Als Studentin im Kaukasus

Sonnenuntergang in Pjatigorsk; Blick auf die Stadt
Sonnenuntergang in Pjatigorsk; Blick auf die Stadt (Foto: pixabay)

von Maja Pree
Lang ist es her, dass ich mit Studenten der Technischen Hochschule „Carl Schorlemmer“ am Studentenaustausch mit der Technischen Hochschule Leningrad teilnehmen konnte und so 1975 und 1976 jeweils zu einem Arbeitseinsatz (Studentenbrigade genannt) in den Nordkaukasus fahren durfte.

Die Kurorte Pjatigorsk und Kislowodsk waren jeweils unser Ziel.

Bereits die Anreise war ein Abenteuer. Mussten doch unsere Wagen in Brest auf die andere Spurweite der Gleisanlagen in der Sowjetunion umgesetzt werden. Kiew war dann unser nächstes Ziel und der Umsteigebahnhof, von dem aus es mit der sowjetischen Eisenbahn weiterging. Reichlich zwei Tage waren wir von dort aus noch einmal unterwegs. Die Weitläufigkeit des Landes fiel uns damals auf. An den Haltestellen waren oft einheimische Bäuerinnen, die Obst und andere Lebensmittel, aber auch schöne Tücher anboten. Leider sind nur vage Erinnerungen an diese Zugfahrten geblieben. Gut erinnern kann ich mich aber an den russischen schwarzen Tee, den wir morgens bekamen. Das heiße Wasser dazu wurde in einem Samowar zubereitet.

Pjatigorsk und Kislowodsk sind beides Kurorte im nördlichen Kaukasus. In Pjatigorsk waren wir auf einer Wohnungsbaustelle eingesetzt, betonierten im Kellerbereich eines großen Wohnblockes.

Auf einer Baustelle in Pjatigorsk
Auch wir Mädchen wollten unseren Mann stehen: Studentenbrigaden (Foto: Pree)

Da unsere Unterkunft mitten in der Stadt lag, hatten wir die Möglichkeit, nach der Arbeit die Stadt zu erkunden. Pjatigorsk war ein hübscher Ort. Fasziniert hatte mich damals eine Springbrunnenanlage die mit Musik und farbigem Licht gekoppelt war und die nach Anbruch der Dunkelheit abends die Kurgäste erfreute. Heutzutage, in Zeiten von Elektronik – nichts Besonderes. Damals, 1975, war das für uns schon etwas Erstaunliches.
In Kislowodsk lebten wir über der Stadt, wahrscheinlich auf dem Hausberg. Dort hatten wir die Aufgabe, auf einem Sportplatz/Fußballfeld Steine zu lesen. Nur wir Deutschen würden das gründlich genug machen. Vielleicht klingt das jetzt überheblich. Richtig glücklich hatte uns diese Arbeit auch nicht gemacht, entsprechend war wohl auch unsere Arbeitsmoral. Aber wir zogen jeden Tag unermüdlich in breiter Reihe über das Sportfeld und lasen auch recht kleine Steine auf. Dabei konnten wir Kurgäste beobachten, die vom tiefer liegenden Kurort den Aufstieg auf den Berg geschafft hatten und nach einer Runde sich wieder an den Abstieg machten. Das war wohl damals das Fitnessprogramm für die dortigen Patienten.
Ich habe für diesen Beitrag gegoogelt. Leider finde ich nichts von einem Sportkomplex in Kislowodsk. Zwischenzeitlich sind 44 Jahre ins Land gegangen. Wer weiß, wie sich der Kurort und seine Umgebung inzwischen entwickelt haben. Die Abende haben wir mit den Leningrader Studenten verbracht und konnten so unsere russischen Sprachkenntnisse vertiefen.

Gern getrunken hatte ich das aus einer Art großem Tankwagen verkaufte Brotgetränk Kwas. Das gab es im 0,5 l-Glas damals für 5 Kopeken. Wenn dann noch ein Stand mit heißen Piroggen – egal ob mit Kraut oder Fleisch gefüllt – in der Nähe war, war die Versorgung gesichert. Oftmals waren wir auch in einer sogenannten Stolowaja essen. Sie wird jetzt im Internet als Schnellimbiss beschrieben, das trifft es auch meiner Meinung am ehesten. Als Studenten hatten wir keine hohen gastronomischen Ansprüche. Man wurde dort für relativ wenig Geld satt.

Wenn jeweils nach drei Wochen unser Arbeitseinsatz zu Ende ging, folgte noch ein einwöchiger Ausflug nach Moskau und Leningrad. Unterwegs waren wir in den beiden Städten jeweils mit der Metro. Da wir alle der Landessprache mächtig waren, war das kein Problem. Beeindruckend in Leningrad die Isaak-Kathedrale und der Newski-Prospekt, heute die Haupteinkaufsstraße von St. Petersburg. Nicht zu erfassen war der Reichtum an Kulturschätzen in der Eremitage in Leningrad. Imposant war der Besuch von Peterhof, eine Sommerresidenz von Zar Peter I. Lustig die Wasserspiele, durch die man als Besucher oftmals unverhofft nass gemacht wurde. Gut versteckt saßen in kleinen Holzhäuschen Mitarbeiter des Parks, die die Wasserspiele jeweils unbemerkt in Gang setzten. Das waren zum Beispiel Nachbildungen von Blumen (aus Metall), aus deren Blüten dann das Wasser spritzte.

Petershof bei Sankt Petersburg Blick vom Schloss zur Ostsee (Finnischer Meerbusen)
Peterhof Foto: pixabay, falco

In Moskau besuchten wir die Allunionsausstellung. Hier war damals der Pavillon mit der Raumfahrttechnik ein besonderer Höhepunkt. Die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz ist eine Augenweide. Und sehr repräsentativ ist die Moskauer Metro, die besonders prunkvoll erbaut worden ist.
Aber wie es überall ist, Reisen ist schön. Wieder zu Hause ankommen noch schöner. Wir fuhren wieder mit dem Zug nach Hause. Dort trennten sich die Wege unserer Gruppe, und nach dem Studium verloren wir uns leider aus den Augen.
1993 wurde die Technische Hochschule “Carl Schorlemmer” in Merseburg juristisch aufgelöst.