Wunscherfüllung

von Beate Seelinger

Vor einigen Monaten stieß ich in einer von mir gerne gelesenen Zeitschrift auf die Abbildung einer Buddha-Statue, wie ich sie so noch nicht gesehen hatte. „Ist der schön!“, entfuhr es mir spontan. Ganz hingerissen betrachtete ich das Foto eine Weile und wie so oft dachte ich bei mir, dass ich diese Skulptur nur zu gerne besessen hätte.

Immer wieder nämlich ziehen mich Buddha-Bildnisse in ihren Bann. Diese Sympathie stammt aus meiner Zeit in Köln, wo es am Aachener Weiher das Ostasiatische Museum gibt, in dem ich zur oft gesehenen Besucherin wurde. Einen Nachmittag an diesem Ort konnte man nicht nur als Museumsbesuch verbuchen, jeden Aufenthalt ebenda empfand ich als Verweilen in einer überaus friedlichen Welt von herausragender Schönheit und Harmonie. Es herrscht dort am Weiher – auch in der angeschlossenen Cafeteria, die wunderbare Teespezialitäten und unter anderem ostasiatische Köstlichkeiten anbietet – eine wahrhaft himmlische Ruhe. Und eine Einkehr im Café mit seinen Panoramascheiben, die einen weiten Blick auf den ruhenden Weiher samt seiner gelassenen Enten- und Schwäne-Schar eröffnen, lässt immer wieder meditatives Entspannen im Geist zusammen mit rein physischem Wohlbefinden widerfahren. Seither hatte ich eine Schwäche für Buddha-Skulpturen und wünschte mir insgeheim immer wieder eine solche für meine Meditationsecke.

Buddha-Figur

Nicht gemeint sind die Figürchen, die heutzutage in allen möglichen und unmöglichen Deko-Läden angeboten werden. Ich schaue bei diesen Statuen und Statuetten immer zuerst auf das Gesicht. Auf den Ausdruck kommt es an und der entscheidet, ob die entsprechende künstlerische Darstellung die Buddha-Natur in etwa eingefangen hat. Es gibt da grauenvolle Bildnisse, aber auch wunderschöne, die sofort die Seele berühren. In Heidelberg, in dessen Nähe ich jetzt wohne, habe ich ein kleines Blumenlädchen aufgetan, das ich heimlich den „Buddha-Laden“ nenne. Dort werden zwischen einer Vielzahl von Raritäten und wunderbaren exotischen Pflanzen, die in außergewöhnlichen Töpfen daherkommen, sehr, sehr ansprechende Abbildungen des erhabenen Lehrers angeboten. Oft gehe ich einfach hin, um zu schauen und immer denke ich mir: „Ich wünsche mir einen Buddha!“

Allerdings war das mit der Anschaffung bisher gar nicht so einfach. Erstens handelt es sich bei einem schönen Exemplar meist um eine größere Investition und zweitens empfinde ich mich als christlich geprägt. So stellte sich mir bisher neben der pekuniären Frage immer wieder die, ob ich einen Buddha überhaupt haben darf. Das mit den fremden Göttern ist eines der ersten Gebote in christlichen Dekalog und von daher hielt mich mein Gewissen bisher immer wieder von einer solchen Akquisition ab. Dies allerdings führte dazu, dass ich mir über den Erhabenen und seine Rolle im göttlichen Himmel sowie vorzugsweise für mich selbst sehr viele Gedanken machte. Ein bisschen etwas weiß ich von seiner Lehre und auch sie geht nicht ganz spurlos an mir vorüber. Darf das sein?

Bisher war die Antwort auf diese Frage: “Nein!“ So ließ ich auch den schönen Buddha aus der Zeitschrift dort, wo er war, und legte Journal und Wunsch beiseite. Bis zur ersten Februarwoche diesen Jahres. Da aber geschah das höchst Erstaunliche.

