Wie man Freunde gewinnt

von Ute Lenke

In meiner Bibliothek habe ich einen alten Schmöker von 1956 entdeckt, der zu unserem Thema Freundschaft passt:
„Wie man Freunde gewinnt. Die Kunst beliebt und einflussreich zu werden“. Von Dale Carnegie. Der amerikanische Originaltitel lautet: How to win friends and influence people.
Erschienen ist dieses Buch bereits 1936, in der deutschen Übersetzung 1948, erfreut sich aber seither ungebrochener Beliebtheit und wird modernisiert immer noch aufgelegt, zuletzt 2011.

Dale Carnegie

Er war Sohn irischer Einwanderer, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, verdiente sich als Erdbeerpflücker, Lastwagenverkäufer Geld für ein Studium, versuchte vergeblich an Theatern, später dann als Dozent für Rhetorik an Universitäten unterzukommen und gab Weiterbildungskurse für Erwachsene.

In mangelndem Selbstbewusstsein, Unbeholfenheit in freier Rede, Schüchternheit erkannte er bei vielen Menschen die Ursache für deren Misserfolge im beruflichen Leben. Um das zu ändern, las und dozierte er aus zahlreichen „Ratgeber“-Werken, die ihn aber nicht überzeugten. Darum schrieb er selbst Bücher über die Kunst, in der Öffentlichkeit frei zu reden. Seine Bestseller „Wie man Freunde gewinnt“ und „Sorge dich nicht, lebe“ verkauften sich millionenfach und um seine Vorträge und Weiterbildungskurse zu besuchen kamen die Leute oft von weit her angereist. Nicht zuletzt sind seine Erfolge auch auf die Zeitumstände zurückzuführen: 1936 war in den USA die Zeit der Rezession, 1948 in Deutschland Nachkriegszeit mit hoher Arbeitslosigkeit – Erfolgsrezepte konnte man gut gebrauchen.

Das Geheimnis, wie „man Freunde gewinnt“

Das Buch ist in sechs Teile aufgeteilt. Der erste behandelt „Grundprinzipien für den Umgang mit Menschen“; der zweite „Sechs verschiedene Arten, sich beliebt zu machen“; der dritte „Zwölf verschiedene Arten, die Menschen zu überzeugen“; Teil vier nennt „Neun verschiedene Wege, wie man sich Menschen gefügig macht, ohne dass bei ihnen ein bitterer Nachgeschmack zurückbleibt“; Teil fünf zitiert „Briefe, die Wunder wirkten“ und sechs: „Sieben Regeln, um das Familienleben glücklich zu gestalten“.

Liest man diese Überschriften und die einzelnen Kapitelüberschriften, kommen Zweifel auf: wie soll man auf diese Art und Weise Freunde gewinnen? In der Tat hat das Buch, vor allem in Deutschland, neben der Begeisterung viel Kritik erfahren: Carnegies Kunden waren vor allem Geschäftsleute, die mit seinen Regeln geschäftliche Erfolge erringen wollten, was ja geschah. Das wurde von Kritikern als Manipulation und Zweckoptimismus abgetan. Natürlich kann man nach Carnegies Methode Geschäftspartner und andere Menschen manipulieren. Liest man das Buch genauer, und wie Carnegie fordert öfter, und handelt nach den Regeln, und zwar nicht nur geschäftlich, sondern auch im Privatleben, muss man zugeben, dass ein Erfolg nicht ausbleibt. Carnegies erste Forderung ist,  zunächst das eigene Verhalten zum anderen zu überprüfen und seine  Einstelllungen zum  Leben zu ändern: Wer freundlich und interessiert auf seine Mitmenschen zugeht, wird selten Ablehnung erfahren, und wer für eine Sache „brennt“, der kann „brennend“, mitreißend darüber reden.

Mehr soll hier nicht verraten werden. Allerdings sind viele der am Ende jedes der 6 Teile zusammengefassten Regeln ein „alter Hut“, der nur zu oft vergessen wird. Selbst in der Bibel steht schon die “Goldene Regel” (https://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Regel): Willst du nicht was man dir tu, dann füg es keinem anderen zu, oder positiv gewendet: behandle andere Menschen so, wie du selbst von ihnen behandelt werden möchtest.

Fazit

Ein Buch, das zu lesen zwar lohnt, zumal in der modernisierten Ausgabe manches geändert und gekürzt wurde, das aber nicht mehr so neu und bahnbrechend wie einst ist. Die einfache Sprache und die vielen Fallbeispiele sind deutschen Lesern ungewohnt und etwas oberflächlich. Sie haben aber durchaus Unterhaltungswert und vermeiden den moralinsauer erhobenen Zeigefinger mancher ähnlicher, mit psychologischen Weisheiten und Halbwissen gespickten, neueren  Lebenskunst- und „Werde reich und glücklich“-Ratgeber  ebenso wie den „Tschakka“-Optimismus von Motivationstrainern.

Die Zweifel bleiben, ob man mit Dale Carnegies Methode Freunde gewinnt. Vielleicht wird man ein freundlicher, sympathischer Mensch, falls man es nicht schon vorher war; womöglich erleichtert sie den Umgang mit Kunden im Besonderen und den Mitmenschen im Allgemeinen und in Ausnahmefällen mag daraus Freundschaft entstehen – zumindest berichtet Carnegie davon.