Briefe schreiben für Coronaopfer?

– diese Überschrift in unserer Tageszeitung machte mich neugierig.

von Ute Lenke

Corona-Opfer sind wir doch alle mehr oder weniger. Nicht in dem Sinne, dass wir positiv getestet wurden, nur das nicht, und allen, denen das doch geschehen ist, wünschen wir gute Besserung. Aber Ärzte und Politiker mahnen immer wieder, dass eine Gruppe in der Bevölkerung besonders gefährdet sei: ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Um die zu schützen sind besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen: Besuchsverbote.

Im Frühjahr trafen die Einschränkungen die Wirtschaft hart: Geschäfte blieben geschlossen, Reisen wurden abgesagt. Aber die Bevölkerung stellte sich darauf ein, hamsterte Toilettenpapier und Mehl, räumte die Wohnung auf, wanderte im heimischen Wald, statt in Mallorca am Strand zu braten, Schulunterricht und Büroarbeit fanden zuhause statt. Auch damals bekamen viele Menschen den Zimmerkoller. Dann kamen der Sommer und die Aussicht, dass nun alles besser werden würde. Jetzt rollt die zweite Welle, aber Herbst und Winter mit den üblichen Erkältungen und Grippe lassen wenig Hoffnung, dass die Pandemie mit ihren Einschränkungen bald vorbei sein wird.

Diesmal bleibt Konsum erlaubt, die Wirtschaft soll schließlich nicht leiden, Schulen und Kitas bleiben offen. Aber Kunst, Kultur und Kontakte sind tabu, und diese Maßnahmen treffen besonders diejenigen, die in unserer Gesellschaft ohnehin schon das Nachsehen haben. Besuchsverbote im November sollen darum wenigstens Weihnachten mit Familie und Freunden möglich machen. Und danach? Neue Einschränkungen?

Besuchsverbote für ältere Menschen?

Was bedeuten sie für Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, was bedeuten Freundschaften? Gerade diese Gruppe ist auf Kontakte und Besuche mit körperlicher Nähe in erhöhtem Masse angewiesen: Freunde stärken das Immunsystem, geben Kraft und Lebensfreude in schwierigen Zeiten wie jetzt. Diese Wirkungen sind erforscht, denn die ersten “Lockdowns” wegen Corona im Frühjahr haben gezeigt, dass die Sterbezahlen in Altenheimen zunahmen, psychische Erkrankungen ebenfalls. Kinder und Jugendliche litten unter fehlenden Kontakten zu Freunden und Gleichaltrigen, man befürchtete Sozialisationsschäden. Darum sollen Schulen und Kitas nun geöffnet bleiben. Doch jeder Mensch, ob jung oder alt braucht Bekannte, Kollegen, Freunde, nicht nur die familiären Kontakte. Das Gespräch bei der Arbeit, die Unterhaltung mit Bekannten und Unbekannten, ein paar freundliche Worte an der Supermarktkasse: wie sehr uns das fehlt, merken wir erst, wenn es nicht mehr möglich ist. Telefon und Internet, Zoom oder Skype sind kein Ersatz für zwischenmenschliche Begegnungen, Gespräche und Umarmungen. In Pflegeeinrichtungen kommt dazu, dass oft kein Internet für die Bewohner zur Verfügung steht, das Pflegepersonal ohnehin schon kaum Zeit für Kontaktpflege hat und die Bewohner oft wenige oder gar keine Angehörigen und Freunde mehr haben.

Ein Zeitungsaufruf

Einer ehemaligen Altenpflegerin ließ es keine Ruhe, sie sann auf Abhilfe, wie man den von Corona Beschränkungen am härtesten Betroffenen , das sind vor allem Heimbewohner, vielleicht doch eine kleine Freude machen könnte: Sie rief in der Tageszeitung dazu auf, Briefe zu schreiben, kleine Geschichten, Erlebnisse, etwas „von früher“ oder aus der Stadtgeschichte. Diese Briefe sollten in einem Briefumschlag ohne Beschriftung bei ihr abgegeben werden; sie würde diese Briefe dann an Seniorenheime weiterleiten und dort sollten sie geeigneten Empfänger*innen übergeben werden.

Eine gute Idee, wie ich finde, kein Ersatz für Besuche, aber eine freundschaftliche Geste, vielleicht sogar zur Nachahmung empfohlen – nicht nur zur Weihnachtszeit.