KI – Zukunft der unbegrenzten Möglichkeiten?

von Cornelia Kutter

BEATLES (CC-Lizenz 4.0/ BY)

Kann das wahr sein? Ich höre im Radio die Stimme von John Lennon in diesem brandneuen Beatles-Song „Now and Then“ und bekomme eine Gänsehaut.

Phönix aus der Asche.
Ein neuer Song, obwohl der Sänger vor über vierzig Jahren starb? Es gab eine alte Bandaufnahme mit dem Gesang von John Lennon in sehr schlechter Qualität. Diverse Versuche, die Stimme von Störgeräuschen zu trennen, waren bisher erfolglos. Jetzt ist das gelungen. Ein Computerprogramm mit künstlicher Intelligenz wurde mit vielen seiner gesungenen Lieder gefüttert. Danach war die KI in der Lage, die Stimme in der Aufnahme eindeutig zu erkennen und alle störenden Geräusche herauszufiltern. Dazu gab es auch noch eine Aufzeichnung der passenden Gitarren-Begleitung von dem ebenfalls verstorbenen George Harrison. Aktuelle Studio-Einspielungen von Paul McCartney und Ringo Starr kamen hinzu. Danach wurden alle Tonspuren zusammengemischt und ein neuer Song der legendären Beatles war entstanden.
Das hat mich sehr berührt. Schön, dass so etwas mit Hilfe von KI möglich ist.

Fluch oder Segen?
Leider werden besonders in sozialen Medien oft Horrorgeschichten über die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz verbreitet, wonach KI-gesteuerte Roboter nach und nach die Herrschaft übernehmen werden. Dabei ist die Nutzung von KI überhaupt nicht neu, und die vielen Einsatzbereiche dienen bisher nur dem Zweck, Menschen die Arbeit zu erleichtern, bis hin zu lebensrettenden Maßnahmen im medizinischen Umfeld.
Man denke an das kleine Mädchen, das, sobald es einschläft, aufhört zu atmen. Die KI kann diesen Zustand erkennen, den Atemreflex steuern und ggf. Sauerstoff zuführen. Ohne solche Möglichkeit wäre das Mädchen nicht mehr am Leben.
Die Überwachung von Vitalfunktionen und die folgerichtige Reaktion bei Störungen gibt es in viel verbreiteter Weise. Mittlerweile können schon Armbanduhren neben Puls und Blutdruck auch Taumeln und Stürzen messen und erkennen.

Das möchte doch jeder nutzen.
Ein weiterer Aspekt der medizinischen Möglichkeiten ist zweifellos die Früherkennung von Erkrankungen. Besonders in der Bewertung von bildgebenden Verfahren werden hier große Fortschritte gemacht. Ob es um die Beurteilung von Hautkrebs oder die Begutachtung einer Mammografie-Aufnahme geht, die KI erkennt auch kleinste Unregelmäßigkeiten, die ein Arzt leicht übersieht.
Selbst bei chirurgischen Eingriffen, bei denen Millimeterarbeit erforderlich ist, kann der KI-gesteuerte Roboter präziser arbeiten, als ein Mensch. Und so können Risiken deutlich minimiert werden. Davon können wir alle profitieren.

Apropos Erkennen.
Wer kennt sie nicht, die Apps, die Bilder erkennen und dazu die richtigen Pflanzen, Tiere oder Personen identifizieren. Und Vögel werden anhand ihrer Stimmen eindeutig erkannt.
Geheimdienste diverser Staaten benutzen eine KI-basierte Software, um Personen, die einmal mit einer Kamera erfasst wurden, irgendwo anders – auch in Menschenmengen und mit verändertem Aussehen – wiederzuerkennen.
Vehement wird ja auch am autonomen Autofahren gearbeitet. Allerdings ist das, was alles gleichzeitig auf der Straße passieren kann, extrem komplex und die Datenbasis der Fahrzeuge ist derzeit nicht ausreichend dafür. Es wird also noch Jahre dauern, bis ein Fahrzeug ohne Fahrer wirklich alles richtig erfasst, was ein Fahrer wahrnehmen kann, um darauf entsprechend zu reagieren. 

