Erving Goffman: Wir alle spielen Theater

von Ute Lenke

Die soziale Welt ist eine Bühne, mit Publikum, Darstellern, Zuschauerraum, Kulissen und jeder von uns spielt darin seine eigene Rolle, die ständig wechselt, je nachdem wer seine Partner in diesem Spiel sind.
Goffman beschreibt mit der Metapher des Theaters das Funktionieren menschlichen Zusammenlebens in der Gesellschaft:

Inhalt

Dieses Buch von Erving Goffman (1922-1982) ist in der deutschen Übersetzung bereits 1969 erschienen, aber noch heute aktuell.

Erving Goffman war ein amerikanischer Soziologe, der sich mit den Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens befasste. „Wir alle spielen Theater“ ist sein erstes bedeutendes Hauptwerk.

Die Darsteller auf der Bühne dieses Welttheaters sind wir selber: Jeder von uns spielt im Leben wechselnde Rollen und versucht dabei, sich so positiv wie möglich (oder auch das Gegenteil) darzustellen. Da es aber Rollenvorbilder gibt, ist man bemüht, den Vorbildern zu entsprechen: als Vater weiß man, was man zu tun, wie man zu sein hat, als Mutter, als Lehrer(in), als Tennisspieler(in) usw.

Wie auf der wirklichen Bühne spielt man aber nicht allein, sondern im Ensemble: man nimmt auf Mitspieler mehr oder weniger Rücksicht, passt sich an, folgt den Anweisungen eines „Regisseurs“ . Das Ensemble agiert orts- und situationsbezogen, aber immer gibt es auch Außenseiter, die eine Sonderrrolle spielen, Masken tragen, ihre Geheimnisse haben, uns unsere Rollenerfüllung schwer machen.

Beurteilung

Goffman hat seine Interaktionstheorie aus zahlreichen empirischen Untersuchungen, Fallbeispielen und durch beobachtende Teilnahme entwickelt. Er räumt dennoch ein, dass die Behauptung, die ganze Welt sei eine Bühne „so abgegriffen ist, (…) daß die Leser wissen, daß sie nicht zu ernst genommen werden darf“ (S.232) Die Welt des Theaters ist eine künstliche Illusion, den Darstellern kann nichts Ernsthaftes geschehen, anders als im realen Leben. Eine Rolle, die im Theater dargestellt wird, ist nicht wirklich und hat nicht dieselben Konsequenzen, wie im realen Leben (ein Ermordeter steht nach dem letzten Vorhang wieder auf und verneigt sich – ein Toter im Leben ist und bleibt tot). Die Techniken der Selbstinszenierung sind jedoch gleich: Verkleidung, Masken, Gestik, Mimik, Sprache werden bewußt eingesetzt. Der englische Originaltitel des Buches heißt deshalb wohl treffender: The Presentation of Self in Everyday Life.

Links

Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München 1969, englische Originalausgabe: The Presentation of Self in Everyday Life; New York 1959.

Näheres über Herkunft, Leben und Werke von Erving Goffman bei
https://de.wikipedia.org/wiki/Erving_Goffman