von Beate Seelinger
„Die große Kunst des Lebens besteht nicht darin, das zu bekommen, was wir wollen – sondern das zu schätzen, was wir bekommen haben…“ (Sebastian Fitzek, Bestseller-Autor).
Wie eng hängt dieses Zitat mit unserem Fragen nach dem Wünschen zusammen! Wie oft wünschen wir uns klar umrissene Erfolge, Errungenschaften, Gewinne und Bedürfniserfüllungen und bekommen sie einfach nicht! Das Leben hat sie für uns nicht eingeplant. Wie tief wühlt dann der Frust, wie bitter schmeckt die Enttäuschung, wie schwer fällt dann die Ausrichtung auf ein neues Ziel, einen anderen Wunsch. Wir kennen das aus der Kindheit: so manchen Wutanfall hat es – vor allem im Trotzalter – mit sich gebracht, wenn der lang gehegte und glühend verfolgte Wunsch nicht in Erfüllung ging. Oder – im Idealfall für die Erziehenden – er wurde abgehakt und die Enttäuschung schweigend, aber grollend heruntergeschluckt. Im Erwachsenendasein nützt es wenig, zu heulen, bis einem der Rotz aus der Nase läuft und mit den Füßen zu strampeln – manche Wünsche werden nicht wahr. Damit müssen wir leben, damit müssen wir uns abfinden – wir können enttäuscht sein und am besten nie darüber sprechen.
Oft bleibt eine Narbe des Verlusts, des ungewollten Verzichts. Das wird als schmerzhaft empfunden. Manchmal ein Leben lang. Je weniger wir einen Wunsch loslassen konnten, desto mehr tragen wir am Schmerz – anhaltend – und je intensiver wir gewünscht haben, desto schwerer fällt das Fahrenlassen. Wir alle kennen das. Wer war nicht unglücklich verliebt? Und trotzdem leben wir weiter. Manchmal um einen Wunsch ärmer und desillusioniert, manchmal um einen Wunsch ärmer und sogar erleichtert.
In unseren Wünschen idealisieren wir gemeinhin das Ziel. Wir malen uns unser Wunschobjekt oder Wunschziel in den schönsten Farben aus und stellen uns vor, dass mit Erreichen desselben unser Leben um so vieles schöner, lebenswerter, wertvoller würde. So hecheln wir so manches Mal einem Begehren hinterher, das bei genauerer Betrachtung unter Umständen gar nicht zu uns passt, uns vielleicht gar nicht dient. Wie viele Ziele erwiesen sich als nur halb so attraktiv wie man sie sich erträumt hatte, nachdem sie erst einmal erreicht worden waren?!
Dem einen fällt es schwerer, sich von seinen Wunschvorstellungen zu trennen, dem anderen leichter. Dies erweist sich auch als eine Frage des Charakters. Flexibilität ist da gefragt. Die ist nicht jedem von Anfang an mitgegeben. Jedoch, man kann sie sich aneignen, im Laufe des Lebens und in der Vorstellung desselben als strömenden Fluss, der ein immer wieder anderes – interessantes – Ufer passiert. Natürlich erweist sich eine Vielzahlt von Vorstellungen und Metaphern als hilfreich, das Leben flexibel anzugehen. Doch, wie gesagt, dies ist nicht jedermanns Sache. Manchmal will die Trauer um einen unerfüllten Wunsch ein Leben lang nicht nachlassen und so manche Träne rinnt.
Wie sinnvoll da das obige Zitat! Eine Änderung der Blickrichtung wäre also von Nöten, eine kleine Drehung des Kopfes eigentlich nur, und wir sehen, was wir ansonsten – anstelle unserer unerfüllten Wünsche – bekommen haben. Und da türmt sich meist eine ganze Menge auf. Nur, es fällt uns so schwer, diesem „Anderen“ den gleichen Wert zuzumessen wie unserem innigen Wunsch! Dies nämlich wäre der nächste Schritt: nachdem das „Andere“ erst einmal als Alternative ausgemacht wurde, diesem auch Wert beizumessen. Oft ist unser Leben angefüllt mit Geschenken und Reichtümern, jedoch wir schätzen sie einfach nicht. Können sie nicht schätzen, weil wir unseren Wunschvorstellungen anhaften, die wir partout als wertvoller begreifen. Wir wollen es einfach nicht kapieren, dass das „Andere“ genauso kostbar, oder sogar kostbarer sein kann. Da sind wir stur. Das „Andere“ haben wir ja nicht gewollt.
Ja, Ausläufer der Trotzphase in diesem Sinne kennen wir – glaube ich – alle. Auch Sebastian Fitzek räumt ein, dass das Annehmen und Wertschätzen des „Anderen“, das wir im Leben anstatt unserer Wunschvorstellungen bekommen haben, nicht immer einfach ist. Sicher würde er sonst nicht von der „großen Kunst“ des Lebens sprechen. Es gehört offenbar etwas dazu, mit unerfüllten Wünschen fertig zu werden und trotzdem glücklich zu sein. Man muss sich auf das wechselnde Geschick einlassen können. Genau darauf kommt es an! Es zeigt sich doch als die Natur des Lebens, in weiten Teilen unberechenbar zu sein und uns auch einiges zuzumuten, was wir nicht wollten. Durchaus auch Unangenehmes. Dann den „anderen“ Reichtum, der sich da ungewollt und ungeplant um uns angesammelt hat, wahrzunehmen und wertzuschätzen, bedeutet in der Tat, ein kunstfertiges Leben zu führen. Dabei handelt es sich um d i e Kunst. Es bedeutet, zu l e b e n.