Mein Hobby: Musik, vor allem Singen im Chor

von Dorothee Durka

Da Capo…: So fing es an

Es fing schon in meiner Gymnasialzeit an, in den fünfziger Jahren. Da ich wohl eine gute Stimme hatte und durch den Klavierunterricht auch Noten lesen konnte, landete ich bald im Schulchor.

Mit 15 – 16 Jahren trat ich auch in den Kirchenchor ein, der dank einem jungen Leiter an der Hauptkirche meiner katholischen Heimatstadt ein anspruchsvolles Programm bot. Bis zum Weggang zum Studium nach Freiburg 1961 war ich dort gern aktiv.

Der Weg zum Freiburger Bachchor

Kurz vor meinem Weggang nach Freiburg hatte ich die Mutter meines damaligen Freundes kennengelernt, eine Sängerin, die mir begeistert von den Werken erzählte, die sie schon gesungen hatte. Vor allem war sie sehr angetan von der Bachschen h-moll-Messe, die sie mit dem Frankfurter Rundfunkchor unter Günter Ramin (+ 1956) gesungen hatte. Obwohl ich Klavier- und Gymnasialschülerin war, sagte mir dieses Werk nichts. Aber die Begeisterung der Frau steckte mich so an, dass sich mir der Name dieses Werks tief einprägte.

Im Freiburger Bachchor

Als ich 1961 zum 1. Semester in Freiburg ankam und mich in der Uni umschaute, entdeckte ich ein Plakat des Freiburger Bachchors mit der Ankündigung, dass dieser die h-moll-Messe proben wolle und dafür neue Sänger*innen suchte. Welche Freude und Überraschung: die h-moll-Messe, von der ich regelrecht schon geträumt hatte. Es war klar, dass ich in diesen Chor eintreten würde. Er stellte hohe Ansprüche an den Zeitaufwand: Einen Abend Probe für Sopran (das war ich damals noch) und Tenor, einen Abend für den gesamten Chor. Dazu bot sich an, an Proben für das Magnificat von Bach teilzunehmen, das in den Ferien im Elsass aufgeführt wurde und mit dem wir eine Rundfunkaufnahme machten.

‚Nebenbei‘ konnte man noch fürs Theater das Verdi-Requiem proben und mitsingen. Auch da war ich dabei.

Außerdem probten wir das Weihnachtsoratorium, das ich Weihnachten in meiner Heimatstadt im Fernsehen anschauen konnte, und die Matthäus-Passion für eine Reise nach Paris. Leider konnte ich daran nicht teilnehmen, weil ich um diese Zeit mein Graecum ablegen musste.

Chorsingen in München

Nach drei Semestern wechselte ich nach München. Dort fand ich im Vorlesungsverzeichnis die Ankündigung einer Vorlesung über die h-moll-Messe im Vergleich mit Beethovens Missa Solemnis (die ich später auch noch singen durfte). Klar, dass ich diese Vorlesung besucht habe. Interpretationen aus dieser Vorlesung begleiten mich noch heute beim Hören dieser Werke.

In München gab es den berühmten Bachchor unter der Leitung von Karl Richter. Dorthin habe ich mich aber nicht getraut, weil man hörte, dass strenge Aufnahmebedingungen herrschten. Aber ich habe fast alle Aufführungen dieses Chores in meinen vier Münchner Jahren besucht.

Singen konnte ich aber im Uni-Chor. Es waren kleinere Werke. Besonders erinnere ich mich an eine Reise nach Skandinavien, wo wir in Helsinki und Uppsala gesungen haben. Auch das ein schönes Erlebnis dank meinem Hobby.

Pause beim Chorsingen

Gegen Ende des Studiums, in der Referendarzeit in Tübingen, während meiner ersten Stelle in Geislingen und nach dem Umzug nach Ulm 1971 konnte ich mich nur passiv an der Musik, meist an Chorkonzerten, erfreuen.

