Der Weg ist das Ziel

Von Carmen Hill

Eines von meinen mehreren Hobbys ist Reisen. Ich liebe das Abenteuer, die Herausforderung, den Geruch der Freiheit, und dabei fremde Kulturen kennenzulernen und verschiedene Landschaften zu erkunden. Ich habe viele Abenteuer erlebt in südlichen Ländern und in Ghana, vor allen Dingen in Tunesien/Nordafrika. Ein Tunesier sagte mal zu mir, Tunesien ist jeden Tag ein Abenteuer. Wie wahr, wie wahr!

So will ich von meiner abenteuerlichen Fahrt in die faszinierende Sahara berichten.

Meine Freundin Christel, die perfekt Arabisch spricht, da sie in Hammamet schon über 40 Jahre mit ihrer Familie lebt, und ich planten, in die Sahara zu fahren.

Ein Auto hatten wir nicht. Wie kommen wir dort hin? Mit dem Zug oder mit dem Sammel- oder Überlandtaxi (Louages). Wir entschieden uns für den Zug, der sicherer ist. In aller Frühe ging es los. Wir nahmen ein 1. Klasse-Abteil, das war nur 3,00 Euro teurer. Die Fahrt von Hammamet nach Tozeur, wo wir ursprünglich hin wollten, kostete für ca. 500 km und 8 Stunden Fahrt in etwa 15,00 Euro.

Das Abenteuer begann mit dem Einsteigen in den verspäteten Zug (sind wir in Deutschland auch gewöhnt – Verspätungen). Wie sieht es denn hier aus? Sehr heruntergekommene Sitze – locker, teilweise kaputt usw.. Naja, wir hatten im vollen Zug einen Sitzplatz. Nun kam das nächste Problem! Ich muss mal! Christel meinte, lieber nicht. Es ging nicht anders (ich schreibe deshalb darüber, weil ich in vielen Büchern nie lese, dass jemand Wasser lassen muss, ich aber den Toilettenbesuch oft genauso abenteuerlich empfand auf meinen Reisen, denn das Bedürfnis Wasserlassen gehört genauso dazu wie Trinken.) So suchte ich das WC auf. Oje, oje, was ist denn das!? Wohin mit dem Wasser? Ich ließ mir halt `was einfallen. Bei der nächsten Fahrt lieber nichts trinken, nur zur Not, bevor ich vor Durst umfalle. Gut, erledigt. Das nächste Problem: aus dem funktionierenden Lautsprecher kam die Durchsage, die Fahrt endet in Sfax. Warum? Was ist los? Aha, es sind Unruhen Richtung Tozeur gemeldet. Und jetzt?

Christel und ich berieten uns. Zurück nach Hammamet? Nun, das wollten wir nicht. Ich sagte: „Wie sieht es aus, wir fahren nach Douz, in das beschauliche Oasenstädtchen am Rande der Sahara! Wir müssen in der Louages nach Gabes fahren und dann weiter nach Douz.“ Christel hatte Bedenken: „Es ist eine lange, gefährliche Strecke. Oh, lass uns doch zum Sammeltaxibahnhof gehen. Wir können dort noch entscheiden.“ Das erste Überlandtaxi war gleich Gabes! Ein Wink des Schicksals. Also Gabes! Die Fahrt war angenehm, es war ein guter Fahrer, die Angst war unnötig. Am späten Nachmittag kamen wir in Gabes an. Ja, und wo ist denn der nächste Louages-Bahnhof? 30 Minuten Fußweg. So liefen wir mit unseren Rucksäcken an den Bahnhof. Wir wollen nach Douz. Eine Louage fährt noch. „Ihr müsst aber warten, bis das Taxi voll ist.“ Das kann dauern! Dauerte auch! Irgendwann war es voll. Schnell noch auf das WC, es war sauber und es wurde aufgepasst, da es auf Bahnhöfen doch etwas gefährlich ist (wie bei uns auch). Die Fahrt ging durch eine sandige, kaum bewachsene, ockerfarbene, rötliche, von der untergehenden Sonne beleuchtete Wüstensteppe. Nur ab und zu etwas Grün.

