Altersbilder

von Beate Seelinger

Das Alter ist ein dummes Ding
für den, der nicht recht früh anfing,
diesen Status zu bedenken:
Verfall soll man Beachtung schenken.

Es ächzt das Bein, es quietscht das Knie,
die linke Schulter leiert.
Der Körper, dieses dumme Vieh
will nicht mehr, dass man feiert.

Man grübelt, wie man`s damit hält
und wie man Alter trägt.
Man sieht sich um in Stadt und Welt
und merkt sich, was da prägt.

Wie war das da im Altertum,
als Sokrates sinnierte?
Alter erstrebte weisen Ruhm,
verlachte den, der irrte.

Alte Männer liebten junge
und hatten manches Privileg.
Wer nicht alt war, war der Dumme –
der Alte hat vollbracht den Weg.

Wer diesem Anspruch nicht genügt,
wird einfach überseh`n.
Wird bekrittelt und gerügt,
muss ohne Ehre geh`n.

Im Mittelalter hält man`s dann
anders mit dem Vergreisen:
Man wird erst gar nicht alt
– stirbt früh –
um ewig zu verreisen.

Und dieses finstr`e Jammertal
auf immer zu verlassen,
dass Armut, Dreck und andr`e Qual
endgültig dann verblassen.

In Zeiten, da das Bürgertum
recht bequem sich fand,
erfreute auch das Alter nun
die Leut` in Stadt und Land.

Im Lehnstuhl mit der Zipfelmütz`
schmauchte man sein Pfeifchen.
Fühlt sich beschützt vom alten Fritz
und höchstens drückt das Leibchen.

Blickt stolz herab aufs Enkelkind –
nur Mädel darf`s nicht sein!
Hat sich erworben Haus und Rind –
das Alter, das ist fein.

Da hat zur Ruhe sich gelegt
der Geist schon viel zu frühe.
Es hat sich gar nichts mehr bewegt:
Bequemlichkeit statt Mühe.

Wohlig übersieht man da,
was Obrigkeiten machen.
Und ehe man es sich versah,
tun die ganz dumme Sachen.

In dunkelbraunen Zeiten dann
war Alter nicht genehm.
Zum Kämpfen brauchte man den Mann,
wer alt war, konnte geh`n.

Er kostet Geld das Volk und Land
und ist zu nichts mehr gut.
Als Restbestand nur anerkannt
gehört zum Altern Mut.

Ganz anders ist`s in unsrer Zeit:
Altern ist vorbei!
Ewig jung, im Geiste weit –
das ist`s, was Alter sei.

Das Credo lautet: sei aktiv!
Sei gesund und fit!
Treibe Sport und flieh` den Mief,
Bewegung sei der Kitt.

Wer das nicht kann, ist selber schuld,
der hinkt halt hinterher.
Wir frönen froh dem Jugendkult
und zwickt`s auch noch so sehr.

Oft bleibt die Weisheit auf der Strecke,
weil einfach nicht gefragt.
Und was man noch zu sagen hätte,
Haben And`re schon gesagt.

Die Alten woll`n die Jungen nicht,
die Jungen nicht die Alten.
Der Staat, der hat die Bürgerpflicht,
die Greise zu verwalten.

So richtig freuen darf man sich
scheinbar zu keiner Zeit
auf Alter, Ruhe, Tatterich –
Zufriedenheit scheint weit.

Nur EIN Rezept, das gibt es nicht
für frohe Alterszeit.
Nichts brachte uns so richtig Licht
in`s Feld, welches so weit.

Das Alter ist ein dummes Ding,
es kommt von ganz allein.
Der Mensch, der wird zum Kümmerling,
kann selten glücklich sein.

Bis ganz zum Schluss –
es kommt Verdruss,
so sehr man sich auch wehrt.
Wenn der Gevatter ruft –
wer bleibt
da gänzlich unbeschwert?

Vielleicht ist es ja so gedacht,
vielleicht ist so der Mensch gemacht,
dass Alter bringt Verdruss.
In jungen Jahr`n so oft verlacht
– man glaubt, dass man es besser macht –
war`s nie ein Hochgenuss.

Vielleicht SOLL uns das Alter dann
gar nicht so wohlig sein.
Damit man leichter gehen kann,
denn Ende muss halt sein.