(M)ein Rezept wider die Schrecken des Alterns

von Ute Lenke

„Machen Sie Qigong“

Das empfahl mir vor 20 Jahren ein Arzt nach einem Arm- und Beinbruch, den ich mir beim Gassigehen mit unserem Hund bei Glatteis zugezogen hatte. Das war leichter gesagt als getan. Ich fand keine passende Gelegenheit, Qigong zu lernen. Und es brauchte noch mehrere Verletzungen, bis ich die Konsequenzen zog und etwas tat gegen zunehmende (Alters-) Schwäche und Steifheit. Erst bei einem Auslandsaufenthalt bei Freunden, die wie selbstverständlich Qigong und Tai-Chi praktizierten, lernte ich etwas über den Hintergrund und erste praktische Übungen.

Wieder zuhause stellte ich fest, dass auch hierzulande inzwischen Kurse zu Qi Gong und Tai-Chi angeboten wurden, die ich beide sofort belegte. Das ist nun fast 15 Jahre her und ich – bekennender Sportmuffel – bin noch immer dabei. Zwar kann ich trotzdem nicht mehr „flott vor Autos davonrennen“, und „der Rost im Knie“ quält mich weiter, aber die nun mal unvermeidlichen Altersgebrechen fallen milder aus, von großen und kleinen Unfällen des Lebens erhole ich mich schneller und Spaß macht es außerdem. Und – ein bisschen Chinesisch lernt man dabei auch noch!

Qigong und Tai-chi  

VHS Marl, 8 Brokate ” Übung “Bogenschiessen” (Photo Y. Wang)

Qigong ist eine uralte, über 1000 Jahre alte Sportart und gleichzeitig Heilmethode aus China. Während unsere westliche Medizin ihre Hauptaufgabe darin sieht, Krankheiten zu heilen, geht fernöstliche davon aus, dass es wichtiger ist, Gesundheit zu erhalten und ein möglichst beschwerdefreies, langes Leben zu haben.

Eine wichtige Rolle dabei spielt das Qi, die Lebensenergie. Sie muss fließen. Der Fluss der Lebensenergie wird jedoch im Alltag behindert durch ungesunde Lebensweise, Krankheiten, Belastungen. Qigong bedeutet „Die Pflege des Qi“ durch Übungen, die Ruhe mit Bewegung, Entspannung mit körperlicher Aktivität kombinieren.  Es gibt viele Formen, solche, die Sehnen und Muskeln stärken, andere, die mehr der Entspannung dienen. Am bekanntesten sind wohl die „8 Brokate“.

Tai-Chi ist ein anderes Bewegungssystem aus dem alten China, das ursprünglich eine Kampfkunst zur Selbstverteidigung war, jetzt aber ebenfalls als Gesundheitsübung ausgeübt wird. Es enthält mehr Bewegungselemente als Qigong, ist kämpferischer. Es gibt Formen des Tai-Chi mit Schwert, mit Fächer, mit Stock u.a..

Qigong braucht im Gegensatz zu Tai-Chi weniger Platz zum Üben, keine Partner (als imaginäre Kampfgegner). Qigong eignet sich für Rehabilitation, nach Krankheiten, Unfällen, Verletzungen, kann im Liegen, Sitzen, Stehen ausgeübt werden, fördert die Feinmotorik, schärft Augen und Ohren, kräftigt Nerven- und Immunsystem.

Während die Übungsformen im Qigong den Schwerpunkt auf Entspannung, Gesundheit und langes Leben legen, geht es bei Tai-Chi mehr um Kraft, Ausdauer, Fitness und Bewegung; aber beide schulen Konzentration und Reaktionsvermögen, den Gleichgewichtssinn und Entspannung.

Wie mein Qigong-Lehrer, „Meister“ und selbst über 70 erklärt, gilt für beide Sportarten, dass sie altersunabhängig – er ist selbst über 70 Jahre alt und betreut Schülerinnen und Schüler von 10 bis 100 Jahren -, lebenslang und ohne Verletzungsrisiko, ohne Sportgeräte, jederzeit und überall, dafür aber mit großen gesundheitlichen Gewinnen ausgeübt werden können.

Läuferin (Zeichnung von Ute Lenke)

Mir hat Qigong  geholfen, nach mehreren Unfällen meine Beweglichkeit zurückzugewinnen. Während Reha-Übungen nach westlicher Medizin nur die verletzten Gliedmaßen trainieren, geht es bei Qigong um Übungen für den ganzen Menschen: hier wird von Fuß bis Kopf, physisch, kognitiv und mental geübt. Daher verlangen die Übungen in Qigong Konzentration und Achtsamkeit, allerdings auch Anleitung durch einen erfahrenen Lehrer, idealerweise einen „Meister“ mit chinesischer Ausbildung.  Beeindruckend fand ich die Bilder aus chinesischen Krankenhäusern, als dort während der Corona-Epidemie die Kranken trotz Bettlägerigkeit Qigong-Übungen machten; möglicherweise haben sie sich schneller erholt und weniger unter Long COVID gelitten – was zu beweisen wäre.

Wollen Sie mehr über Tai-Chi und Qigong erfahren? Schnupperkurse bieten viele Volkshochschulen an, Krankenkassen geben oft Zuschüsse zu den Kursgebühren, zahlreiche Videos bei YouTube zeigen, wie es geht.

Hier ein Video der Qigong-Übungsreihe 8 Brokate