Auf einmal ein Schild: Vorsicht, Kamele kreuzen. Schauen wir mal: Ich sehe keine! Oh doch, da bewegt sich eine dunkle Gestalt. Doch Kamele? Es waren wenige Schatten, die Nacht verschluckte schon alles, denn die Nacht ist in der Sahara schwarz. Die ca.130 km zogen sich, im Auto wurde es auch kühler. Den ganzen Tag war es angenehm warm, ideales Reisewetter und die Sonne lachte auch. „Christel, schau, Lichter. Ein Dorf oder schon Douz?“ Wir waren kurz vor dem Ziel. Das hätten wir erreicht. Nun ist es Nacht, ca. 20:00 Uhr, die Straßen spärlich beleuchtet. Was nun!? Wir brauchen ein Hotel zum Übernachten. Christel fragte auf Arabisch, wo es ein Hotel gäbe. Im Ortszentrum um den quadratisch angelegten Marktplatz gibt es mehrere. Das erste Hotel, oje, das kann es nicht sein. Weiter, nächstes Hotel. Zu! Was nun? Zur Not könnten wir außerhalb von Douz-Zentrum noch in ein Tourist-Hotel (wäre aber teuer). Lass uns noch einmal in die nächste Ecke schauen. „Schau, da – noch ein Hotel!“ Mit grünen Türen und saharagelber Hauswand. Sah freundlich aus. Es ist noch auf! „Wir haben noch Zimmer, sogar mit warmer Dusche.“ Schauen wir mal ein Zimmer an. Sehr sauber, innen rochen die Motten-Kugeln, außen über dem ringherum laufenden Balkon, der um einen rechteckigen Innenhof ging, der Duft nach Sahara, Jasmin und anderen Blüten. Jeder nahm ein Zimmer mit Frühstück, so für 4 – 5 Tage und der Preis war pro Tag ca. 8,00 Euro. Ich fühlte mich sofort wohl.

Tage in Douz / Sahara

Am nächsten Morgen und nach einem guten Frühstück, Baguette mit Marmelade und Kaffee, fragten wir an der Rezeption gleich nach einer Jeeptour nach Chott el Djerid, Tozeur, Nefta und in die Sahara. Wann geht es? Morgen! Gut! Okay! 7:00 Uhr! Es war Markttag in Douz. Früher kamen noch die Tuareg auf den Sahara-Markt Es gab auf dem Souk alles, Kleider, Schmuck, Gemüse und vieles mehr. Es war ein buntes Handeln und Feilschen und Treiben voll Lebensfreude. Ein modernes Café überragte den Marktplatz. Christel und ich gingen dann einen Kaffee trinken und setzten uns auf die Terrasse. Wir hatten über das kleine Oasenstädtchen mit seinen ockerfarbenen Häusern, derMoschee und dem Marktplatz eine Sicht bis in die Sahara. Der Himmel war glasklar und tiefblau. Was für ein Hochgefühl! Da sitzen wir nach unserer abenteuerlichen Fahrt, freuen uns, riechen den Duft von Blüten, Jasmin Safran und Sand und träumen von morgen, dem nächsten bevorstehenden Abenteuer.

