Maria von Maltzan: Soziales Engagement für die Menschen und Tiere

von Roma Szczocarz

„In einer Welt voller Konflikte, einer Welt von Opfern und Henkern, ist es Aufgabe der denkenden Menschen, nicht auf der Seite der Henker zu stehen.“
Albert Camus, französischer Literatur- Nobelpreisträger                                                                    


Kindheit auf Schloss Militsch
Marias gute Herkunft und auch ihr freundlicher Umkreis garantierten eine sorglose Kindheit. Maria Gräfin von Maltzan wurde als jüngstes von sieben Kindern auf Schloss Militsch in Schlesien (nicht weit von Breslau) geboren. Sie hatte viel Bewegungsfreiheit auf dem großen Besitz mit Wäldern und Seen. Man kann sagen, sie wuchs ökologisch und naturverbunden auf.  Früh zeigte Maria ihre ausgeprägte Tierliebe. Sie war ein empfindliches und empathisches Kind, das sehr oft heftig auf die Schädigung von Schwächeren und Tieren reagierte.  So wie auch Albert Schweitzer sagte: “Tierschutz ist Erziehung zur Menschlichkeit. Ehrfurcht vor dem Leben bedeutet Abscheu vor dem Töten.“

Auf dem Weg zum Wissen: Schritt für Schritt
Zuerst war die Schule in Militsch, dann ging Maria auf ein Internat in Warmbrunn. Sie wollte unbedingt das Abitur machen, um studieren zu können – ihr Plan war es, Tierärztin zu werden. Von Anfang an war sie spontan und unabhängig, und so wechselte Maria ohne Wissen der Mutter auf die naturwissenschaftliche Oberschule in Berlin- Kreuzberg. Hier machte sie 1927 das Abitur und konnte so ihre Pläne realisieren. Zunächst begann sie in Breslau und München mit dem Studium: Zoologie, Botanik und Anthropologie. Zu Ende 1933 promovierte sie bei Reinhard Demoll in Fischereibiologie in Berlin.

Aufregendes Leben in Münchens Boheme
Nachdem sie in Fischereibiologie promovierte hatte, reiste sie 1934 mit einem Freund im Auto über Frankreich und Spanien nach Afrika: Ein Jahr durch Nordafrika und zurück auf den Spuren ihres Vorfahren Heinrich von Maltzan. Die Eskapade dauerte ein Jahr. Sie kehrte nach München zurück und lebte in Boheme-Kreisen sehr intensiv. Maria nahm an den endlosen, gesellschaftlichen Affären teil.  1935 hatte sie den Kabarettisten Walter Hillbring kennen gelernt, dann heiratete sie ihn. Die Ehe hielt nur ein Jahr. Man kann sagen, das war für sie eine intensive und stürmische Zeit.

Zusammenarbeit mit Widerstandsgruppen
Ihre aktive Teilnahme am Boheme-Leben störte sie nicht an der Zusammenarbeit mit Widerstandsgruppen. Schon früh hatte die politisch interessierte Maria von Maltzan die heraufziehende Gefahr der Nazi- Diktatur erkannt. Schon in München nahm sie Kontakt mit dem Jesuiten Friedrich Muckermann auf, der eine katholische Widerstandsgruppe leitete und bot ihm ihre Hilfe an. Ab 1933 begann sie Schritt für Schritt: Zuerst machte Maria beim Roten Kreuz eine Ausbildung als Vorhelferin. So konnte sie nach dem Kriegsausbruch 1939 zum Suchdienst des DRK einziehen. Bald begann sie in Berlin ein Studium der Veterinärmedizin, das sie mit dem Staatsexamen abschloss. Damals arbeitete sie als Praxisvertretung und beim Tierschutzverein.

