Man hat ja noch nicht genug Probleme

von Peter Schallock

Manchmal sind sie einfach nur eine Last: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und andere (angebliche) Hilfen können uns schon mal (fast) in den Wahnsinn treiben. Aber darauf verzichten? Wollen wir längst nicht mehr.

Können Sie sich heute noch ein Leben ohne Internet vorstellen? Glauben Sie, man könnte ohne den ganzen digitalen Kram überhaupt noch einigermaßen zurechtkommen? Möglicherweise gehören Sie ja, so wie ich, der älteren Generation an, dann werden Sie diese Frage vielleicht noch bejahen. Erst recht wahrscheinlich, wenn Sie irgendwo in einer Idylle wohnen. Da also, wo eine ordentliche Internetverbindung Seltenheitswert hat und Sie ein seltenes, schwaches Internetsignal mit Freudensprüngen begrüßen, weil sie es nicht als selbstverständlich erwarten. Also beispielsweise auf den kahlen Höhen der windumtosten Eifel oder in den dunklen, feuchten Wäldern des Bayerischen Waldes.

„Ich kann Sie nicht verstehen!

Der digital verwöhnte Städter sieht das sicher anders. Wenn dann wieder mal das Internet zusammenbricht, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur nächsten Panikattacke. Mein letzter Zusammenbruch ist ein knappes halbes Jahr her. Später erfuhr ich den Grund für das Desaster: Bei Bauarbeiten hatte jemand versehentlich ein Kabel beschädigt. Festnetztelefon und TV, die in meinem Haushalt ebenfalls über das Internet verbunden sind, fielen der Panne genauso zum Opfer. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf meinem Mobiltelefon eine bestimmte Nummer zu wählen, was meine Telefonrechnung, wie ich später feststellte, ordentlich in die Höhe trieb. Aber das sei nur nebenbei erwähnt.

Das folgende Martyrium dürfte Ihnen vielleicht bekannt sein. Eine weibliche Stimme, die offensichtlich nicht menschlicher Art war, fragte mich am anderen Ende der Leitung nach dem Grund meines Anrufes. Obwohl ich mich bemühte, laut und deutlich zu sprechen, konnte sie mich nicht verstehen. Vielleicht, weil ich statt des wohl passenden Begriffes „Störung“ das Wort „Panne“ benutzte. Nachdem die Stimme mir versicherte, dass sie auch meine mittlerweile mehrfach ausgestoßenen Flüche nicht verstehen könnte, wurde ich weitergeleitet. Eine andere Stimme forderte mich auf, irgendeine Identifikationsnummer zu nennen, die ich natürlich nicht zur Hand hatte. Mein darauf einsetzendes Stöhnen beantwortete sie gewohnt routiniert mit dem mittlerweile bestens bekannten „ich kann Sie nicht verstehen!“.

Das perfekte Büro

Intelligente Systeme, denen völlig egal ist, was Sie möchten, die aber genau wissen, was gut für Sie ist, gibt es schon länger. Bereits vor einigen Jahren bezog ich mit einem Kollegen ein “intelligentes Büro. „Intelligent“ bedeutete, automatisiert möglichst optimale Raumbedingungen zu schaffen. War es zu kalt, sprang die Heizung an, im umgekehrten Fall die Lüftung. Bei Bedingungen, die mir auch knapp zwanzig Jahre später noch ein Rätsel sind, öffnete sich das einzige Fenster einen winzigen Spalt. War die Sonneneinstrahlung vermeintlich zu stark, bewegten sich die Jalousien ungefragt nach unten und irgendwann, meist jedenfalls, auch wieder nach oben. Allerdings funktionierte das ganze System nur bei geschlossener Tür. Das klappte in einer Abteilung, in der gewohnheitsmäßig die Türen offen standen, schon mal gar nicht. Und natürlich war jeder ständig am Meckern, weil es zu warm oder zu kalt, zu sonnig oder zu dunkel war.

Künstliche Intelligenz? „Geh fort!

Würde der Saarländer sagen. Sie glauben, Sie haben mit solchem Kram nichts zu tun? Von wegen! Wer Google nutzt, der nutzt auch KI. Suchen Sie nach einem bestimmten Produkt und kaufen Sie es online, können Sie sicher sein, fortan mit entsprechender Werbung bombardiert zu werden. Und warum der Algorithmus, der hinter der KI steht, bestimmte Seiten bei Suchergebnissen an erste Stelle setzt, andere dagegen weit hinten verschwinden lässt, hat ebenfalls seinen Grund. Solche Ergebnisse lohnen sich eben für den Betreiber der Suchmaschine!

Dagegen finde ich Programme wie Chat GPT phänomenal! Ehrlich gesagt überlege ich gerade, diesen Text dort nachher etwas „aufpolieren“ zu lassen. Andererseits: Vielleicht entmutigt mich das Ergebnis völlig, wenn der mustergültige Text dort gar nichts mehr mit diesem hier gemein hat? Und ich will ja selbst gestalten und schreiben, was zwar mühsam, aber auch reizvoll ist. Andererseits ist gegen ein wenig Kosmetik nichts einzuwenden, kennt man ja. Aber ein nahezu perfektes, aber eben automatisiert erzeugtes Produkt abliefern?  Auch die KI macht eine Entscheidung eben nicht immer leichter. Erst recht nicht, wenn man zugeben muss, dass sie in manchem Bereich dem Menschen dann vielleicht doch überlegen ist.

Noch eine „App“ gefällig?

Künstliche Intelligenz ist natürlich weit mehr als Digitalisierung. Wobei mir letztere manchmal schon zu weit geht. Ständige Aufforderungen, doch noch diese und jene „App“ auf mein Mobiltelefon herunterzuladen, nerven mittlerweile gewaltig. Was, wenn mein so wichtig gewordenes „Handy“ irgendwann seinen Geist aufgibt, gestohlen wird oder verloren geht? Wahrscheinlich wäre ich im Alltag kaum noch funktionsfähig.

KI geht noch ein Stück weiter. Experten streiten über Vor- und Nachteile. Immerhin gibt es Warnungen vor Missbrauch oder der möglichen Verselbständigung der Technologie. Das ist dann wohl wie bei Frankenstein: Das vom Menschen geschaffene Monster KI wendet sich gegen seinen Schöpfer. Ein Monster, das jedoch dieses Mal mit sehr viel Logik ausgestattet ist. Man sollte also gewarnt sein. Hat man nicht voller Begeisterung vom Internet geschwärmt? Dem Ort, an dem sich heute schon Minderjährige mit Pornografie eindecken, wo Hetze, Extremismus und „Fake News“ wuchern?

Ist doch der „Intelligenz“ egal

Technologie mag noch so ausgefeilt sein: Menschliches Versagen oder missbräuchlicher Gebrauch sind nun mal nicht auszuschließen. Der Technologie, auch der intelligentesten, ist das vermutlich völlig egal. Mit Moral hat KI nichts am Hut.

Eine abschließende Frage, liebe Leserinnen und Leser. Was glauben Sie: Hat Chat GPT bei diesem Text mitgeschrieben?