Bilder vom Alter in Kinderbüchern…

von Ute Schäfer

…in Fülle – Überfülle! – Bilder wie diese: Ein Opa trägt die Krawatte auf dem Rücken, ein anderer hält den Platz unter dem Baum für die Toilette. Buchtitel tragen Mitteilungen wie „Den Verstand verloren“ oder „Oma isst Zement“.  

Welche Bilder werden Kindern in Bilderbüchern vom Alter gezeigt?  Wie lässt man Kinder Vorstellungen vom Alter erleben? 

Forschungsberichte über Altersbilder von Kindern in den USA

Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich die gerontologische Forschung mit den Vorstellungen, die Kinder vom Alter haben: In diesen Vorstellungen wurde ein möglicher Indikator für spätere Altersdiskriminierung gesehen –  Vorurteile, häufig schon in der frühen Kindheit entstanden, stabilisieren sich in der Adoleszenz.  Bereits im Alter von 3 Jahren – das waren die Jüngsten in den befragten Altersgruppen –  haben Kinder negative Stereotype über Ältere und Älterwerden verinnerlicht.  Nur ein Viertel der Kinder verschiedener Altersgruppen verbindet mit dem eigenen Älterwerden positive Empfindungen.

In den Berichten ging es um Begegnungen mit alten Menschen sowie um Effekte, die durch Kinderbücher erreicht werden können.

Bilderbücher, die Lust machen alt zu werden?

Mit diesen Forschungen im Kopf war mir die Idee gekommen, in Buchläden zu gehen mit dem Wunsch: „Ich möchte ein Bilderbuch, das Lust macht, alt zu werden.“ 
Die Antworten waren vielfältig: Angefangen von einem erschrockenen: „Huch!“ bis hin zu einer Vielzahl an Ideen.

Konventionelle Rollen übernehmen

In Fülle – Überfülle! – Bücher die Großeltern-Enkel-Beziehungen darstellen und das in freudiger Weise. Es sind Bücher, die mit ihren Ideen Lust machen – den Alten Lust machen! –  Rollen zu übernehmen, die in Konvention und Tradition erprobt sind. „Liebeserklärung“ – so heißt es in einer Beschreibung –  „an alle Omas“ oder „Hommage an die besonderen Momente, die Großväter mit ihren Enkeln teilen“.
In diesen Büchern sind die dargestellten Personen  ohne Merkmale einer eigenen Persönlichkeit. Sie handeln in üblichen Rollen. Dabei erscheinen die Omas oft als alt gewordene good girls mit einer seit Jahrzehnten eingeübten Fähigkeit, sich anzupassen: Sie sind immer verfügbar, können gut kochen, backen, aufpassen, für Folgen einstehen. Ein selbst gestaltetes Leben haben sie nicht.

Doch es gibt noch andere Bücher, mit anderen Themen und Bildern vom Altern.

 Alter(n) als eigenes Leben gestaltet –  bewusst mit Humor und Ironie

Franziska Kalch, Alte Damen, Zürich 2022
Franziska Kalch, Alte Herren, Zürich 2024

Bilder zeigen, wie mit Lust und allerlei erstaunlichen Fähigkeiten Alter(n) gemeistert wird: ein Blick – Einblick – auf das, was Alter(n) möglich macht, wie man es formen und erleben kann: voller Lebendigkeit –  Humor – und immer wieder mit einem Schuss Ironie in das bunte Potpourri der Formen.

Alter mit modernster Entwicklung gestalten  

Nikolaus Heidelbach, Alma und Oma im Museum, Weinheim 2019 

Eine Enkelin und ihre Oma gehen ins Museum. Dort springt die Oma unauffällig in ein Bild. (Wärter wurde kurz mal abgelenkt).  Auch im Kopfhörer ist sie. – Geht nicht?
Oma sagt: „Alles eine Frage der Technik“. – Und dann geht es los mit dem Anschauen:  Zur Sprache kommt, was das Kind sieht. Das steht im Mittelpunkt und wird zu amüsanten, kleinen Gesprächen. Immer weiß Oma etwas, klug setzt sie ihre Fähigkeit ein: Kurz und knapp geht sie ein auf das, was das Kind sieht. Ein Vergnügen, beiden zuzuhören, den eigenen Blick auf das zu richten, worüber sie sprechen.

Persönlichkeit zeigen

David Grossman, Opa, warum hast du Falten?  München 2023

Ein Gespräch zwischen Enkel und Großvater. Das Kind sieht – betrachtet – die Falten. Auf Opas Wangen zum Beispiel sind ganz viele. Sie bewegen sich die ganze Zeit, hüpfen.  Die tiefen Falten auf der Stirn sehen aus wie Wellen im Meer. Das Erleben des Kindes und das Leben des Großvaters begegnen sich im Sprechen über die Falten.  Der Blick wird geöffnet auf andere Gesichter. Das Kind sieht sich um: Wer hat Falten? Wer hat besonders geformte Falten?

Bea Taboada, Viv Campell, Die beste Oma der Welt, Hamburg 2023

Es sind gleich zwei Großmütter. Und grundverschieden sind sie.  Was sie alles können und machen. Erstaunliches erzählen sie von früher, zum Beispiel, dass Telefone an der Wand angeschraubt waren. Und immer geschieht es: dem Kind wird etwas beigebracht bei dem, was es bei ihnen erlebt und erfährt: Backen, wilden Spargel im Gestrüpp finden, Haare auf Lockenwickler drehen (auch Opa macht mit), später Auto fahren, das ist versprochen.  – Und beide, die eine heißt Oma, die andere Omi, sind die Allerbesten. „Ich glaube“ – so das Kind – „ich werde später ein bisschen wie Oma und ein bisschen wie Omi.“

Wissen im Alter – zu Erleben und Staunen führen

Monika Vaicenavičienė, Was ist ein Fluss?  München 2022

„Wir sind am Fluss, Oma und ich“, so beginnt das Erzählen und nimmt den Leser  gleich mit auf die Wiese am Fluss zu der Frage: „Oma, was ist ein Fluss?“
Das Buch wurde als Sachbuch nominiert für den Jugendliteraturpreis 2023 – für Kinder ab 6 Jahren. In der Begründung der Jury heißt es:
 „… hier strömt das in vielen Lebensjahren angesammelte Flusswissen der Großmutter als Binnengeschichte durch das Buch, dabei fließen Texte und Bilder ebenso ineinander wie naturwissenschaftlich-historische Fakten mit mythisch-märchenhaft-metaphorischen Elementen. Ein Fluss ist ein Spiegel, ein Weg, ein Duft, eine Tiefe und Energie, Erinnerung und Ozean. Jede Doppelseite widmet sich einem komplexen Thema, poetisch verdichtet und mit sachlich knapp gehaltenen, sorgsam ausgewählten Fakten (aus aller Welt).“

Anregungen zu diesem Artikel gaben:

-Frank Berner u.a., Individuelle und kulturelle Altersbilder;  Expertisen zum sechsten Altenbericht der Bundesregierung, Band 1 – VS Verlag 2012
-Die Mitteilung, dass Altersbilder von Kindern bei uns Forschungslücke sind.