Wünsche – zeitlos, nervig oder hoffnungsvoll

von Cornelia Kutter

Jetzt trällert er schon wieder diesen Song. Wann begreift Bernd endlich, dass ich das nicht mehr hören kann. „Wünsch dir was“ von 1993. Was soll mir das heute noch sagen?

War damals alles anders?:
Meine Ansage, dass ich kein Freund der „Toten Hosen“ bin und den Punkrocker Campino nicht mag, hält Bernd nicht davon ab, mir nunmehr den Text „Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft“ noch einmal vorzutragen. Besonders die folgenden Zeilen rezitiert er ganz langsam und voller Inbrunst:
„Ich glaube, dass die Welt sich noch mal ändern wird und dann Gut über Böse siegt.“
„Ich glaube, dass die Welt einmal in Frieden lebt und es wahre Freundschaft gibt.“
„Es wird ein großer Sieg für die Gerechtigkeit, für Anstand und Moral.“
Okay, ich gebe mich geschlagen. Der Song drückt heute mehr denn je all die Wünsche aus, die uns in diesen Zeiten bewegen.
 
Wunsch oder doch eher Glaube und Hoffnung?:
Ich merke an, dass der Text eigentlich mehr den Glauben daran ausdrückt, dass sich alles zum Guten wenden wird. Worauf Bernd sofort wieder den Fokus auf das Wünschen dabei richtet. „Da war der Wunsch Vater des Gedankens“. Das hat Shakespeares bereits Ende des 16. Jahrhunderts in seinem Drama „König Heinrich IV“ erkannt. Irgendwie hängt das ja auch alles zusammen. Wenn ich mir etwas wünsche, hege ich zumindest die Hoffnung, dass der Wunsch in Erfüllung geht. Und wenn man ganz fest daran glaubt, erfüllt er sich bestimmt, Das hat mir meine Oma mit voller Überzeugung erzählt, als ich klein war. Zumindest in Märchen gibt es eine gute Fee oder einen guten Geist, die einem Wünsche erfüllen. Aber wenn ich weiß, dass etwas in Erfüllung geht, ist das dann noch ein Wunsch oder eher eine Bitte?

Bitte verschone mich und hilf mir lieber:
Auch hier haben Bernd und ich unterschiedliche Sichtweisen, was am Beispiel der Zeilen aus dem „Vaterunser“ deutlich wird. 
„Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen“.
Das ist für mich ganz klar eine Bitte. Bernd jedoch meint, es handele sich um einen Wunsch. Denn, ob Gott der Bitte nachkommt, ist mehr als fraglich. Wir können es uns also nur von ihm wünschen. Puh, ist das kompliziert, denke ich und überlege, was mir an Wünschen täglich und wiederkehrend begegnet.

Das fängt ja schon gut an:

Himmelslaterne (pexel frei)

Nach meiner inneren Uhr viel zu früh flötet Bernd mir: „Morgen“ zu. Meint er damit, er wünscht mir einen guten Morgen oder will er mir nur die Tageszeit ansagen, zu der ich endlich aufstehen soll? Wahrscheinlich ist das nur der Umgangssprache zu verdanken, dass der Wunsch dabei nicht mehr erwähnt wird. Ich selbst wünsche der netten Verkäuferin vor Verlassen des Geschäfts schließlich auch „schönen Tag noch“. Einfacher ist es wohl, wenn ich mir klar für jemand anderen etwas wünsche. Einem Geburtstagskind wünsche ich Glück, Zufriedenheit und Gesundheit. Und am 31.12. jeden Jahres um Mitternacht wünschen wir uns selbst und allen anderen „Ein gutes Neues Jahr“. Ob mit Feuerwerk oder Himmelslaternen wird diesem Wunsch auf der ganzen Welt Ausdruck verliehen. Und jeder einzelne fügt insgeheim noch einen persönlichen Wunsch hinzu.


Brauchtum oder Aberglaube?:
Die Rituale zum Beginn eines neuen Jahres sehen Bernd und ich als liebgewonnene Tradition an. Was aber ist mit jahrhundertalten Überlieferungen wie beim Erscheinen von Sternschnuppen. Der Glaube daran besagt doch, dass ich still einen Wunsch äußern, ihn aber niemandem verraten darf, damit er in Erfüllung geht. Für mich ist das reiner Aberglaube, aber Glaube kann bekanntlich Berge versetzten. Warum trauen dann viele Menschen ihrem eigenen Glauben nicht, sondern suchen sich Hilfsmittel? Der Wunsch nach Glück soll sich erfüllen, wenn ich ein vierblättriges Kleeblatt finde oder einen Schornsteinfeger anfasse. Ebenso dokumentiert ein Hufeisen über der Eingangstür den Wunsch, dass das Haus mit Glück gesegnet sei und jegliches Unglück ferngehalten wird. Amulette und Talismane haben die Menschen schon vor Jahrhunderten als Garant für die Erfüllung ihrer Wünsche, stets beschützt und glücklich zu sein, angesehen.