Neustart in Ulm

Als die Ulmer Kantorei 1973 ankündigte, die h-moll-Messe zu proben, habe ich wieder angefangen, auch wenn es oft schwierig war, mit zwei kleinen Kindern von einem Vorort immer zum Proben zu kommen. Nach der Aufführung in Ulm – für mich nach 11 Jahren wieder – fuhren wir zu Aufführungen nach Bologna und Piacenza, wo wir vor vollen Kirchen sangen und großen Beifall erhielten. Ein schönes Erlebnis!

Inzwischen habe ich die h-Moll-Messe 13-14-mal gesungen, fast jedes Mal mit neuen Probenphasen, sodass ich ganze Teile bis heute noch auswendig kann.

Fast alle großen Werke der Musikliteratur!

Mit der Ulmer Kantorei – und ein paar Jahre lang zur Abwechslung mit einem anderen Chor – habe ich in 45 Jahren, wie ich glaube, fast alle großen Werke der Musikliteratur gesungen, etliche auch mehrfach.

Es würde zu weit führen, diese alle aufzuzählen. Nur ein paar Beispiele:

Händel: Messias, Judas Makkabäus, Israel in Ägypten;

Haydn: Schöpfung, Jahreszeiten, Messen;

Mozart: c-Moll-Messe, Requiem; Brahms: Requiem;

Beethoven: Missa Solemnis, 9. Symphonie, Messe C-Dur; Chorfantasie;

Bach: Weihnachtsoratorium, Johannes-, Matthäus- und Lukas-Passion; Kantaten.

Janaçek: Glagolitische Messe; Honegger, König David;

Mendelssohn, Elias und Paulus;

auch weltliche Musikliteratur, z. B. Carmina Burana (Orff), Acis und Galatea (Händel), Dido und Aeneas (Purcell), Zigeunerlieder (Brahms), Aida mit dem Theaterchor in 17 Aufführungen (mehr unter www.ulmer-kantorei.de).

Singen in der Wieskirche

Im Jahre 2002 wurde ich durch Bekannte auf die Werkgemeinschaft Musik aufmerksam gemacht, die jeden Sommer fünf Musik-Projektwochen im Tagungshaus der kath. Landvolksschule Wies anbietet. Gegen Ende des Vorjahres bekommt man das Programm der fünf Wochen, kann sich ein Programm und einen Termin aussuchen, sich anmelden und hoffen, angenommen zu werden. 12 Mal habe ich solche Wies Wochen mitgemacht mit vielen schönen Werken: z.B. Brahms, Schicksalslied; Mendelssohn, Lauda Sion und Lobgesang; Dvorak, Tedeum; Fauré, Requiem. Einige Werke kannte ich schon, da war ich froh, Neulinge mitziehen zu können. Etwas ganz Besonderes, aber schwierig waren die Chichester Psalms von Bernstein, gesungen in hebräischer Sprache. Das Ziel und der Höhepunkt jeder Woche: Am Ende gab es eine Aufführung in der wundervollen Wieskirche, die immer voll besetzt war.

Wunderbar war nicht nur die Musik dort, sondern auch das ganze Ambiente: die umgebende Landschaft, die gute Versorgung in dem Tagungshaus, die netten Referent*innen und Teilnehmer*innen. Dort war ich 2016 zum letzten Mal, bevor meine Stimme etwas nachließ.

Was noch dazukam

Es war ja nicht nur das Singen, das Freude machte, sondern auch das Zusammensein mit Gleichgesinnten („wo man singt……“). Die Fahrten nach München, Augsburg, Meiningen, Jena, Dresden, Prag, Budapest, Wien, Bologna, Piacenza, Florenz haben viel Freude gebracht. Außerdem habe ich mich in der Ulmer Kantorei 20 Jahre lang als gewähltes Mitglied des Vorstands engagiert, z. B. bei der Planung der Konzerte, der Verwaltung der Mitglieder, bei Kontakten mit einem Freundeskreis…

Außerdem habe ich 1999 eine Jubiläumsschrift zum 60-jährigen Bestehen der Kantorei (davon 50 Jahre mit Albrecht Haupt) redigiert (Foto).

