von Beate Seelinger
Seit über einem Jahr habe ich meinen Fernsehapparat nicht mehr eingeschaltet. Damit mache ich mich wahrscheinlich zur Außenseiterin. Ich war entnervt vom Programm, kannte die Eisbären und Pinguine in den Tierreportagen mit Vor- und Zunamen, mag Krimis nur sehr selten und sehne mich am Abend nicht immer nach politischen Talks. Ich war „fed up“, abgefüttert, wie der Engländer so schön sagt, von einem Fernsehprogramm, das dadurch glänzt, dass es sich kontinuierlich wiederholt, und dem es an Neuheiten schmerzlich mangelt. So beschloss ich, mir selbst Abstinenz aufzuerlegen, damit ich zu einem späteren Zeitpunkt den Ausstrahlungen wieder aufgeschlossener folgen könnte. Ich vermisste nichts. Es kam der Sommer, da spielt sich das Leben sowieso mehr auf der Terrasse und im Garten ab. Und was macht man im Frühjahr, im Herbst und im Winter? Man besinnt sich auf seine Hobbys.
Schreiben als Hobby: Das Gedanken-Archiv
Wie ich dies schreibe, bewege ich mich schon inmitten eines meiner liebsten Steckenpferde. Würde ich nicht gerne Texte und Geschichten schreiben, würden Sie nicht lesen, was Sie gerade lesen. Ja, ich schreibe gern, bin Mitglied in einem Workshop zu kreativem Schreiben, verarbeite aber auch gern für mich selbst so alles Mögliche, was mir widerfährt und widerfuhr, in Geschichten. So kann ich die großen und kleinen Events in meinem Leben konservieren und, wie ich will, immer wieder zum Leben erwecken. Wie ein geistig-sprachliches Filmarchiv, in dem ich an trüben Tagen stöbern kann. Es gibt aber auch Texte, die eher Essays oder Gedankenspielereien ähneln. Damit mache ich mir Fragestellungen, die mich beschäftigen oder die mir auf andere Art unterkommen – zum Beispiel durch eine Einrichtung namens LernCafé – klarer und bedenke sie. Mir gefällt beides. Man denkt nach, bringt Dinge auf den Punkt und kann – im Idealfall – auch noch den einen oder anderen Leser oder Zuhörer unterhalten. Jedoch, auch wenn ich nur für mich schreibe, bereichert mich das. Ich bin dann in ganz engem Kontakt mit mir und lerne über mich, wer ich eigentlich bin. Das kann ja nicht schaden. Über andere lerne ich auch, wenn ich sie charakterisiere, oder wenn ich versuche, mir über ihre Beziehung zu mir klar zu werden. Schreiben differenziert das Denken und hebt Gegebenheiten aus dem Fluss der Gedanken hervor. Unsere Texte sind Schnappschüsse aus dem Bewusstseinsstrom. Man kann sie sogar archivieren und nach Themen ablegen. Würde man sie nicht einfangen, wären sie in den zappeligen Ideen, die unser Denken ausmachen, irgendwann verblichen oder sogar verloren. So verwalte ich Teile meiner Erinnerung und meines Bewusstseins beim Schreiben. Und das macht Spaß.