Sternschnuppen (pexel lizenzfrei)



Auch Kinder haben Rituale:
Bernd ergänzt den Gedanken noch. Während viele Erwachsene für die Erfüllung ihrer Wünsche beten oder Kerzen anzünden, richten Kinder ihre Wünsche zumeist an die Eltern oder Großeltern. Bei materiellen Wünschen schwingt selbstredend die Erwartungshaltung mit, dass diese auch erfüllt werden und der Legobaukasten oder die Playstation unter dem Weihnachtsbaum liegen. Aber da gibt es auch noch andere Wünsche, die dem Familienhund, einem guten Freund oder auch dem geliebten Teddy anvertraut werden. So konnte ich den kleinen Enkel meiner Freundin dabei beobachten, wie er seinem Spielzeug den sehnlichen Wunsch anvertraute, dass seine Mama ganz schnell wieder gesund werden soll. Dieser Wunsch ging in Erfüllung, denn seine Mutter musste sich nur einem kleinen Eingriff unterziehen und war nicht ernsthaft erkrankt. Der Kleine ist aber der Überzeugung, dass sein Wunsch erhört wurde und nur deshalb alles wieder gut ist.

Wann ist ein Wunsch ein Wunsch?:
Mein Patensohn erzählte mir neulich, dass er seine pubertierende Teenie-Tochter manchmal zum Teufel wünschen möchte, weil ihm ihre ständige Bettelei auf die Nerven geht. Sei es, dass sie etwas Erwünschtes nicht bekommt oder etwas in ihrem Alter noch nicht darf. Dann kommt sofort heulend der Spruch: „Bitte, bitte Papa, es ist mein allergrößter Wunsch. Alle anderen dürfen in den neuen Club gehen und alle aus meiner Klasse haben das neue iPhone bekommen, nur ich nicht!“ Ihr Vater pflegt daraufhin zu antworten: „Das mag ja sein, aber wir sind hier nicht bei ‚Wünsch dir was‘!“ Dabei wird sie von ihren Eltern eher verwöhnt und bekommt fast jeden Wunsch erfüllt. 

Wünschen, wo soll man da anfangen?:
„Was würdest du dir wünschen, wenn du drei Wünsche frei hättest?“ fragt Bernd mich darauf hin. Sofort sprudelt es aus mir heraus: „Es gibt so vieles, das ich mir wünsche. Wenn mir drei gewährt werden, wie soll ich meine Wünsche priorisieren, welchen Wunsch weglassen?
Ich wünsche Frieden in einer Welt ohne Elend, Hunger und Armut.
Die Klima-Katastrophe soll verhindert werden. Das wäre mein Wunsch.
Meiner Freundin Marlies wünsche ich von ganzem Herzen, dass sie ihre Krebserkrankung übersteht. 
Und ganz sicher wünsche ich uns und der ganzen Familie Gesundheit, Glück und Harmonie“.
Wahrscheinlich ließe sich die Liste noch weiter fortsetzen, wenn ich an die Spaltung der Gesellschaft und die zunehmende Gewaltbereitschaft einiger Gruppierungen denke.

Wozu gibt es all die Wünsche?:
Bernd meint, so oder so ähnlich würden wohl viele Menschen ihre Wünsche äußern. Da fehlt nur noch der Wunsch nach einem Lotterie-Gewinn, den Millionen Menschen Woche für Woche hegen und mit zum Teil hohem Einsatz dem Glück auf die Sprünge helfen wollen. Aber sind Wünsche nicht ganz individuell und dürfen sie nicht auch ein wenig egoistisch sein? Ich denke, persönliche Wünsche sind ganz wichtig und legitim. Die Hoffnung auf Erfüllung soll uns helfen, besser mit Krankheit, Niederlagen oder Bedrückendem umzugehen. Die positive Erwartungshaltung, die mit einem Wunsch verbunden ist, kann uns fröhlicher und glücklicher machen. Aber wenn es um das große Ganze geht, sollten wir alle vielleicht einmal über den Sinn folgenden Spruchs von Mahatma Gandhi nachdenken.
„Sei du selbst die Veränderung,
die du dir wünschst für diese Welt.”

Quellen und weiterführende Links:

https://www.dietotenhosen.de/diskographie/songs/wuensch-dir-was
https://www.dwds.de/wb/da%20ist%20der%20Wunsch%20der%20Vater%20des%20Gedankens
https://www.n-tv.de/wissen/Warum-Sternschnuppen-Glueck-bringen-article11155936.html

Bild-Lizenznachweise:
Die Bilder pexels-felipe-helfstein-1937687  (Sternschnuppen) und pexels-riya-kumari-809453                    (Himmelslaterne) sind von pexels lizenzfrei und zur freien Verfügung.
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