Von Schwarzen Nullen und Fußabdrücken

von Peter Schallock

In Zeiten von Ukraine-Krieg, Energieknappheit und steigender Inflation geraten Appelle zu nachhaltigem Handeln in den Hintergrund. Das ist nachvollziehbar: Die Furcht vor den Auswirkungen des Krieges, kalten Wohnungen oder stundenlangen (Strom-) Black-Outs ist konkreter als die vor den Auswirkungen schleichender ökologischer Veränderungen. Lautstark sind dagegen dieser Tage die Warnungen unseres Wirtschaftsministers, die Schwarze Null strikt einzuhalten. Dabei gibt es seit geraumer Zeit auch so etwas wie eine grüne Null. Auch dieser etwas mehr Beachtung zu schenken, ist überfällig.

Die Schwarze Null bezeichnet einen ausgeglichenen öffentlichen Haushalt, Ausgaben und Einnahmen sollen im Gleichgewicht sein. Anders als die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schließt sie sogar jede Neuverschuldung aus. In dem Zusammenhang wird gerne auf die schwäbische Hausfrau verwiesen, der von manchem schon der Rang einer sechsten Wirtschaftsweisen verliehen wurde.

Man kann über Sinnhaftigkeit von „Schwarzer Null und Schuldenbremse“ vortrefflich streiten. Ein öffentlicher Haushalt sei eben nicht vergleichbar mit einem schwäbischen, so die Kurzfassung der Argumente der Gegenseite.

Bild von Nattanan Kanchanaprat auf Pixabay

Christian Lindner lässt sich davon nicht beeindrucken. Man könne schließlich nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Ebenso, wie man nicht mehr Energie oder Rohstoffe verbrauchen kann, als einem zur Verfügung stehen. Solange man genug Geld in der Kasse hat, kann man allerdings fleißig nachkaufen.

Solange es noch welche gibt, versteht sich.

Es gibt dazu ein paar interessante Rechenspielchen, und damit komme ich zu einer Zahl, die man vielleicht „grüne Null“ nennen könnte. Sie kümmert sich allerdings nicht darum, was in den Kassen ist, sondern wie es um unsere natürlichen Reichtümer steht.

Um es kurz zu machen: Die Zahl, die für Deutschland errechnet wurde, ist ernüchternd:

 „Würden die Ressourcen der Erde zu gleichen Anteilen auf alle Länder gemäß der Zahl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner verteilt, hätte Deutschland seinen Anteil im Jahr 2022 bereits Anfang Mai aufgebraucht!“

Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/erdueberlastungstag-ressourcen-fuer-2022-verbraucht

Mit anderen Worten:  Wäre unsere Welt eine gerechte, hätten wir Anfang Mai das Land dicht machen und einen verlängerten Sommer-Herbst-Winterschlaf beginnen können. Im  nächsten Jahr machen wir dann da weiter, wo wir im Frühjahr aufhören mussten. Bis zum nächsten Mai, vielleicht auch nicht mehr ganz so lange, denn insgesamt werden Rohstoffe ja knapper.

Da kann man nur froh darüber sein, dass die Welt so ist, wie sie ist. Sonst ginge es uns nicht so gut, daran besteht kein Zweifel. So aber können wir eifrig einkaufen und mehr verbrauchen, als uns eigentlich irgendwie zusteht. Solange uns der Finanzminister nicht ausbremst, damit die Schwarze Null steht.

Ist ja nicht nur unsere Schuld. Mancher mag den üblichen Trost darin finden, dass Deutschland eben nicht alleine die Welt retten kann. Weltweit wäre nämlich am 28. Juli Schluss gewesen.

Muss man eigentlich noch ausdrücklich erwähnen, dass wir unsere Klimaziele – d.h. die Verringerung der Treibhausgase bis zum Ende des Jahrzehnts, damit es nicht wärmer wird – wohl auch nicht erreichen werden?

Ökos, Pragmatiker, Ignoranten

Aber was soll‘s, leben wir halt ein wenig über unsere Verhältnisse. Es geht ja nicht um den Bundeshaushalt, sondern nur um die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen. Und überhaupt: Wie sollen wir uns denn noch einschränken? Dazu später mehr. Sie werden sich wundern. Vielleicht.

Sie finden, ich klinge zynisch? Kann schon sein. Lässt sich aber leider kaum verhindern. Ich würde ja lieber über Erfolge schreiben und möglichst viele Beispiele nachhaltiger Politik vorstellen, die eine wirkliche Trendwende anzeigen.

Denn natürlich geht es auch anders, was jeden Einzelnen von uns betrifft. Ein Beispiel: Da ist die junge Mutter, die fast jeden Tag mit ihrem Rad den beachtlichen Hügel in meinem Stadtviertel hinaufradelt. Mit dem Nachwuchs, den sie gerade von der Kita abgeholt hat, im Anhänger. Auf ihre sportlichen Höchstleistungen angesprochen, meinte sie doch tatsächlich, sie wolle einen Beitrag zur Zukunft ihrer Kinder leisten. Überhaupt gibt es jetzt viele Lastenräder im Stadtbild zu sehen. Die wurden ja auch schon mal von der Politik vorgeschlagen, so wie häufigere Verwendung des Waschlappens.