Seitensprünge zu anderen Chören

Ca. 20 Jahre war ich auch im Kirchenchor meiner Heimatgemeinde Thalfingen. So lernte ich auch ‚kleinere‘ Kirchenmusik kennen, viele Messen und Motetten. Ab und zu war ich auch bei anderen Chören zu Gast, bei der Wiblinger Kantorei, in Neu-Ulm im evgl. und kath. Chor, in einem Kirchenchor in Ulm und bei Projektchören.

Was nicht so gut klappte

Sicher habe ich bei den Aufführungen kleine Fehler gemacht, es ist unwahrscheinlich, dass man bei Hunderten oder manchmal sogar Tausenden von Noten alles richtig macht, das fängt der Chor auf, aber bei zwei Werken habe ich nicht die gewünschte Perfektion erreicht: Bei Strawinsky, Psalmensinfonie, und bei Noll, Go down, Moses, einem modernen Werk, das wir zum Katholikentag in Ulm 2004 aufgeführt haben. Aber ich glaube, das ist nicht weiter aufgefallen. Den Prozentsatz dieser beiden Werke im Vergleich zu den vielen gelungenen habe ich noch nicht ausgerechnet!

Zwei Ereignisse am Rande

1997 waren wir auf Einladung einer Konzertagentur in Prag und sollten das Brahms-Requiem singen. Die Agentur wollte das Orchester stellen. Wir hatten schon eine gemeinsame Probe, aber kurz vor der Aufführung sahen wir, dass die Musiker ihre Instrumente einpackten und nach und nach weggingen. Den Grund dafür wussten wir nicht. Später stellte sich heraus, dass der Vertrag zwischen Agentur und Musikern nicht in Ordnung war und dass sie sich deshalb weigerten zu spielen. Das Publikum war schon anwesend. Die Rettung war ein Mitsänger, von Beruf Diplom-Ingenieur, der als Korrepetitor das Werk mit uns geprobt hatte, den Klavierpart mithin gut kannte und am Klavier das ganze Werk begleitete. So war unser Auftritt gerettet, unsere Fahrt nach Prag nicht vergebens, und unser Chorgesang kam auf jeden Fall besser zur Geltung als mit Orchester.

2017 fiel in letzter Minute der vorgesehene Bass-Solist für das Weihnachtsoratorium aus. Fieberhaft wurde nach Ersatz gesucht, den man in einem Chorsänger des Ulmer Theaters fand – im Fitnessstudio. Zum Umkleiden hatte er keine Zeit mehr. So stand er mit 15 Minuten Verspätung in Räuberzivil neben den anderen festlich gekleideten Solisten, was aber seiner Leistung keinen Abbruch tat.

….Al Fine 2018

Im Rückblick kann ich kaum fassen, wie viel Zeit ich mit Musik und speziell mit Singen und dem Drumherum verbracht habe. Aber es war ein schönes Hobby mit einer wundervollen Tätigkeit und mit Kontakten zu vielen netten Menschen und sehenswerten Orten.

Das war mein letztes Konzert Foto: Dorothea Durka

Der Dirigent der Ulmer Kantorei hatte 59 Jahre lang den Chor geleitet. Inzwischen war er 88 Jahre alt und hätte wahrscheinlich auch noch seine Arbeit fortgesetzt, aber der Chor war der Meinung, dass wir ihn überfordern würden. So wurde seine Stelle ausgeschrieben, und es kam eine Dirigentin. Um diese Zeit war ich 79 Jahre alt, meine Stimme hatte sehr nachgelassen, und im Alt, wo ich schon lange Zeit zuvor gelandet war, gab es – wie fast überall in Laienchören – genug Frauen. Deshalb habe ich zu diesem Zeitpunkt mit der Lukas-Passion von Bach auch meinen Schlussstrich gezogen. Danach habe ich aber alle Konzerte mit ‚meinem‘ Chor besucht – bis er wegen Corona zum Schweigen verurteilt wurde und darauf hofft, endlich wieder auftreten zu dürfen.