von Regina Olm
Manchmal müssen wir noch im Erwachsenenalter Neues lernen. Besonders wenn wir unser Verhalten ändern müssen, fällt uns dies besonders schwer. Wie also geht das?
Was wir viele Jahre lang gemacht haben, lässt sich manchmal nur schwer abstellen und anders machen. Sie sehen schon, es sind auf einmal schon zwei Lernprozesse. Wir müssen das Alte verlernen und das Neue aufbauen. Wie lernt man / frau also nachhaltig? Besonders, wenn man dies z.B. aus gesundheitlichen Gründen tun muss oder will. Gesünder essen oder leben, mehr Bewegung, mit veränderten Lebensumständen umgehen, ein neues Hobby, neue soziale Kontakte aufbauen, …. All dies sind Entwicklungsprozesse, die wir durchmachen. Manchmal schneller, manchmal weniger schnell, weil es uns schwerfällt.
Letztere möchte ich hier etwas näher beschreiben. Nachhaltiges dauerhaftes Lernen geschieht durch Wissensaneignung, üben und wiederholen, anwenden und Erlerntes wiedergeben, an anderer Stelle abrufen und transferieren zu können. Der Muskel muss erst aufgebaut, dann trainiert und regelmäßig abgerufen werden.
Schwieriger wird es erst, wenn alt Erlerntes oder schöne Gewohnheiten dagegenstehen und sich immer wieder durchsetzen wollen. Hier brauchen wir oft Feedback, dass wir wieder tun, was wir eigentlich ändern wollten, um uns dessen bewusst zu werden. Das kann mittels Handy-Apps, Schrittzähler, Verhaltenstagebücher oder positiven Hinweises eines vertrauten Menschen erfolgen. Dadurch erkennen wir, wann und wobei wir tun, was wir besser machen wollen. Wir brauchen neue schöne Gewohnheiten, neue Strategien und neue positive Belohnung für das, was besser für uns ist. Weiter brauchen wir neue Bewältigungsstrategien, für das, warum wir das Alte getan haben. Z.B. …
Und wir brauchen unser Mitgefühl sowie Strategien für Rückfälle in altes Verhalten – was bei langfristigen Veränderungen ganz normal sein kann -. Denn in bestimmten schwierigen Situationen ((emotionaler) Stress, Langeweile, Konfliktsituationen, Einsamkeit, Trost, etc.) kann das Alte (z.B. Rauchen, süßes, kalorienreiches Essen, Alkohol) eine Bewältigungsstrategie sein, die erst gegen etwas Neues ausgetauscht werden muss.
Dies können z.B. Entspannungs- oder Atemtechniken zur Beruhigung oder Sport zum Abreagieren des Körpers und der Emotion sein, um dann Handlungsstrategien zur besseren Bewältigung ohne das alte Verhalten entwickeln zu können. Z.B. die Zigarette gegen eine Tasse Kaffee auszutauschen oder bisheriges Essen gegen geeigneteres. Am Letzteren arbeite ich gerade und weiß, wie schwierig dies sein kann, wenn man noch nicht weiß, was geeignet ist, und was das Bedürfnis nach leckerem Essen erfüllt, damit die Umstellung besser gelingt. Dann gibt es noch emotionale Bedürfnisse nach Belohnung, Geborgenheit, Wärme, Schutz, Trost u.a., die meist mit Essen erfüllt werden. Hier gilt es für mich herauszufinden, was es für mich bedeutet, und wie ich mir diese Bedürfnisse sonst erfüllen kann. Wenn ich dies weiß, bleibt noch das Erkennen der dahintersteckenden Bedürfnisse und das Training der neuen Dinge. Für das Erkennen der Bedürfnisse helfen z.B. Bedürfnistabellen der GfK (Gewaltfreien Kommunikation) oder Gefühlskarten, um sich selber besser kennenzulernen und mit sich selber auf eine bessere Art umzugehen oder mit den Menschen um sich herum besser ins Gespräch oder in Kontakt zu kommen. Manchmal lösen wir damit auch alte innere Konflikte auf, weil wir unserer Kindheitsangst oder unseren Kindheitsstrategien begegnen und mit diesen erwachsener umgehen lernen. Was also brauche ich wofür? Und wie kann ich mir dies sogar gesünder und damit liebevoller für mich erfüllen?