Keine Angst vor Robotern.
Vor vielen Jahren hatte ich beruflich die Gelegenheit, ein großes Warenlager in Fürth zu besuchen. Kein Mensch wusste, wo sich etwas befindet oder wo etwas Neues eingelagert wird. In völliger Dunkelheit erledigen Roboter-Fahrzeuge diese Aufgaben. Die KI erkennt, wo ein Objekt anhand seiner Abmessungen optimal gelagert werden kann. So wird jeder Zentimeter genutzt. Selbstredend findet die Software auch all das Eingelagerte bei Bedarf wieder. Der Roboter bekommt dann die Information, wo er das Teil abholen muss.
Ähnliches habe ich auch in der Fahrzeug-Montage eines großen Automobilherstellers beobachten können. Roboter erkennen, um welches Modell es sich handelt, holen die für die Bauphase benötigten Teile und verschrauben oder verschweißen diese.
Für mich war das Faszination pur.

Monotonie ist vermeidbar.
Dass Roboter eintönige Handgriffe von Bandarbeitern zuverlässiger erledigen als Menschen, ist bekannt. Irgendwann schwindet nämlich die Konzentrationsfähigkeit.
Kürzlich habe ich jedoch einen ganz anderen Einsatz von KI in diesem Bereich gesehen. Da soll eine große Konditorei ziemlich viele Torten gleicher Art und gleichen Aussehens herstellen. Per Hand ist das eine sehr undankbare Aufgabe. Einerseits erfordert speziell die Dekoration der Kuchen große Aufmerksamkeit, andererseits kann das schnell zu einer nervtötenden Angelegenheit werden. So wurde dafür ein 3D-Drucker entwickelt, der einmalig eine von Hand gemachte Torte als Vorbild nimmt und die Dekoration der vielen anderen Torten dann in großem Stil mit Marzipan und anderen Zutaten exakt nachbildet.

Kleine Helferlein.
Meine eigene Monotonie des ständig wiederkehrenden Saubermachens habe ich mit einem Saugroboter bekämpft. Ich musste nur ein paar Kabel an der Wand befestigen und ein paar kleine Gegenstände vom Boden entfernen, schon macht das Gerät die ganze Arbeit; und zwar ordentlich. Mein Nachbar lässt auch seinen Rasen von einem Roboter mähen. Er besitzt ein hochwertiges Gerät, das auch winzige Hindernisse, wie z.B. kleine Tiere erkennt und nicht überfährt. Wie gut die integrierte KI funktioniert, hängt von der Menge der Vergleichsdaten und damit leider auch vom Preis ab.
In Disneyworld habe ich einen kleinen Roboter gesehen, der – wenn einmal etwas zu Boden fällt und kaputt geht – sofort aus dem Schrank kommt, die Scherben beseitigt und alles wieder sauber macht. Wer würde sich so etwas nicht wünschen?


Utopie oder Wirklichkeit?
In einer Zeit, in der die Erdbevölkerung rasant zunimmt, wächst auch die Frage, wie eine weltweite Ernährung gesichert werden kann. Neben der Suche nach neuen Lebensmitteln und deren Verarbeitung beschäftigt Forscher die Frage, wie sich die Vernichtung vorhandener Lebensmittel verhindern lässt. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Das Fraunhofer-Institut forscht im Projekt REIF mithilfe von KI, wie sich die Verluste vermeiden lassen. Mit datenbasierten Algorithmen will man die Herstellungsprozesse  verbessern sowie die Produktions- und Absatzplanung optimieren.
Auch unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit bleibt zu hoffen, dass das Projekt bald Erfolge zeigt.

