von Dietrich Bösenberg
In den Jahren 1915 – 1918 tobte im Alpenraum ein blutiger Gebirgskrieg mit
100 000en Opfern, bei dem sich die heutigen EU-Nachbarn Italien und
Österreich (mit Deutschland verbündet) gegenüberstanden. Was war
geschehen?
Die Ausgangssituation
Im Juli 1914 war der Erste Weltkrieg als Folge des Attentats von Sarajewo ausgebrochen. Das damalige Kaiserreich Österreich-Ungarn, verbündet mit
Deutschland, stand der sog. Entente, bestehend aus England, Frankreich
und Russland gegenüber.
Italien war im Mai 1915 in den Krieg gegen
Österreich-Ungarn eingetreten mit dem Ziel, sein Staatsgebiet weit nach
Norden ausdehnen zu können. Die Entente-Mächte hatten Italien das Gebiet
von Südtirol bis zum Brenner, das Trentino und die Region bis Triest,
damals Teile der Donaumonarchie, zugesagt, um das Land in den Krieg
einzubeziehen.
Der Gebirgskrieg
Zwischen Stilfser Joch im Westen und Isonzo im Osten versuchte
Italien mit allen Kräften den Durchbruch nach Norden. Dagegen wehrte
sich Österreich-Ungarn, indem es zur Sicherung seiner Grenzen die Höhen
der Alpengipfel von Südtirol bis nach Kärnten militärisch besetzte. Nie
zuvor war ein Krieg auf den Gipfeln der Berge und nicht nur in der
Fläche geführt worden. Auf Höhen bis zu fast 4000 m und einer Frontlinie
von über 500 km Länge errichteten die Kriegsgegner militärische
Anlagen, Schützengräben, Geschützstellungen und Unterstände. In den
blanken Fels und in das ewige Eis der Gletscher wurden Bunker,
Kommandoeinrichtungen und Sanitätsplätze getrieben.
Unter extremen
Gelände- und Wetterbedingungen und mit fast unvorstellbaren
alpinistischen Leistungen mussten die Soldaten beider Seiten ihre
Stellungen besetzen und dort oft wochenlang ausharren.
Spuren der Kampfhandlungen
Besondere Spuren im Gelände hinterließ die von beiden Kriegsgegnern
angewandte Kriegstechnik der Unterminierung feindlicher Stellungen zum
Zwecke der Sprengung. Mit immer stärkeren Sprengladungen wurden immer
größere Stücke von Bergstöcken und Hochflächen einschließlich der
Menschen in die Luft gejagt.
Die Folgen sind in der Natur bis heute als riesige Trichter, Reste und Ruinen von Baulichkeiten und Steinwüsten erkennbar.
Beispiele für die Brutalität der Kämpfe:
Am Col di Lana in den Dolomiten, dem 2462 m hohen sog. „Blutberg“, wurde eine komplette Bergkuppe weggesprengt. 10 000 t Gestein flogen in die Luft. Der entstandene Krater zeugt bis heute davon, inzwischen ist er überwachsen und von Wanderwegen durchzogen. Und doch findet noch immer jedes Jahr im August ein gemeinsamer österreichisch-italienischer Gedenkgottesdienst statt.
Am Pasubio, einem 2232 m hohen Bergmassiv östlich von Rovereto und nicht weit vom
Gardasee, tobte die verheerendste Schlacht dieses Krieges. 80 000
Soldaten wurden eingesetzt, 10 000 Tote sind zu beklagen. Sie fielen
neben direktem Beschuss und massiven Sprengungen auch Schneestürmen,
Lawinenabgängen und Entkräftung zum Opfer.
Aus einem italienischen
6,3 km langen Nachschubpfad, der 2,3 km im Inneren des Berges verlief
und 784 Höhenmeter überwand, entstand die heute sog. „Straße der 52 Tunnel“.
Einen militärischen Sieger gab es in diesem unsinnigen Gebirgskrieg nicht, die Entscheidung wurde durch den Zusammenbruch Deutschlands und seiner Verbündeten am Ende des 1. Weltkriegs herbeigeführt: die Grenzen zwischen den Ländern wurden verschoben.
Versöhnung nach dem Krieg
Dennoch haben die Menschen in den drei Ländern nach und nach gelernt,
die Gegensätze zu vergessen, sich über die Grenzen hinweg zu
verständigen und die gemeinsamen kulturellen und humanen Werte
hochzuhalten.
Sichtbare Zeichen von Vergebung und Zusammenarbeit
der ehemaligen Kriegsgegner sind viele Initiativen von Vereinen,
Gemeinden und Einzelpersonen in ihren Ländern. In den Bergen
Österreichs, Italiens und Sloweniens wurden Wanderwege zu den ehemaligen
Kampforten gebaut und erhalten, Führungen zu wichtigen Punkten werden
angeboten. Sie führen oft vorbei an Resten von Laufgräben, Stacheldraht
und Behausungen aus jener Zeit, die eine eindrucksvolle Sprache
sprechen.
Der sog. „Friedensweg“ führt auf einer Länge von fast 500
km durch die Dolomiten, als alpiner Höhenwege nutzt er die militärisch
angelegten Steige des Gebirgskriegs.
An vielen Orten sind Museen
und Gedenkstätten entstanden, teilweise auch als Freiluftanlagen, in
denen die Besucher an die vom Gebirgskrieg verursachten Leiden bei
Mensch und Natur informiert werden.
Kriegsgräberpflege
Als Mahnung zum Frieden und Versöhnung der Völker erhalten und pflegen diverse gemeinnützige Organisationen in den ehemals Krieg führenden Ländern das Andenken an die zahllosen Gefallenen. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., das Österreichische Schwarze Kreuz sowie entsprechende italienische Institutionen unterhalten im norditalienischen Alpenbereich zahlreiche Soldatenfriedhöfe, auf denen deutsche und österreichisch-ungarische Soldaten aus beiden Weltkriegen bestattet sind.
Die Entwicklung der Region
In den Alpenländern wirkten in den Folgejahren die politischen und
gesellschaftlichen/geographischen Umbrüche ebenso verheerend wie im
übrigen Europa: Faschismus in Italien, Nationalsozialismus in
Deutschland und Österreich, Kommunismus in den angrenzenden
osteuropäischen Ländern. Alles gipfelte in der Katastrophe des 2.
Weltkriegs.
Heute ist sie eine der Musterregionen in Europa, mit
fruchtbarer Zusammenarbeit in der EU und speziell im Rahmen der „Arge
Alp“ (Arbeitsgemeinschaft Alpenländer)
Literatur und Links
Literatur: (Auswahl):
Jordan, Alexander: Krieg um die Alpen. Der Erste Weltkrieg im Alpenraum und der bayerische Grenzschutz in Tirol. (Zeitgeschichtliche Forschungen 35), Berlin 2008
Links:
http://gebirgskrieg.heimat.eu/index.htm
österreichische Website zum Gebirgskrieg
http://www.moesslang.net/fotos2.htm
private Website, u.a. mit umfassender Sammlung von Bildern und Texten
zu Stellungen und Festungen der Österreicher und Italiener in den Alpen
http://www.volksbund.de/home.html
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
http://www.argealp.org/
Homepage der multinationalen Arbeitsgemeinschaft Alpenländer