Nachhaltige Jeans

von Ute Lenke

Dass Jeans „nachhaltig“ sind, das ist mir klar: was ist haltbarer?   Seit sogar die durchlöcherten der letzte Schrei sind, gibt es kaum einen Grund, neue zu kaufen – es sei denn Gewichtsprobleme zwingen dazu. So dachte ich zumindest, bis ich unlängst in unserer Zeitung eine Meldung las:

Ein namhafter Jeanshersteller aus USA will auf dem europäischen Markt expandieren und hat unserer finanziell klammen Stadt ein lukratives Angebot gemacht: Ein „nach den Prinzipien von Recycling, Ressourcenschonung und Zero Waste“ gebauter und betriebener Industriepark soll hier entstehen, mit gepflegten Grünanlagen und 650 neuen Arbeitsplätzen.*)

Diese hochherzigen Pläne entschädigen gewiss die Anwohner des vorgesehenen Areals, einem seit vielen Jahren brachliegenden ehemaligen Bergbaubetrieb. Wald und Heide, Landwirtschaft hatten das Gebiet längst renaturiert und Wanderer es als Naherholungsgebiet entdeckt. Nun wecken seit über 1 Jahr frühmorgens und selbst am Wochenende Lärm und erdbebenartige Erschütterungen  die Anwohner, weil Stützpfeiler in den Sandboden gerammt, fleißig Bäume gefällt, der Wald gerodet, Radwege angelegt, Straßen verbreitert werden. Weitläufige Fabrik-, Verwaltungs- und Logistikgebäude, dazu die notwendigen Parkplätze, Zu- und Abfahrtsstraßen für die LKWs und Autos der Mitarbeiter brauchen einen tragfähigen Untergrund. Das Gelände ist allerdings vom Bergbau durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Die Firma hat jedoch versprochen, alles „umweltschonend und nachhaltig“ zu bauen. Wer wird da kleinlich sein und sich über Lärm und verschwundenen Wald beschweren?

Verkehrstechnisch ist die Lage für die Firma ideal: 3 Autobahnen, Großstädte und Nachbarländer, Bundesstraßen, die die Autobahnen verbinden, Flughäfen – alles in nächster Nähe. Zwar ächzen die Autobahnen und die anderen – veralteten – Verkehrswege unter dem ständig wachsenden Verkehr, müssten längst verbreitert und repariert werden. Doch das geschieht nun endlich für die neue Jeansfabrik. Wer wollte nicht dankbar sein, dass damit vielleicht sogar die Pläne für ein nachhaltiges Verkehrswesen der Zukunft realisiert werden? Arbeitsplätze und einen neuen Radweg gibt es auch!

Bei meinem nächsten Jeanskauf werde ich in Zukunft wohl überlegen, ob ich mit  billigen Jeans  die Kinderarbeit in Bangladesch oder mit den edlen teuren amerikanischen lieber den nachhaltig (?) gebauten Industriepark unterstütze. Ich kann aber auch die alten Abgetragenen behalten, Löcher sind schließlich „in“. Und Jeans lassen sich nützlich recyceln, zum Beispiel als Sofakissen.

*) https://dorsten-online.de/baubeginn-des-levi-strauss-distributionszentrums-in-wulfen/

Lesen Sie hierzu auch: Mein Nachbar: Rodeo Ben – ein Schneider aus Lodz (lerncafe.de)

Werbung der Fa. Win-Dor (Wirtschaftsförderung in Dorsten) für den Industriepark