Indien – Land der sozialen Gegensätze

von Cornelia Kutter

Wenn wir an Indien denken, fällt den meisten von uns sofort das Taj Mahal, die prunkvollen Maharadscha-Paläste oder die Traumstrände von Goa ein, andererseits aber auch schreckliche Bilder, die Zeugen von bitterer Armut eines großen Teils der Bevölkerung sind.

Der erste Eindruck bei einem Indienbesuch:

Mumbai-Nariman-Hotel

Wer in Mumbai -dem früheren Bombay- eines der guten Hotels betritt, wird sogleich von purem Luxus umgeben. Teppiche, in denen man einsinkt, Kronleuchter von 6 Metern Durchmesser und überall vergoldetes Interieur.

Jedoch nur ein paar Häuserblocks und wenige hundert Meter weiter herrscht das Elend. Menschen liegen auf der Straße und haben zum Teil noch nicht einmal eine Plane zum Schutz gegen Sonne und Regen. Geschäftsleute in teuren Anzügen eilen ungerührt schnellen Schrittes an ihnen vorbei.

In der Nähe von Sehenswürdigkeiten betteln verzweifelte Mütter mit ihren Babys.

Etliche dieser Kinder wurden von ihren Angehörigen körperlich schwer geschädigt in der Hoffnung, dass sie auf diese Weise mehr Mitleid erregen.

Jeder, der das einmal erlebt hat, muss sich fragen: Wie kann der Staat so etwas zulassen?

Die heilige Kuh:

Luxus und Elend dicht beieinander

In den Innenbezirken vieler Städte herrscht quirliges Treiben: Tuk-Tuks, Roller, Rikschas, Menschen mit beladenen Handkarren, dazu die Stände der Händler und mittendrin Kühe. Diese ziehen von einem Gemüsestand zum nächsten und suchen sich die besten Teile zum Fressen aus. Niemand würde sie davon abhalten. Was den Kühen selbstverständlich gewährt wird, wird den bedürftigen Bettlern genauso selbstverständlich verwehrt. Die Kühe sind im Hinduismus heilig, weil sie die Menschen mit Milch versorgen, mit ihrem Dung Brenn- und Baumaterial liefern und als Arbeitstiere nützlich sind. Gesetze, die Menschen anderer Religionen erlauben, die Kühe zu schlachten, werden immer wieder außer Kraft gesetzt.

Reichtum einer Wirtschaftsmacht:

Einst war Indien eins der reichsten Länder der Welt. Auch heute verfügt das Land über beträchtliche Kapazitäten. Es ist Atommacht, hat international renommierteste Wissenschaftler und Nobelpreisträger und ein hohes Wirtschaftswachstum, das nicht zuletzt der IT-Branche in Bangalore zu verdanken ist. Auf der Liste der weltweiten Länder mit den meisten Milliardären rangiert es unter den ersten 10.

Eigentlich wäre hier Aufgeklärtheit und ethisch-moralisches Denken nach christlichem Verständnis zu erwarten.

Gesellschaftlich akzeptierte Armut:

Von den ca. 1,3 Milliarden Einwohnern sind 400 Millionen Analphabeten. Wie überall ist Bildung ein wichtiger Schritt aus der Armut. Aber ganz so einfach ist das in Indien nicht. Zwar ist das Kastensystem offiziell verboten und es wurde sogar ein „Dalit“ aus der niedrigsten Kaste zum Präsidenten gewählt. Dennoch wird das System vom Großteil der Gesellschaft gelebt und als unabänderliches Schicksal akzeptiert. Je niedriger die Kaste umso schlechter die Aufstiegschancen. Nach der Philosophie der Wiedergeburt im Hinduismus haben diese Menschen nichts Anderes verdient.

Nur die Arbeitskraft zählt:

Von Armut betroffen sind aber auch Teile der Landbevölkerung, Alte, alleinstehende Frauen und Kinder höherer Kasten. Die Kinder der Armen müssen arbeiten, damit die Familie überleben kann. Für Schulbildung ist da kein Platz. Außerdem fehlt heutzutage der Halt durch Großfamilien. Alte Menschen werden von ihren Angehörigen als Schmarotzer angesehen und zum Teil vom eigenen Sohn oder der Schwiegertochter misshandelt. Und Frauen ohne männlichen Versorger haben kein Einkommen und werden verachtet, sogar von ihren Kindern. Manch einer betrachtet noch heute die Witwenverbrennung als „vernünftige Lösung“.

Fortschritt und Wandel:

Eigentlich wird mittlerweile viel getan, um die Armut zu bekämpfen. So gibt es z.B. staatliche Hilfen für Arme. Leider kommen die aber meist nicht bei den Bedürftigen an, weil diese nicht lesen können und die Möglichkeiten gar nicht kennen.

Ein Fortschritt ist auch das offizielle Verbot von Kinderarbeit und das Angebot unentgeltlicher Schulbildung. Jedoch verhindert auch hier die Not die Veränderung. Deshalb engagiert sich z.B. die Caritas international mit Hilfsprogrammen, um diesen Menschen Wege in ein besseres Leben aufzuzeigen und sie bei der Umsetzung zu unterstützen.

Der Wandel vollzieht sich jedoch extrem langsam, weil die Veränderungen im Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung noch nicht angekommen sind.      

Quellen und weiterführende Links:

http://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/asien/indien/
https://www.stern.de/neon/indien–die-kuh-ist-hier-heilig—und-um-sie-tobt-ein-brutaler-kampf-7444402.html

Bild-Lizenznachweise (CC0):
https://pixabay.com/de/mumbai-nariman-hotel-bombay-indien-2369285
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