von Ute Lenke
Prolog
Buchhandlungen, vor allem die in fremden Städten ziehen mich magisch an. Ich mag den Geruch der Bücher, nehme sie gerne in die Hand, um darin zu blättern, schätze die Ruhe und gedämpfte Atmosphäre und bin immer auf der Suche nach Neuerscheinungen. Bei so einer Gelegenheit wurde ich einmal unfreiwillig Zeugin eines Bücherkaufs in einer großen und bekannten Buchhandlung einer Universitätsstadt: Mutter und Tochter, letztere wohl Studentin der Germanistik, wollten eine Goetheausgabe erstehen. Die Verkäuferin zeigte auf ein Regal, das meterweise Goethewerke enthielt, die Tochter widersprach etwas unsicher: ich brauche aber die Hamburger Ausgabe. Die Verkäuferin zeigte darauf und Mutter entschied: „Iih, nein, die ist aber so gar nicht repräsentativ, nimm doch lieber die aus Leder“.
Zum Lachen verschwand ich in die nächste Abteilung.
Früh übt sich…
Seit ich lesen kann, lese ich. Früher war ich nicht wählerisch: ich las alles was gedruckt war. Weil ich zu „klein“ für eigene Bücher war, nahm ich die Schulbücher meiner 10 Jahre älteren Schwester, später die Bücher im elterlichen Bücherschrank. Kinderbücher, die man mir schenkte, verschmähte ich, jedenfalls die meisten. Das Unverständnis der Erwachsenen: „Das verstehst du doch gar nicht“ stieß bei mir ebenso auf Unverständnis: Wieso verstehen? Ich konnte doch lesen, was da geschrieben stand. Als ich eigene Bücher hatte, wurden sie nummeriert und mit Namen versehen, manchmal verlieh ich sie auch, führte darüber Buch und forderte sie zurück. Nicht immer hatte ich damit Erfolg und wenn, dann waren sie oft in einem erbärmlichen Zustand. Also verlieh ich sie nicht mehr, stattdessen besorgte ich mir Nachschub in der Stadtbibliothek, denn die Schulbücher hatte ich vor dem Schuljahrsende schon „durch“. Und wählerisch war ich auch jetzt nicht, ich las alles, von Krimis, Comics, Arzt- und Liebesromane, über Klassiker bis Fachliteratur über Architektur und Geschichte. Leider schlug sich dieses geballte Wissen nicht in meinen schulischen Leistungen nieder, was ich las, war einfach nicht bildungsrelevant für die Schule.
Bücher sind Freunde
Aber ich hatte früh gelernt, dass Bücher etwas Kostbares waren, nur selten bekam ich welche geschenkt, und die wurden gut behandelt, und natürlich nie mehr verliehen. Manche dieser Bücher habe ich noch heute oder sie stehen im Bücherregal meiner Kinder.
Als ich dann studierte, habe ich von meinem kargen Unterhalt oft ein Buch, das ich unbedingt haben wollte, gekauft und dafür gehungert. Es gab genug Bücher, Taschenbücher oder ausgeliehene aus der Unibibliothek, die ich zum Arbeiten brauchte, aber manche wollte ich doch gerne noch einmal lesen und genießen (eine Hamburger Goethe-Ausgabe war übrigens nicht dabei, es reichte nur für Reclamhefte).
Diese Unterscheidung – Arbeitsbücher und Genießer- Bücher – mache ich bis heute, auch wenn mein Buchbestand im Laufe der Jahre angewachsen ist und ganze Zimmerwände verziert. Dazu kommen neuerdings auch die Bücher auf den digitalen Lesegeräten. Viele sind Sachbücher, die zur Information und zum Arbeiten dienen: diese Bücher sind gespickt mit Zetteln, Notizen, Anmerkungen. Einige wenige Romane begleiten mich dagegen schon Jahrzehnte: sie haben einen besonderen Platz, werden gut behandelt, werden „nur“ gelesen und das immer wieder. In ihnen entdecke ich jedes Mal etwas Neues, manche Stellen, die ich früher übersehen habe, lese ich jetzt im Alter mit „ganz anderen Augen“ und mit noch mehr Genuss. – Wie man auch bei Freunden manche Ecken und Kanten erst später zu schätzen lernt.
Alle meine Bücher sind meine Freunde, aber wie es im „richtigen Leben“ viele und ganz verschiedene Freunde und Bekannte gibt und nur wenige, echte und „gute Freunde“ , die bleiben und die einen viele Jahre begleiten, so ist es auch bei meinen Büchern.