Anders schreiben: Die digitale Zukunft ruft!

von Peter Schallock

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Der macht auch vor unseren alten Kulturtechniken nicht halt; auch nicht vor der Technik des Schreibens, um die es in dieser Ausgabe geht. Und oft ändern sich die Dinge ganz allmählich und unbemerkt. Erst kürzlich, als es darum ging, einen längeren Text handschriftlich anzufertigen, wurde mir angesichts der unerwarteten Mühen bewusst, wie sehr ich aus der Übung war.

Na ja, man geht eben mit der Zeit. Und nein, ich bedauere es nicht, daß ich jetzt lieber „digital“ als mit der Hand schreibe. Denn bei mir begann die Liebe zum Schreiben erst, als der Computer in meinen Alltag einzog.

Des einen Wahl, des anderen Qual

Wenn Sie schon ein wenig in dieser LernCafe-Ausgabe geblättert haben, dann wissen Sie bereits, dass unser(e) Autor*innen allesamt passionierte Schreiber*innen sind. Mich schließe ich selbstverständlich ein, sonst würden Sie diesen Text hier nicht finden (und hoffentlich auch lesen). Bei so manchem meiner Kolleg*innen ist die Freude am Schreiben bereits in frühen Jahren entstanden – eine Freude, die sie lange, ja bis in die Gegenwart, wie ein kostbares Pflänzchen gepflegt und gehegt haben. Die oft dazu führte, dass wichtige Lebensereignisse in Tagebüchern, Aufsätzen, Briefen, vielleicht sogar in literarischen Arbeiten verewigt und mitgeteilt wurden. Dass das Schreiben eben ein höchst angenehmer lebenslanger Begleiter war.

Nach viel wohlschmeckendem Wein Zeit für ein kleines Schlückchen Leitungswasser? Aber keine Bange, so trist wird es nicht. Gleich werden Sie verstehen, was ich meine. Mir ging es nämlich durchaus nicht so.

Ich kann mich erinnern, dass ich ganz gerne Aufsätze schrieb, und die waren wohl auch gar nicht so schlecht. Manchmal konnte ich die Begeisterung meiner Lehrer*innen für ein bestimmtes Thema allerdings nicht nachvollziehen. Dann blieb das Ergebnis eher mager.

Bild von Dariusz Sankowski auf Pixabay

Im Gegensatz zu meinen Altersgenossen trieb ich mich bereits in jüngsten Jahren in Büchereien herum – vielleicht rührt meine Vorliebe für Literatur daher. Diese Vorliebe schloss die bekannten gelben Heftchen mit ein, die wir später im Unterricht lasen. Allerdings blieb es ja nicht beim Lesen, die Texte mussten auch noch analysiert werden. Was ich dann eher nervig fand. Vielleicht war ich ja bereits damals eher der „Genussmensch“. Und nein – auch wenn es manche enttäuschen mag – die Schule hat meine Freude am Schreiben nicht unbedingt gefördert.

Natürlich ging es mit der „Tätigkeit des Schreibens“ während meiner kaufmännischen Ausbildung und danach im Beruf noch weiter. Besonderen Spaß hat mir das das allerdings nicht gemacht. Texte waren ja nicht mehr als Mittel zum Zweck, technisch und sachlich gehalten und alles andere als Poesie.

Und so verlor ich ein wenig die Lust am selbstgeschriebenen Wort. Was sich erst spät wieder ändern sollte:  Als ich auf meinem Computer längere Texte verfassen musste, und wiederentdeckte, dass ich trotz des professionellen Rahmens einen gewissen Spielraum beim Gebrauch von Sprache hatte.

Dass man mit Worten, ja mit Sprache spielen konnte.

Wenig später kam ich über das Internet mit Menschen in Kontakt, für die Schreiben eine Leidenschaft war. Und dann war es um mich geschehen. Da sage noch einer, Computer wären ausschließlich Gift für die menschliche Kreativität!

Anders schreiben

Lassen wir mal jene beiseite, die aus beruflichen oder schulischen Gründen tagtäglich schreiben müssen, oder für die das Schreiben – siehe oben – reinste Freude darstellt. Wer bleibt? Richtig:  Jene Zeitgenossen, die ein eher nüchternes Verhältnis zu dieser wundervollen Kulturtechnik haben und dennoch regelmäßig Handschriftliches produzieren.

Mal muss eben was schnell notiert werden, irgendwann dann doch noch die Geburtstagskarte oder der lange überfällige Brief an Freunde oder Verwandte geschrieben werden, die – unglaublich – noch immer keine E-Mail benutzen. Womit wir endlich beim eigentlichen Thema wären.

Heute schon „gesimst“?

Schreiben geht heute oft ganz anders. Besonders, wenn man mal wieder keine Zeit hat, aber unbedingt noch eine Nachricht verschicken muss. Dann wird es kurz und knapp, und für den ungeübten Zeitgenossen am anderen Ende möglicherweise leider völlig unverständlich.

