Randnotiz: Nicht ganz so existentiell

Von Beate Seelinger

Wenn Leute über sechzig danach gefragt werden, was Ihre Wünsche seien, wird es oft ganz existentiell. An erster Stelle steht dann meist, von Krankheit nicht behelligt zu werden, dann folgen andere Bedrohungen des Alters, denen man am liebsten aus dem Weg gehen würde. Zufriedenheit wünscht man sich oft, und in unseren Tagen noch Frieden, Sicherheit, Verschonung vor Umweltkatastrophen und ein angenehmes finanzielles Auskommen. Man fürchtet gegebenenfalls noch Einsamkeit und wer hat, ersehnt sich ein gnädiges Schicksal für die Familie. Alles berechtigt, natürlich und verständlich. In den letzten Jahren, da geht es eben in die Tiefe – im doppelten Sinne. Ganz anders jedoch, was sich die Jungen so wünschen. Dass das, was in deren Köpfen vorgeht, viel abenteuerlustiger und kreativer daherkommt als die tiefsinnigen Überlegungen der älteren Generation, konnte ich in den letzten Wochen immer wieder erfahren. Da nämlich hat mein junger Radiosender die Aktion „Einmal im Leben – kein Wunsch ist zu groß oder zu verrückt“ gestartet, und denen, die das Los auswählte, die bedingungslose Erfüllung desselben versprochen.

„Einmal im Leben mit dem Hubschrauber zur Arbeit fliegen“, so beschrieb einer der ersten Teilnehmer des Radiospiels sein lebenslanges Sehnen. Es sollte so sein, dieser Traum wird sich erfüllen und die Kollegen werden mit offenen Mündern hinter den Fenstern ihrer Büros stehen. Ganz ähnlich eine junge Dame, die gerne einmal mit einem gleichen Fluggerät mitfliegen würde, das aber während des luftigen Abenteuers gewagte Kunststücke vollbringen soll. Auch das wird sich machen lassen. Die Freude der zukünftigen Copilotin äußerte sich überschwänglich und ließ Gedanken an eventuelle nervöse Verstimmungen des Magens erst gar nicht aufkommen. Als ein Wunsch mit mehr Bodenhaftung erwies sich der, einmal mit dem Lieblingsfußballverein trainieren zu dürfen. Alltagstraining allerdings, man will ja nicht nach den Sternen greifen. Was viele schon immer gerne gewusst und beobachtet hätten, ersehnt sich ein anderer: in einer Zahncremefabrik zu erkunden, wie die roten Streifen in die Zahnpasta kommen. Auch dies wird wahr werden und man wird danach fachmännisch mitreden können. Die nächste Glückliche darf an einem Harry Potter Zauberei- und Hexerei-Kurs in England teilnehmen. Nichts ist unmöglich, sie wird die Kulissen von ganz Hogwarts durchforsten und nach bestandener Prüfung meisterlich Besen reiten können. In die gleiche Richtung geht die Idee, beim Musical „Tanz der Vampire“, das in Stuttgart aufgeführt wird, mit dem Obervampir Graf von Krolock, einmal hinter der Bühne – zwar nicht gerade ein Tässchen Blut – aber ein schlichtes Tässchen Kaffee trinken zu dürfen. Könnte schwierig werden: Vampire gelten als scheu. Noch komplizierter mag es sich im Frankfurter Zoo zutragen. Dorthin darf eine Gewinnerin, um endlich einmal eine Giraffe zu streicheln. Der Zoo spielt mit – muss nur noch die Giraffe wollen. Bei dem letzten Wunsch dieser Woche jedoch, der sich mit absoluter Sicherheit und auch ohne Probleme erfüllen lassen wird, handelt es sich dann andererseits aber auch um den coolsten in der Sammlung: Da möchte eine robuste Mittdreißigerin für ihr Leben gern einmal einen richtig schön eingesauten Bus putzen! Ja, richtig gelesen: ihr Lebenstraum  wäre es, einen Bus zu putzen. Und wer hätte in solch einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht schon einmal gedacht: „Hier müsste aber mal einer saubermachen!“ Der Jubelschrei der Gewinnerin klang dem Radiohörer noch lange in den Ohren, nachdem ihr diese Bitte gewährt ward. Nicht jeder wünscht sich so etwas, jedoch, dass sie Spaß haben wird, davon kann man ausgehen.

Die Aktion des Senders wird noch ein, zwei Wochen fortgeführt. Es bleibt spannend. Man fragt sich, was sich der Mensch noch so alles wünschen kann. Ich habe schon überlegt, ob ich mitspielen soll, um die Statistik bezüglich der Wünsche von älteren Leuten ein wenig aufzuhübschen. Ich würde mir dann einen Tag in einer Schokokuss-Fabrik aussuchen, Verkostung inbegriffen. Und danach würde ich mir erhoffen, einmal eine Diät durchzuhalten…