Abstraktes (Bild von pvproductions auf Freepik)

Hilfe, Schüler nutzen KI.
Ein Aufschrei geht gerade durch das Land. Lehrer befürchten, dass Schüler nun nichts mehr eigenständig erarbeiten, sondern ChatGPT oder ähnliche Programme die Aufgaben für sich erledigen lassen. Sprüche, wie: „Da kann ich keine Hausarbeit mehr bewerten oder wie soll ich erkennen, ob das nicht von KI erzeugt wurde?“ sind keine Seltenheit. Nun gibt es durchaus Pädagogen, die sich den Einsatz von KI sogar wünschen. Ein mir bekannter Kunstlehrer lässt seine zehnte Klasse am Gymnasium Bilder zu verschiedenen Themen erstellen. Die Klasse bespricht die Werke anschließend. Dabei wird von allen Beteiligten auf die Kreativität, die eingebrachten Daten und die KI-gesteuerte Umsetzung geachtet, mit der das jeweilige Kunstwerk geschaffen wurde. Eine derartige Beurteilung lässt sich zweifellos auch auf andere Fächer übertragen. Die Schüler tragen aber immer die Verantwortung für die Richtigkeit ihrer Arbeit.

Zeit für einen Selbstversuch.
ChatGPT soll mir einen Song über eine Rocklady Gina nach Art der Rolling Stones schreiben.
Hier ein Auszug vom Ergebnis (Strophe 3):
In Leder gehüllt, auf der Bühne steht sie,
Die Gitarre weint, die Menge schreit.
Ihre Stimme rauchig, voller Macht,
In der Hitze der Nacht, wird die Liebe entfacht.
(Refrain)
Oh Gina, die Rocklady, im Mondschein,
Ihre Seele ist wie ein Feuerstein.
Mit einem Blick, der die Zeit befreit,
In ihrer Welt aus Rock’n’Roll und Ewigkeit.
(Outro)
Die Nacht verblasst, doch Gina bleibt,
Eine Rocklady, die niemals schweigt.
In den Herzen klingt ihr Lied,
Für immer jung, in der Zeit besiegt.

Wo Licht ist, ist auch Schatten.
So wie bei allem Bisherigen gibt es natürlich auch beim Einsatz von KI Schattenseiten. Die Fälschung von Banknoten und Ausweispapieren wird immer schwerer zu erkennen sein. Von Mobbingopfern können täuschend echt aussehende kompromittierende Fotos erzeugt und ins Netz gestellt werden. Und wie jeder weiß: das Netz vergisst nichts. Eine nachhaltige Löschung solcher Bilder ist kaum möglich, weil sie immer wieder neu hochgeladen werden können. Hier ist dringend der Gesetzgeber gefragt, dass solche Täter künftig härter zu bestrafen sind und die Fotos nach Löschung über eine Art Sperrliste von niemandem mehr ins Netz gestellt werden können. Denn auch das wäre mit KI möglich.

Die Zukunft hat bereits begonnen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich KI im positiven Sinne weiterentwickelt. Unsere gewählten Volksvertreter können derweil zeigen, ob sie dem in sie gesetztes Vertrauen gerecht werden und zeitnah umsetzbare Voraussetzungen für das Verhindern und die Ahndung des Missbrauchs von KI schaffen.

Quellen und weiterführende Links:

https://www.swr.de/swr1/rp/programm/neuer-beatles-song-now-and-then-mit-hilfe-von-ki-100.html
https://www.computerweekly.com/de/tipp/9-Anwendungen-von-kuenstlicher-Intelligenz-in-der-Industrie
https://www.pwc.de/de/gesundheitswesen-und-pharma/wie-kuenstliche-intelligenz-das-gesundheitssystem-revolutioniert.html
https://www.igcv.fraunhofer.de/de/forschung/kompetenzen/kuenstliche_intelligenz.html
https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/kuenstliche-intelligenz/kuenstliche-intelligenz-diese-15-ki-tools-sollten-sie-kennen/
https://heydata.eu/magazin/was-ist-google-bard-chat-gp-ts-neuer-rivale-in-der-konversationellen-ai-1?utm_source=google&utm_medium=cpc&utm_campaign=Retargeting&gclid=EAIaIQobChMIluPzn-ynggMVEp9oCR0WGg1YEAAYAiAAEgKFlvD_BwE


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