7:00 Uhr. Wir sind gut gelaunt mit gutem Frühstück im Bauch. Los geht die Fahrt im Jeep, zum großen Salzsee Chott el Djerid. Es ist eine 70 km lange Fahrt über den weißgrauen, mit Salzkruste überzogenen, ausgetrockneten Salzsee. Da es morgens war, sahen wir allerdings keine Fata Morganas. Die sieht man nur in der Mittagshitze, wenn die Hitze über dem See flimmert. Weiter nach Tozeur. Dort machten wir einen Spaziergang durch die Altstadt mit ihren Lehmziegelhäusern und engen Gässchen. Mittlerweile brannte die Sonne schon vom Himmel und in den Gassen war es noch angenehm kühl. Wir wollten noch weiter um den Chott herum, noch mehr sehen, und so fuhren wir an Sanddünen vorbei Richtung Nefta, das nur 36 km von der algerischen Grenze entfernt ist. Das Oasenstädtchen hat auch eine aus Lehmziegelhäusern bestehende Altstadt. Ich wollte noch die Corbeille (=Korb) sehen. Vom Aussichtspunkt gesehen ist es ein 30 m tiefer Talkessel, der von zwei Bächen und mehreren Quellen gespeist wird. Bei dem Wasser und den Quellen ist eine üppige, blühende, duftende, bunte Vegetation. Ja, und heiß war es hier auch. Gut, jetzt wollen wir aber noch weiter. Können wir noch an die algerische Grenze fahren? Der Fahrer meinte, noch so ca.15 km, dann ist es verboten, weiter zu fahren (ohne Genehmigung). Los, lass uns fahren! Weit kamen wir nicht. Vor uns eine große Kamelherde. Die Kamelstuten säugten mitten auf der Straße seelenruhig ihre Jungen und ließen sich nicht stören. Kamele liefen auf der Straße entlang. Was für ein Erlebnis! Sahara und Kamele. Wir drehten um und fuhren wieder Richtung Douz. Durch Nefta, Tozeur und über den Chott. Unterwegs aßen wir an einem Imbiss etwas. Es war tunesisch und gut. So, jetzt noch in die Sahara, das fehlt noch, denn wir wollten nicht nur Oasenstädtchen, die mit riesigen Palmengärten umrandet waren, sehen. „Weißt du, Christel, ich war schon so oft mit Tunesiern mit dem eigenen Auto in Tunesien und auch in Ghana unterwegs und ich habe nie Palmsaft-Wein probiert! Jeder sagte immer nein, das ist nichts für Nicht-Einheimische. Kannst du unseren Fahrer fragen?“ Sie tat es. Ja, er meinte: „Schauen wir mal, nur, ihr dürft das nicht weitersagen, es ist verboten.“ Nachdem wir in der Nähe von Douz waren, ging es über einen Sandweg zu einem größeren Gebäude. „Wartet hier!“ Wir warteten. Da ich neugierig war, wollte ich schauen, wie oder was und wurde sofort wieder ins Auto geschickt. Unser Fahrer kam mit einer Flasche in der Hand. Wir durften probieren. Hm, hm, hm war der frisch gezapfte Palmsaft lecker, zuckersüß und er schmeckte nach Datteln, echt süffig. Viel bekamen wir nicht. Ins Hotel durften wir den Saft auch nicht mitnehmen (er gärt sofort). Wir bekamen trotzdem noch ein Geschenk. Die Fahrt ging noch in die weiß-gelben Dünen der Sahara. Wie staunten wir: ein Nomadenzelt, ein paar Ziegen und ein Webstuhl! Wir waren bei Halbnomaden. Ringsherum nur Sand und Wüste. Ja, das wollten wir! Den Palmsaft-Wein bekamen die Männer.

So, und wie schreibe ich weiter? Meine Gedanken sind in der faszinierenden Weite der Wüste und in Douz. Hier bei uns in Deutschland weht immer noch ein eiskalter Wind und es sieht nach Schnee aus. Corona hat uns im Griff, beraubt uns unserer Freiheit und die Sahara ist in weiter Ferne (allerdings nur ca. 2500 km über dem Mittelmeer entfernt!)

Gut, ich schreibe noch weiter. Die letzten zwei erlebnisreichen Tage füllten wir aus mit Museumsbesuch, Spaziergang durch Douz bis zu den Sanddünen, durch die Palmengärten und mit Kaffeetrinken. Douz ist für mich immer wieder eine Reise wert. Was Christel und ich dann nochmals ein wenig später unternahmen, diesmal einen Tag nur Sahara-Fahrt.

So, und nun mussten wir wieder nach Hammamet zurück. Aber wie? Bitte nicht so wie auf der Fahrt nach Douz! Nein, wir erfuhren, es fährt ein Bus direkt nach Hammamet. Preis ca. 10,00 Euro. Den nehmen wir. Pünktlich um 7:00 Uhr Abfahrt. Der Bus war pünktlich und sauber. Es war ein guter Fahrer und es wurde nur gehalten, um Mitfahrer in ihrem Heimatort ein- oder aussteigen zu lassen. Um ca. 19:00 Uhr waren wir in Hammamet, müde, glücklich und dankbar für diese wunderschönen, erlebnisreichen Tage.