Fotografieren und Malen als Hobby: Gestalten und „im flow“ sein
Wenn wir schon von Schnappschüssen reden, gibt es da noch ein anderes kleines Hobby, das mit solchen zu tun hat: fotografieren natürlich. In keinster Weise professionell, noch nicht einmal mit einer guten Kamera. Trotzdem finden sich da gelegentlich erfreuliche Ergebnisse. Fotografieren ist wie Malen. Man sucht ein Motiv, einen Vordergrund, achtet auf die Komposition, den Bildaufbau und die Farben – es geht nur schneller. Und manchmal kann man malen, was man fotografiert hat. Und damit sind wir beim…
Malen… . Dabei handelt es sich dann wieder um ein eher ausgeprägtes Hobby. Im Gegensatz zu (meinem) Fotografieren ist es beim Malen nicht mit einem Klick getan. Malen dauert. Ich kann mir nur dann ein Bild vornehmen, wenn ich viel Zeit habe. Das will gut überlegt sein. Früher, als ich alleine wohnte, habe ich keine Ruhe gegeben, bevor ich nicht ein Blatt Papier oder eine Leinwand gefüllt hatte. Ich habe dann auf das Essen verzichtet, oder es gab Fritten mit Mayo vom Grill gegenüber. Es konnte so spät werden, wie es wollte, mir war das egal. Heute muss ich jemanden versorgen. Auch jetzt habe ich es lieber, wenn ich ein „Projekt“ abschließen kann. Ich stückele nicht gerne an, denn Malen führt im besten Fall in den „flow“, wie man es neudeutsch nennt. Das heißt, man verliert sich völlig in der Tätigkeit, „ist“ nur noch und weiß nichts mehr von der Umgebung. Von daher sind sie kleiner – die Projekte, ich habe nicht so viel aneinanderhängende Zeit. Mal in Aquarell, da muss man sowieso flink sein, jedoch neuerdings auch häufiger in Acryl. Keine gewagten Motive. Meist nach irgendeiner Vorlage (da ich die Kunst ja nicht gelernt habe), die ich jedoch während des Gestaltens so abwandle, dass das Bild letztendlich doch zu meinem wird. Meist bewege ich mich in der Natur. Im Winter herrschte die „Goldene Phase“ vor. Ich habe auf glänzender Grundierung gemalt, denn man sagt, Gold mache glücklich und helle die Stimmung auf. Natürlich habe ich nicht wirklich nur aus diesen Gründen das Gold gewählt. Der schöne Schein hat mir gerade gefallen, und die Bilder konnten meine Räume heben. Wer weiß, wie die nächste Phase aussieht. Vielleicht violett.
Malen unterscheidet sich – natürlich – wesentlich vom Schreiben. Gedanklich, meine ich. Während beim Schreiben der Geist in Hochform arbeitet, lösen sich beim Malen alle Gedanken auf. Es geht nur um das Setzen von Farben und Schatten, und im Tun warte ich auf jede neue Überraschung, die der nächste Pinselstrich bringt. Ist das Werk dann in der Phase der Vollendung und ich betrachte es aus Distanz, birgt dies den spannendsten und überraschendsten Moment. Dann nehme ich mit der Entfernung auch eine distanzierte Haltung ein und sehe mir das Bild als Außenstehende an. Die neue Schöpfung ist dann meist anders als gedacht und ich muss mich an sie gewöhnen, mich mit ihr anfreunden. Hier noch ein Strich, da noch ein Schatten, dort noch ein Fehler – und am Ende mag ich mein Bild. Mag ich es nicht, werfe ich es weg. Jedoch das überschlafe ich eine Nacht. Denn am nächsten Tag sieht das Ergebnis wieder anders aus. Mit meinen Bildern gestalte ich meine Wohnung. So ändert sich ihr Erscheinungsbild oft. Diesen Winter gab es, wie gesagt, viel Goldenes. Im letzten Sommer hat es traurigerweise oft geregnet. Ich denke, meine Sehnsucht nach Sonne und Licht brachte mich zu diesem Kolorit. Und so dämmerte es im Winter in meinen Räumen nicht lichtlos vor sich hin.
Handarbeit als Hobby: Aktive Meditation
Der Winter überhaupt. Die Zeit, in der Kreativität sich ausleben kann. Es wird früh dunkel, man bleibt meist drinnen, die Menge der Aufgaben und Pflichten reduziert sich. Und dazu womöglich noch Lockdown. Da heißt es: zurück zur Kreativität, in jeder Form! Ich musste das Handarbeiten nicht wiederentdecken, jedoch ich freute mich, in den Zeitschriftenläden plötzlich überall die in diesen Variationen lange vermissten Anleitungs- und Ideenmagazine zum Thema Handarbeit in den Regalen zu finden. Selbst Discounter bieten inzwischen Handarbeitssets an und Häkeln und Makramee sind wieder in. Ja, ich freue mich, denn kleine Mädchen erzählen mir, dass in der Schule Handarbeit nicht mehr unterrichtet wird. Vielleicht ist, bei dem Wust an Information, den die Jüngeren heute zum Leben brauchen, Handarbeit als Schulfach auch nicht mehr zeitgemäß. Ich finde es allerdings schade, wenn man Nadelarbeit überhaupt nicht lernt. Einmal handelt es sich um eine Kunst, die in Vergessenheit gerät, und – in Handarbeit liegt Meditation. Und in einer weitgehend nach außen orientierten, hektischen Zeit birgt es vielleicht einen Schatz, die eine oder andere Meditationstechnik zu kennen. Da muss der Blick gar nicht immer nach Osten gehen. Beim Handarbeiten repetiert der Geist ein bestimmtes Tun und kann entspannt fließen. Dennoch gibt es ein Muster, an das man sich halten muss und das Konzentration abverlangt. Wie in der Meditation ist Konzentration in der Entspanntheit gefragt. Handarbeit klärt den Geist, bringt Ruhe und schenkt am Ende etwas Brauchbares, das man in Händen halten kann. Das ist förderlich und befriedigend. Und letztendlich ist es schön.