Wer mit jungen Menschen Textnachrichten per Telefon austauscht, kann ihnen gar nicht entgehen: Kurzen Mitteilungen, höchst eigenartig aus Buchstaben und Ziffern zusammengesetzt. Da überrascht es überhaupt nicht, dass man erst mal nicht mal mehr Bahnhof versteht.

Natürlich ist Ihnen der Begriff „SMS“ geläufig. Wer ein modernes Mobiltelefon sein Eigen nennt, der kennt die Vorteile dieser Nachrichtenart. „SMS“ ist die Abkürzung für „Short Message Service“. Obwohl ich den Dienst ständig nutze, musste ich erst mal im Internet stöbern, um zu erfahren, was das Kürzel überhaupt bedeutet. Hätten Sie es gewusst?

Für das Versenden von Nachrichten per SMS gibt es gleichfalls die passende Bezeichnung: Man „simst“, verschickt also, wie schon gesagt, aus Buchstaben- und Zahlenfolgen zusammengesetzte kurze Nachrichten. Dahinter können sich (manchmal) ganze Sätze verbergen. Die eben nur von jenen verstanden werden, die die Bedeutung dieser ganz besonderen Zeichenfolgen kennen, fast wie eine Geheimschrift halt. Es mag Sie überraschen, dass der Begriff bereits 2004 erstmals im Rechtschreibduden erwähnt wurde.

HDL (Hab dich lieb)! IDA (ich dich auch)!

Vielleicht werden Sie jetzt einwenden, dass es sich dabei gar nicht ums „Schreiben“ handelt. So mancher wird den Jungen, die besonders gerne „simsen“, gar Sprachfaulheit oder grausamste Sprachverstümmelung vorwerfen. Die auf Orthografie und Grammatikregeln keinerlei Rücksicht mehr nehmen!

Die spielen aber, Sie wissen es natürlich, in diesem Umfeld überhaupt keine Rolle. Bei aller Kritik, die ich übrigens anfangs durchweg geteilt habe: Kommunikation ist hier eben auf das Wesentliche reduziert – und das sind für die Autoren dieser Mitteilungen eben die Inhalte.  Die eben besonders schnell, aber eben kurz und knapp übermittelt werden, was zweifellos ungeheuer effizient ist. Sicherlich in einer recht eigentümlichen Form, die jedoch gerade beim Nachwuchs längst zu einer Art Alltagssprache beim Senden von Nachrichten geworden ist.

Es wird aber noch ein wenig komplizierter.  Hinter vielen Abkürzungen verbergen sich, nicht überraschend, Anglizismen. Viele englischsprachige Begriffe haben sich ja längst ins Deutsche eingeschlichen, zuweilen mit völlig anderer Bedeutung als im Original. Bekanntes Beispiel ist das Wort „Handy“, was im englischen Original eigentlich „praktisch“ oder „nützlich“ bedeutet.

Zweifellos wird manchmal ein wenig übertrieben.  „Yuppies“, die sich besonders „hip“ wähnen, bedienen sich in unbekümmerter Unbeschwertheit Anglizismen: „No problem at all!“ Das (oder der) „Event“ findet in einer bestimmten „Location outdoor“ statt, und ich komme, wenn der „Workload“ im „Home Office“ nicht zu hoch ist. Thanx!

Für Liebhaber der deutschen Sprache ist das zweifellos alles nur noch schrecklich.

4U and 4E

Doch ich schweife ab, also zurück zum „Simsen“. Ein paar kurze Kostproben gefällig? Die Nachricht mit dem höchst privaten Inhalt ist natürlich ausschließlich „4U”. Unsere Liebe oder Freundschaft ist “4e”, und überhaupt, was soll´s, da „yolo”. Zum Abschied noch schnell xxx.

Geheimnisvoll? Nicht wirklich! Und kurz obendrein.

Die Erklärung finden Sie am Ende dieses Textes. Im Internet gibt es übrigens mittlerweile ganze Verzeichnisse von SMS-Abkürzungen.

Ich gestehe, ich bewundere zuweilen die jungen Leute, die in atemberaubender Geschwindigkeit mit zwei Fingern ihre Nachrichten in ihr lebensnotwendig gewordenes Telefon hämmern. Wer so fix ist, hat offensichtlich keine Zeit und noch weniger Lust, Wörter oder Sätze auszuformulieren. Trotzdem: Das muss man erst mal können. Ich übe noch, mit zuweilen zweifelhaftem Erfolg. Manchmal erhalte ich als Antwort auf eine von mir verschickte Nachricht eine SMS, die nur aus einem Fragezeichen besteht. Wahrscheinlich ahnen Sie, warum.

Gestern war alles anders?

