Wie die Poesie zu mir kam

von Maria Schmelter

In die Wiege gelegt war sie mir jedenfalls nicht. Geboren im Sommer zur Zeit der Heuernte, auf einem Bauernhof im Sauerland, musste ich ohne viel “Gedöns” schnell getauft werden. Ich war, man glaubt es heute kaum, sehr mickrig und mir sollte, falls ich vorzeitig ablebe, der Zugang zum Himmel nicht versperrt bleiben.

Ich erwies mich als zäh und ausdauernd. Ich überlebte einen Unfall mit dem Tretroller. Mein älterer Bruder fuhr mit mir, vorne auf dem Roller stehend, schwungvoll auf einen Kieshaufen, und als er dort noch eine Kurve kratzen wollte, blieb der Lenker im Kies stecken, und das ungeschützte Ende bohrte sich in meinen Kopf, gerade oberhalb des Auges. Es mußte genäht werden, heilte aber gut. Allen lauernden Gefahren zum Trotz erreichte ich das Schulalter und lernte lesen.

Da begann ein neues Zeitalter. Soweit ich mich erinnern kann, gab es in unserem Haushalt nur ein schwarz eingebundenes Buch mit Heiligenlegenden. Daraus las uns die Oma manchmal abends die Leidensgeschichte eines Märtyrers vor. Diese Geschichten waren an Grausamkeit nicht zu toppen, Stoff für jede Menge Albträume.

An weitere Bücher in unserem Haus erinnere ich mich nicht.

Lesen galt als unnützer Zeitvertreib, dem man allenfalls am Sonntag nachgehen durfte, wenn das Arbeiten über das notwendige Maß hinaus verboten war. Die Sonntagsmesse durfte nicht versäumt werden, das war eine Todsünde.

Nach dem Gottesdienst war die katholische Leihbücherei geöffnet, und ich verließ sie immer mit einem Stapel Bücher. Im Winter war mein Lieblingsplatz auf der Holzkiste neben dem Ofen. Und während auf dem Herd der Sonntagsbraten schmorte, war ich ganz versunken in die Welt des Trotzkopfes.

Später, als die Sucht des Lesens schon nicht mehr zu stoppen war, versteckte ich den Lesestoff werktags unter den Schulbüchern. Ich blieb dann von lästigen Arbeitsaufträgen verschont. Ich wuchs heran und wechselte von der Kinder-und Jugend zur Erwachsenenliteratur. “Vom Winde verweht” entführte mich in die Südstaaten Amerikas.

Als ich zur Vorbereitung meiner Ausbildung als Krankenschwester ein “Putzpraktikum” absolvierte, sorgte ein mir lieber Germanistikstudent für Literaturanregungen. Jetzt standen mir neue Leihbüchereien zur Verfügung. Sie waren immer noch katholisch, denn ich lebte in Paderborn. Die Anregungen bezogen sich jedoch eher auf so Ungläubige, wie z.B. Bertolt Brecht.

Wann ich selbst zu schreiben begann, weiß ich nicht mehr. Es werden zu Beginn wohl Tagebucheintragungen gewesen sein. Eine produktive Zeit für Gedichte begann, nachdem ich Haiku gelesen hatte. Diese Technik machte ich mir zu eigen. Im Versmaß 5 – 7 – 5 Silben hielt ich meine Natureindrücke und Erlebnisse fest. Es war erstaunlich: las ich die Zeilen Jahre später, so konnte ich mich detailgetreu an die Situation erinnern, in der sie entstanden waren.

Seit Beginn des Ruhestandes vor 9 Jahren kann ich der Passion, zu schreiben, mehr Zeit widmen. Ich besuche den Kurs “Meditatives Schreiben” bei Gundula Schneidewind und bin immer baff erstaunt, welche Geschichten ohne zur Hilfenahme des Denkens aus meiner Feder fließen. Noch nie habe ich grübelnd vor einem leeren Blatt gesessen.

Außerdem fand ich den Weg ins “Lerncafe”. Dort wird etwa 3 x im Jahr eine Onlinezeitung für Senioren, unter einem bestimmten Thema, herausgegeben. Auch dort mangelt es mir niemals an Ideen.