Kochen als Hobby: Freude durch Genuss
Im Winter steht auch die Weihnachtszeit an. Seit eh und je ist dies die Phase, in der gewerkelt und geschaffen wird. Plötzlich handarbeiten, basteln, malen, werken und dichten wir, was das Zeug hält. Nicht nur dann, aber dann besonders, wird auch die Küche zum Ort der Kreativität. Kochen und Backen – das sind so gut wie täglich meine Beschäftigungen. Beides erweist sich nicht immer als Hobby, oft ist die Zubereitung einer Mahlzeit nicht mehr als Routine und Last. Trotzdem, wann immer ich genug Zeit habe, wälze ich Rezeptbücher und probiere neue Gerichte aus. Neuerdings fange ich auch an, eigene Ideen einfließen zu lassen. Ich liebe es, ungekannte Geschmäcker und Kompositionen auf der Zunge zu haben, und ich schätze mich deswegen glücklich. Andere berufen sich auf das, was sie kennen und was Tradition hat. Auch das ist legitim. Jedoch mit fremden Geschmacksrichtungen kann ich mir die große, weite Welt in mein kleines Heim holen. Ich denke da an Gewürze und an all die Besonderheiten, die die Supermärkte heutzutage anzubieten haben. Wenn schließlich aus all den einzelnen Zutaten ein gefälliges Gericht wird, folgt der Genuss, und dies ist die Seele dieses Hobbys. Es beginnt schon mit den Düften, die durch das Haus ziehen. Wenn ich Gelegenheit habe, entspannt und mit Ruhe zu kochen, ist auch dies eine geschätzte Liebhaberei, die Befriedigung und Freude bringt. Ich schütte mir dann nebenher einen Drink ein und höre meine Lieblingsmusik aus dem Radio. Dann ist Kochen nicht Arbeit, sondern genussvoller Akt. Und am schönsten ist es, wenn Gäste kommen, die mitessen …
Hobbys sind nicht wählerisch
Einiges konnte zum Hobby werden in meinem Leben. Nichts davon wurde wirklich perfektioniert, alles blieb im Bereich des Ausprobierens und Weiterentwickelns. Vielleicht ist es gerade das, was die Leichtigkeit und die Entspannung verleiht, die darin liegen. Es sammelt sich alles unter dem übergeordneten Begriff Kreativität. Meine Hobbys vermitteln mir kleine Fluchten aus dem Alltag, aus dem Leben sogar, während sie Leben in anderer Form bewirken. Spaß, Flow, Meditation, handfeste Ergebnisse und Genuss liegen auf ihrem Grunde, formen ihre Seele, machen ihr Wesen aus. Letztendlich denke ich, dass man aus sehr vielem, vielleicht sogar allem, ein Hobby machen kann, sofern man in einer Tätigkeit ihren charakteristischen Wert entdeckt. Selbst Putzen kann zum Hobby werden, erkennt man seine sinnbringende Natur und lässt man sich ganz auf es ein. Es ist nicht notwendig, ein Vermögen in ein Hobby zu investieren, die seelische Beteiligung ist sein Reichtum und macht es aus und genauso die Fähigkeit, beim Tun Freude zu empfinden. So gesehen hat fast jeder ein Hobby, denke ich. Es muss nicht hohe Kunst oder perfektionierte Fähigkeit sein. Ein bisschen Unkraut jäten oder wie in vergangenen Zeiten samstags das Auto putzen, tut es auch.