Sie fragen sich, was ein paar Sätze über solche neumodischen Kurznachrichten in einem Journal zu suchen haben, in dem es um das Schreiben geht? Schreiben, dass doch für die meisten Menschen der sorgfältige und sensible Umgang mit unserer wunderbaren, kraftvollen deutschen Sprache bedeutet, sichtbar in möglichst eleganten Sätzen und Formulierungen, die beim Empfänger während des Lesens schon mal ein durch und durch wohliges Gefühl auslösen?

Ich will hier gar keine Lanze für das „Simsen“ brechen. Aber es gibt es nun mal, und erfreut sich scheinbar zunehmender Beliebtheit. Höchste Zeit also, sich damit zu befassen.

Man lebt ja schließlich nicht in einer Höhle, und ist auch nicht von gestern.

Überhaupt: Man schreibt heute eben anders, und eben immer seltener mit Kugelschreiber, Bleistift oder gar Füllfederhalter! Achten Sie beim nächsten Einkauf im Supermarkt mal darauf, wie viele Leute auf ihr Telefon starren und vermutlich dort ihre Einkaufliste prüfen, bevor sie Eier, Kartoffeln oder Blumenkohl in den Einkaufswagen legen. Emails müssen nicht frankiert und auch nicht zum nächsten Briefkasten gebracht werden. Und noch bequemer ist eben die schnelle SMS, aber das hatten wir ja schon.

Vielleicht stimmen Sie mir zu: Technik und neue Kommunikationsformen können unser Leben vereinfachen. Warum sollte man also Verzicht üben?

Es gibt auch Grenzen

Sicher: Diese ganzen neuen Medien bieten viele Möglichkeiten, aber eben auch Risiken. Denn viele, hauptsächlich jüngere Menschen, beschränken sich längst nicht nur darauf, sich digital mit der Freundin zu verabreden.

So mancher offenbart auf Seiten wie Facebook jedem, der eingeladen ist (oder manchmal auch nicht), was früher in einem Tagebuch wahrscheinlich besser aufgehoben war. Was nicht nur höchst peinlich, sondern durchaus auch schon mal riskant sein kann, wie man weiß. Denn natürlich kennt keiner all die vielen digitalen Freunde persönlich, die man praktisch über Nacht gefunden hat, und mit denen man auch sehr persönliche Dinge austauscht. Wer kann da möglichen Missbrauch ausschließen? Ganz zu schweigen davon, dass die sogenannten Sozialen Medien der Entwicklung von sozialem Verhalten nachweislich nicht unbedingt förderlich sind, ganz im Gegenteil.

Und der Öffentlichkeit mitteilen, was ich gerade mache, oder vor fünf Minuten gedacht habe, nein, das muss wirklich nicht sein.

Es kann sogar Spaß machen

Solche Risiken sehe ich natürlich beim „Simsen“ nicht – Vertrauliches gehört meiner Meinung nach sowieso nicht in eine SMS.  Dafür finde ich es mittlerweile recht witzig, auch dank meiner regelmäßigen Pannen. Alles halb so schlimm, da heißt es, gelassen zu bleiben. Klar, Perfektionisten und Ästheten sind hier falsch.

Und auch sonst, wenn es ums Schreiben geht: Es darf gerne digital sein. Formales versende ich, wann immer es geht, mittlerweile fast immer per E-Mail. Selbst Persönliches notiere ich auf meinem PC. Und natürlich ist auch dieser Text dort entstanden. Geht eben alles schneller. Sie wissen ja: „Time is (manchmal) money!“ Wer hat die schon unbegrenzt?

Und die traditionellen Schreibutensilien? Ich habe kurz überlegt, wann ich noch auf Bleistift oder Kugelschreiber zurückgreife. Viel ist mir ehrlich gesagt nicht eingefallen. Neben meinem Telefon liegen Kugelschreiber und Papier, um mal eben Wichtiges notieren zu können. Markiere ich in einem Buch eine Zeile, dann nehme ich einen Bleistift, weil ich den Eintrag wieder ausradieren kann. Noch benutze ich Kugelschreiber und Blöckchen für meine Einkaufsliste. Und manchmal muss man ja auch noch „richtig“ unterschreiben. Obwohl:  Die „E-Signature“, (die elektronische Unterschrift) ist ja bereits überall auf dem Vormarsch…

In diesem Sinne

Thx, bb, cu !

Erklärungen:

SMS: Short Message Service language, textspeak oder texting language ist die abgekürzte Sprache und Umgangssprache, die üblicherweise für Textnachrichten über Mobiltelefone oder andere internetbasierte Kommunikation wie E-Mail und Instant Messaging verwendet wird.

(Quelle: Wikipedia)

4u: for you/ für dich

4e: for ever / für immer

yolo: you only live once / man lebt nur einmal

thx: thanks / danke

bb: byebye / tschüss – bis bald

cu: see you / bis bald – man sieht sich