla sehr an sich halten, um nicht zu explodieren. Wenn alles, was sie für die Familie tut, nur einen Blumenstrauß am Muttertag wert ist, dann kann sie darauf auch gut verzichten. Und das hat sie folgenschwer auch genauso gesagt. Auf die Idee, ihr einmal etwas Arbeit abzunehmen, sie ein wenig zu verwöhnen oder sie zu einem Ausflug oder einem Restaurantbesuch einzuladen, auf die Idee kamen ihre Männer nicht.

Miteinander reden soll bekanntlich helfen: Ulla versuchte ganz sachlich darzulegen, dass sie sich freuen würde, wenn sie gern auch außerhalb eines Muttertages ein wenig Entgegenkommen und Unterstützung von ihrer Familie spüren würde. Darauf meinte Werner nur, bei all den technischen Geräten, die alles alleine machen, sei Ulla ja wohl nicht mit dem Haushalt überfordert. Johanna von Koczian lässt grüßen: „Das bisschen Haushalt macht sich von allein – sagt mein Mann”. Außerdem würde um ihn ja auch kein Brimborium gemacht. Ihr Einwand, dass er an Himmelfahrt – für ihn Vatertag – ja auch nichts tun müsse, ein kleines Geschenk bekäme und mit seinen Kumpels abfeiern würde, entlockt ihm nur den Hinweis, sie könne sich ja auch mit ihren Freundinnen treffen.

Kann es noch schlimmer kommen?

Ohnehin nervlich mittlerweile auf hundertachtzig, sieht Ulla plötzlich eine – in ihren Augen riesige – schwarze behaarte Spinne durch die offene Terrassentür auf sich zukommen. Der folgende markerschütternde spitze Schrei ruft Werner sofort aus dem Keller auf den Plan. Sie schreit weiter und zeigt nur auf die Spinne. Werner schnappt sich ganz cool ein Glas und geleitet grinsend damit das „Untier“ wieder aus dem Haus. „Warum machst du wegen dieser kleinen Spinne so ein Theater?“ „Du weißt, dass ich Angst vor Spinnen habe. Aber du musst ja deinen Triumph auch noch auskosten und mich wie eine dumme Göre aussehen lassen. Immer machst du mich lächerlich und behandelst mich herabwürdigend!“ „Okay, jetzt beruhigen wir uns erst einmal wieder, und wenn du nicht mehr hysterisch und unsachlich bist, reden wir darüber.“
  
Sind Männer und Frauen wirklich so verschieden?
Ist es Erziehung oder sind Männer genetisch auf Mann und Macho programmiert?

Ulla will es wissen und recherchiert im Internet. Zunächst stößt sie auf ein verstörendes Experiment, das der neuseeländische Psychologe John Money an einem genital verstümmelten Jungen vornahm, der als Mädchen aufwachsen musste. Der Junge litt unter dieser Geschlechtsumkehr und nahm sich später das Leben. Auf Samoa jedoch gibt es die Fa’afafine: Jungen, die als Mädchen aufwachsen müssen, weil in der Familie Mädchen gebraucht werden. Dieses „Geschlecht“ ist gesellschaftlich anerkannt, und Betroffene können mit ihrer zugewiesenen Rolle zumeist gut leben. In Afghanistan wachsen Mädchen sogar gern als Jungen auf, weil sie damit mehr Freiheiten und Zugang zu Bildung haben. Diese Bacha Posh sind offiziell nicht anerkannt, werden aber toleriert. Zu einem besseren Verständnis für ihre Männer helfen diese Informationen Ulla jedoch nicht. Aus eigener Erfahrung weiß sie nur, dass schwule Männer häufig sehr viel einfühlsamer und aufmerksamer sind.

Ist die Evolution schuld?

Laut dem Roman von John Gray: „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ sind die Unterschiede vorprogrammiert und können auf folgende Aussagen reduziert werden. Frauen denken unlogisch, möchten alles Erlebte mit dem anderen teilen und wollen vor allem in den Arm genommen werden. Sie möchten Harmonie und lassen sich von Gefühlen leiten. Fachmännische Ratschläge hingegen sind unerwünscht. Männer denken logisch und wollen ihr Befinden nicht ständig erklären müssen. Sie brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit zu befriedigen. Schließlich werden Aggression und Fluchtgedanken bei Männern seit Anbeginn der Menschheit per Testosteron gesteuert. Sie wollen alles für sich und die Familie alleine regeln. Kritik an ihrem Verhalten kann daher nur unsachlich sein. Vor allem wollen sie nicht dauernd zu Liebesbeweisen genötigt werden. Nur wer dies alles weiß und beherzigt, kann eine harmonische Beziehung zum anderen Geschlecht entwickeln. Ulla will aber kein Handbuch für den Umgang mit Männern, sie möchte ein liebevolles Miteinander mit gegenseitigem Respekt.
 
Wahrheit oder nur ausgedacht?

Nach der Lektüre denkt Ulla nur: Da hat der Autor von „Frauen sind anders – Männer auch, eine kleine Geschichte“ aber kein einziges Klischee bezüglich der nachgesagten geschlechtsspezifischen Unterschiede ausgelassen, und sie klappt das Buch mit den Kurzgeschichten zu.




Quellen und weiterführende Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/John_Money
https://www.dijg.de/paedophilie-kindesmissbrauch/john-money-gender-junge-penis-maedchen/
https://www.geo.de/geo-tv/10625-rtkl-samoa-queens
https://www.sueddeutsche.de/panorama/bacha-posh-in-afghanistan-ein-falscher-sohn-ist-besser-als-keiner-1.2389941
https://www.addendum.org/news/bacha-posh/


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   Bild Blumenstrauss: eigenes Foto C. Kutter
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