Die Tochter meiner Nachbarin hat sich jetzt ein schweineteures Elektroauto gekauft.  Ihre Mama fährt jetzt E-Bike, natürlich auch wegen der Umwelt. Und überholt mich regelmäßig, wenn ich mit meinem altertümlichen Blechesel unterwegs bin. Beide Damen verstehen ihren Beitrag schon als umweltverträgliches Handeln. Elektrofahrzeuge verpesten schließlich nicht die Luft. Allerdings sind Akkus weder in Herstellung noch in Entsorgung besonders ökologisch. Und Strom, sogar der aus der Steckdose, muss irgendwo und irgendwie erzeugt werden.

Vielleicht ist gerade hier des Pudels Kern begraben: Selbstverständlich will man die Umwelt schützen. Aber bequem sollte es schon sein! So geht eben Pragmatismus, made in Germany.

Daneben gibt es natürlich die völligen Ignoranten. Mülltrennung? Überflüssig. Klimawandel? Gibt es nicht. Früher war es doch auch warm. Und überhaupt: ist doch schön, wenn es bei uns wärmer wird. Muss man nicht mehr ans Mittelmeer und nicht mehr so viel heizen!

Auch ein Standpunkt. Nur wahrscheinlich kein besonders hilfreicher,

Und wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit?

Nur zur Erinnerung: Gelebte Nachhaltigkeit umfasst, ordentlich definiert, ökologisches, ökonomisches und sozial verantwortliches Handeln. Oder anders ausgedrückt: Schützen wir Umwelt und Ressourcen, fördern wir fairen Handel und Arbeitnehmerrechte.  Helfen wir, dass Kinder überall genug zu essen haben, Schulen besuchen können und nicht als billige Arbeitskräfte für uns verwöhnte Europäer Schnäppchen produzieren müssen. Grau ist alle Theorie, finden Sie?

Das Internet ist voll von nützlichen Hinweisen, wie wir Nachhaltigkeit im Alltag umsetzen können. Da gibt es weitaus mehr zu tun, als nur die Heizung ein wenig runterzudrehen, öfter mal das Auto stehenzulassen oder saisonal oder regional im Bioladen einzukaufen.

Was denn: Den flotten Pullover, noch dazu aus reiner Baumwolle, gibt es diese Woche als Sonderangebot? Günstige, saftige Steaks aus Argentinien gibt es ganz billig beim Lebensmitteldiscounter? Die Drogerie hat die große Packung Waschpulver im Angebot? Geiz ist geil? Von wegen, das war mal. Also: Erst mal genau hinsehen und vielleicht liegen lassen, denn Nachhaltigkeit und Billigprodukt schließen sich meistens aus.

Noch ein paar Tipps, was sie tun können? Bringen Sie Ihren eigenen Kaffeebecher mit ins Café! Nehmen Sie Bienenwachstücher statt Plastikfolie! Bambuszahnbürste und Zahnputztabletten zur Zahnreinigung, Kernseife zum Waschen, weniger duschen, aber immer noch öfter als baden, letzteres vielleicht nur noch zu Weihnachten und Ostern? Lassen Sie Ihre Geräte nicht mehr im Stand-by-Modus, und vor allen Dingen, essen Sie weniger Fleisch?

Wie bitte, man sollte es nicht übertreiben, und Ihr Gatte würde Ihnen was erzählen? Und überhaupt machen Sie ja schon genug? Glauben Sie? Das lässt sich leicht überprüfen!

Vielleicht haben Sie schon mal vom ökologischen Fußabdruck gehört. Der bedeutet, stark vereinfacht: Je größer Ihr Fußabdruck, desto verschwenderischer und wenig nachhaltig leben Sie. Sie können Ihren eigenen Fußabdruck hier berechnen:

https://www.fussabdruck.de/fussabdrucktest/#/start/index/

Ich hab‘s getan und war „not amused“. Eigentlich halte ich mich für einen relativ umweltbewussten, ja durchaus nachhaltig handelnden Menschen. Gut, einmal im Jahr mache ich eine Flugreise. Die hat mir natürlich die Bilanz verhagelt. Lange Rede, kurzer Sinn: Mein Ergebnis war eindeutig: Würde jeder so leben wie ich, bräuchten wir unseren Planeten in 2,4-facher Ausfertigung.

Wie wohl der ökologische Fußabdruck des Hüters der Schwarzen Null aussieht? Ich wette, er kennt ihn nicht mal. Oder er würde nur ablehnend den Kopf schütteln. Der Mann ist schließlich begeisterter Porschefahrer, und außerdem wird ihm eine gewisse Vorliebe für Luxus nachgesagt. Er redet jedenfalls nicht besonders oft über nachhaltige Politik. Lieber über die Schwarze Null.