Spektakuläre Rettungsaktionen
In Berlin hielt Maria Kontakt mit der Schwedischen Kirche – „Aktion Schwedenmöbel“- und durch die Zusammenarbeit verhalf sie von Nazis Verfolgten zur Flucht. Zum Beispiel besorgte Maria falsche Pässe oder ein anderes Mal führte sie die Flüchtenden durch die Kanalisation von Berlin. Heute sieht man manche Fluchtaktionen wie die Bilder vom Film und wie die Flucht über den Bodensee. Maria von Maltzan gehörte zu den Fluchthelfern um die Diplomatenwitwe Hanna Solf. Einmal beteiligte sie sich als geübte Schwimmerin an einer Rettungsaktion, bei der Juden schwimmend über den Bodensee an die Schweizer Grenze gebracht wurden. Ihr Engagement gegen den Nationalsozialismus war nicht an eine politische Couleur gebunden. Maria half jedem, der solche Hilfe brauchte: Auch Kommunisten vom Kreisauer Kreis.

Kriegsschicksal: Liebe und Tod
„Und wissen sie, die Zeit war zu schlimm, um sich gerne daran zu erinnern“: Zitat aus einem Interview mit Maria von Maltzan, doch es war auch Liebe und dauernde Lebensgefahr. Gefährlich war die Zeit ab 1942, als sie mit ihrem Freund und späteren Ehemann Hans Hirschel verbunden war. Ihr Lebenspartner war Jude, den sie ab 1942 versteckte. In den Bettkästen der Schlafsofas. Außer ihm versteckte sie gleichzeitig noch zwei weitere Juden – zusammen im Bettkasten. Während dieser Zeit starb ihr um einen Monat zu früh geborenes Kind als durch einen besonders schweren Bombenangriff ein Stromausfall den Brutkasten traf, in dem der Säugling lag. Bald nach den tragischen Erfahrungen adoptierte Maria zwei kleine Mädchen, die das Kinderlager überlebt hatten. Bis Ende des Krieges half Maria von Maltzan aktiv und empathisch bei den Flüchtlingen und Deserteuren. Sie organisierte eine private Küche für Zwangsarbeiter. Was interessant ist, denn diese Suppenküche befand sich auf dem Hinterhof ihres eigenen Hauses.

Kriegsende: Neue Chancen
Zuerst heiratete Maltzan 1947 Hans Hirschel. Leider war die Ehe schon 1949 „zerstört“ – zerstört an Marias Sucht von Drogen und Tabletten. Wegen ihrer Drogensucht wurde sie mehrfach in die Psychiatrie zwangseingewiesen.  Die Konsequenz war: Sie verlor ihre Approbation und ihre Tierarztpraxis. Die Jahre danach verbrachte sie in ganz Deutschland, arbeitete als Vertretung in Veterinärpraxen, im Zirkus und im Zoo. Es wurde aber nur schlechter, die Spirale drehte sich abwärts. Ehrlich gesagt, ein tragisches Schicksal, Einsamkeit und Verlust der Zulassung als Tierärztin, Sozialhilfe waren zu viel für eine Frau. Aber Maria eroberte sich ihr Leben zurück: 1972 folgte eine zweite Ehe mit Hans Hirschel, dann eine eigene Praxis.

Endlich erhielt sie doch die verdiente Würdigung: als Gräfin, Tierärztin, Judenhelferin und einfach guter Mensch
Nach dem Tod ihres Mannes 1975 gründete sie eine Tierarztpraxis am Kurfürstendamm, mit der sie 1983 nach Kreuzberg umzog. Hier etablierte sie einen Anlaufpunkt für gesellschaftlich ausgegrenzte Tiere und Menschen, wie Punks und ihre Hunde. Sie drückte das so aus: „Meine Praxis ist zwar nur klein, aber ich bin in diesem Viertel geachtet, und habe mich mit der sehr bunten Jugend, den Punks und Alternativen, großartig arrangiert.“

1987 erhielt Maria von Maltzan von der Holocaust- Gedenkstätte Yad Vashem den Ehrentitel “Gerechte unter den Völkern“.

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Dirk Ingo FrankeCC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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