Ich wohne in einem kleinen Ort und hier gibt es, glaube ich, fünf Geschäfte. Zwei davon sind Lebensmittelgeschäfte, eines ein winziges (aber immer wieder überraschendes) Kaufhaus, dann gibt es einen Blumenladen und ein Küchenstudio. Ach so, die Apotheke habe ich vergessen. Als ich letzte Woche also durch die Hauptstraße schlenderte und meinen Blick über die überschaubare Deko-Auswahl im Schaufenster des Küchenstudios wandern ließ (man verkauft dort ein wenig Wohnungsdekoration, überwiegend als Geschenkartikel gedacht), entfuhr mir ein leiser Ausruf der Überraschung. Dort saß – mein Buddha aus der von mir favorisierten Zeitschrift  (die gar nicht so gängig ist, zumindest nicht hier auf dem Land) mit seiner auch als segnend zu verstehenden Handhaltung und seinem so ansprechenden Gewand! Ich glaubte, meinen Augen nicht trauen zu dürfen. Wie kam eine Variante dieser Statue ausgerechnet hierher in unseren kleinen Ort? Ich ging näher, um mich zu vergewissern, dass es sich nicht um eine Täuschung handelte. Irgendeinen Haken musste es da doch geben! Ich stand einer Verwandten der Figur aus der Zeitschrift gegenüber – eindeutig – und auch preislich gab es nicht die vermeintliche Falle, in die ich hätte tappen können. Ich staunte. Und ging nach eingehender Besichtigung des Objektes meines Weges.

Der Buddha jedoch ging mir nicht aus dem Sinn, so ungewöhnlich und erstaunlich befand ich es, dass ausgerechnet diese als so schön befundene Skulptur in so greifbare Nähe gerückt war. Hatte dieses Bildwerk nicht tatsächlich m i c h gesucht und gefunden? Hatte nicht e s  s e l b s t  mich hier in meinem kleinen Ort am Neckar ausfindig gemacht? Es schien mir so, denn was war das für eine seltene Erscheinung an einer für sie so seltsamen Stätte! Dieser Buddha bot sich mir förmlich an, so erstaunlich war der Zufall.

Den Abend verbrachte ich damit, mir über meine Einstellung zu dem Erhabenen Gedanken zu machen. Ich kam diesmal zu dem Ergebnis, dass es möglich war, ihn in meine Wohnung aufzunehmen. Der Buddha durfte in meine Mediationsecke. Ich verehre ihn als Lehrer, aber ich bete ihn nicht an. Darauf einigte ich mich mit meinem Gewissen. Und nun thront der ehrwürdige Meister oben auf meinem Regal in meiner stillen Ecke und dominiert den Platz überhaupt nicht. Er fügt sich aufs Harmonischste in diesen Teil meines Schlafzimmers ein und lächelt. Und ich lächle zurück, wenn ich ihn ansehe. Da hat sich nach vielen Jahren ein im Stillen gehegter Wunsch erfüllt. Ich bin sicher – es soll so sein.

Und mit diesem wird sich noch ein weiterer erfüllen: ich habe ebenfalls immer davon geträumt, dass die Symbole der fünf – im deutschen Sprachraum so bezeichneten – `Weltreligionen` allesamt in meiner Wohnung Platz fänden. Es war mir ein großer Wunsch, sie um mich zu haben, denn ich schätze sie alle und sehe sie alle als gleichberechtigt an. Nicht nur diese fünf, sondern eigentlich alle Religionen, die Hand und Fuß haben. Das ist mein persönliches Credo, trotz einer christlichen Ausrichtung. Viele Wege führen nach Rom, sagt man, und für mich sind sie viele verschiedene Wege zu einem einzigen Ziel. Auf dem Regal finden sich auch zwei muslimische Pilgerbecher und inzwischen auch ein kleiner, freundlicher Ganesha. Mir fehlt noch eine Miniatur-Menora. Sie ist schwer zu finden, aber vielleicht findet ja eine solche eines Tages mich. Wer weiß wo!?

„Was gepriesen wird, ist Eines, und auch alles Preisen ist eins.

Viele Krüge werden in ein enormes Becken gegossen.

Alle Religionen, all dieses Singen, ein Lied.“

(Unbekannt)