Die Gesundheitspsychologie gibt uns dafür ein Modell an die Hand, um dem Ganzen ein Bild zum besseren Verstehen zu geben und unsere Handlungen immer wieder anpassen zu können, damit wir am Ball bleiben. Denn es gibt immer wieder Zeiten, in denen wir das Ganze hinschmeißen wollen, wenn wir keine Erfolge sehen und diese oft erst langfristig eintreten oder “nur” eine Verschlimmerung verhindern.
Wir starten in der Sorglosigkeit, in der wir noch alles wie bisher tun. Dann wird uns langsam bewusst, dass wir diese Dinge auch anders tun könnten. Wir erhalten Wissen an die Hand, unser Denken (unsere kognitiven Prozesse) wird angeregt. Jemand erzählt uns, wie wir für uns besser damit umgehen könnten. Wir sammeln Punkte für unsere Umentscheidung oder Infragestellung. Wir bereiten die Veränderung vor. Sammeln weitere Informationen, holen uns Erfahrungsberichte von anderen ein, wägen Vor- und Nachteile der alten und der neuen Handlung ab. Testen das Neue, steuern nach, suchen noch bessere Alternativen, …. Dann starten wir bewusst mit der neuen Handlung / Alternative. Bis hierhin dauert es meistens ein bisschen. Ist aber oft noch nicht so schwer, weil wir es versuchsweise tun / getan haben. Doch jetzt wird’s ernst! Und das merken wir. Jetzt fängt es oft an, sich in uns zu streuben. „Nein! Dauerhaft will ich das nicht!“ Hier kommen affektive Prozesse – unsere Emotionen – mit ins Spiel. Das Alte ist einfach und bequem oder routiniert geworden. Es hat bis heute zu uns gepasst. So einfach wie das Alte muss das Neue erst werden. Und das dauert meist ein wenig. Jetzt müssen wir das Neue dauerhaft aufrechterhalten. Wollen dem Alten nicht mehr nachgeben. „Aber das ist doch so schön / lecker / lustvoll gewesen“. Dann sollte das Neue auch schön, lecker oder lustvoll werden. Denn das Alte haben wir ja auch dauerhaft durchgehalten. Dann kann etwas Neues, das die gleichen Attribute erfüllt, auch etwas Dauerhaftes werden. Wir brauchen nur Routine, und die können wir uns durch Regelmäßigkeit antrainieren, d.h. hier handeln wir ggf. täglich, um unser Ziel zu erreichen (Verhaltensorientierte Prozesse). Wie können wir uns aktivieren, durchhalten, weitermachen? Bis zur Stabilisierung der neuen Handlung. Vergessen Sie aber dabei nicht, sich regelmäßig für das Tun und das Durchhalten zu belohnen. Mit schönen Dingen, nicht mit „Jetzt habe ich so lange durchgehalten, jetzt darf ich mal wieder“. Entwickeln Sie etwas neues Schönes zur Belohnung.
Wichtig bei den Veränderungsmaßnahmen ist auch die eigene Bewertung der Selbstwirksamkeit, d. h. ob wir glauben, dass wir selbst die Veränderung vornehmen können. Wir sollten uns also gut selbst kennen, uns nicht selbst in die Tasche lügen und für uns echte umsetzbare Strategien entwickeln. Anfangen können wir mit kleinen Maßnahmen, die Erfolge garantieren, um dadurch Kraft, Mut und Durchhalten für die größeren Dinge zu schaffen. Unsere Motivationslok muss erst einmal angeschmissen (angeheizt) werden, bevor sie ins Laufen kommt. Und dann muss sie am Laufen gehalten werden. Denn jedes Mal, wenn sie ausgeht, muss sie wieder erst mit einem größeren Kraftakt angeschmissen werden, als wenn wir sie nur am Laufen halten müssen. Gemeinsam mit anderen geht dies manchmal leichter. Suchen Sie sich gern eine Gruppe oder Unterstützung durch eine_n Partner_in oder Gleichgesinnte_n. Seien Sie auch mal nachsichtig mit sich. Sie machen dies für sich selbst. Ohne Prüfung, ohne dass jemand zur Kontrolle hinter Ihnen steht. Gönnen Sie sich die Veränderung, und genießen Sie das, was Sie schaffen. Wenn man etwas dauerhaft verändern will, sind auch Rückfälle in schlechten Zeiten möglich. Dann starten Sie einfach am nächsten Tag wieder neu, bis es wieder zur Routine wird, und Sie gar nicht mehr darüber nachdenken müssen.
Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und viel Spaß damit, etwas Liebevolles für sich selbst zu tun!
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Bilder: Pixabay Freie Lizenz
Diagramm: Regina Olm