Vorweihnachtszeit unter südafrikanischer Sonne

Von Ute Lenke

Adventskranz, Weihnachtsbaum, Lebkuchen, Glühwein – sie gehören zu unseren weihnachtlichen Vorfreuden einfach dazu, am liebsten noch weiße Weihnacht mit Schnee. Aber südlich des Äquators, bei glühender Sonne, unter Palmen? Feiern die überhaupt Weihnachten?

Einige Bräuche in Südafrika

Unser Aufenthalt in Südafrika, genauer Kapstadt, fiel zufällig in die Vorweihnachtszeit; darum will ich versuchen, die Eindrücke zu schildern, die einige der südafrikanischen Bräuche im Zusammenhang mit Weihnachten bzw. Advent bei uns hinterließen. Das waren vor allem die Weihnachtsdekoration in den Geschäften, der Besuch eines „Weihnachtsmarktes“ und „Carols by Candlelight“ in einer Baptistengemeinde.

Deutsche Vorweihnacht

Als wir Anfang November Deutschland verließen herrschte hier schon Vorweihnachtstrubel: Lebkuchen, Stollen, Christbaumschmuck in den Geschäften, Werbung für Geschenke, Ankündigungen von Weihnachtsmärkten, die schon vor dem ersten Advent öffnen sollten. Das Wetter war regnerisch, kalt, der Himmel grau. Bei der Landung in Kapstadt erwarteten uns blauer Himmel, Sonnenschein und 25°; von Weihnachtsstimmung keine Spur: keine Werbung, keine Weihnachtsmänner, keine Weihnachtslieder aus allen Lautsprechern.

Kapstadt und seine Bewohner

Kapstadt ist eine 3-Millionenstadt mit Einwohnern aller Hautfarben, Rassen und Religionen. Christlichen Religionen und Religionsgemeinschaften gehört nur ein kleiner Teil der Bevölkerung an. Weihnachten ist jedoch ein christliches Fest, von daher ist verständlich, dass dieses Ereignis in einer multikulturellen Gesellschaft eine andere Rolle spielt als bei uns. Dazu kommt, dass auch die christlichen Religionsgemeinschaften anders geprägt sind: ihre Mitglieder sind überwiegend Protestanten: holländische Calvinisten, Anglikaner und freikirchliche wie Methodisten, Baptisten, zusammengefasst in der „Congregational Church“. Diese Religionsgemeinschaften legen keinen großen Wert auf Äußerlichkeiten, die Kirchen sind schmuckloser als wir es gewohnt sind, hier zählen Glaubensinhalte, Gemeinschaft und Solidarität der Gemeindemitglieder untereinander. Ohne diese Eigenschaften ist die südafrikanische Geschichte nicht denkbar. Wenn auch hier wie fast überall in der Welt Religion auf dem Rückzug ist, so ist ihr Einfluss auf Denken und Handeln der Menschen dennoch unverkennbar.

Ein Einkaufszentrum

Wenn die Dekoration zu kühl und schlicht erscheint, muss man die örtlichen Gegebenheiten bedenken: draußen herrschen 30°, drinnen sorgen Klimaanlagen für angenehme Temperaturen. Die kühlen Farben der Dekoration passen wunderbar hierhin. Was die Fotos nicht vermitteln können, ist die hierzulande übliche, dort fehlende permanente Musikberieselung mit Weihnachtsliedern: die gab es nicht! Auch Tannenbäume, wie wir sie kennen, gibt es nicht: man schmückt eben andere Gehölze oder konstruiert Gebilde, die so aussehen, wie ein Weihnachtsbaum.

Ein Weihnachtsmarkt

Die Nachbarstadt Kirstenbosch hat weltweit Berühmtheit erlangt durch seinen einzigartigen Botanischen Garten.

Dort erwartete uns ein anderes vorweihnachtliches Ereignis: ein Kunsthandwerkermarkt. Ein solcher Markt findet dort zwar regelmäßig sonntags am Monatsende statt, bei dem von uns besuchten handelte es sich aber um so etwas wie Weihnachtsmarkt und wir waren gespannt, ob uns dort Glühwein, Rostbratwurst und Kitsch und Kunst erwarten würden.

Der Kunsthandwerkermarkt ist ein Besuchermagnet. Er ist ein echter Kunsthandwerkermarkt – kein Flohmarkt. Er liegt auf einem Freigelände unter riesigen alten Eichen –ja: Eichen, die Cecil Rhodes einst anpflanzen ließ, um Holz für den Schiffsbau zu gewinnen; unter der südlichen Sonne gedeihen sie zwar nicht, liefern aber angenehmen Schatten.

Souvenirs-Souvenirs

Ungefähr 200 Aussteller bieten ihre meist selbsthergestellten Artikel an, angefangen von einzigartigen Holzarbeiten, über Mode- und echten Schmuck, Bekleidung und Töpferwaren; es gibt fast nichts, was es nicht gibt – auch Weihnachtsschmuck.

Genüsse

Natürlich gibt es auch Bratwurststände, hier allerdings mit der einheimischen Boerewors, fett und kräftig gewürzt, malaiischen Samoosas und anderen uns unbekannten Köstlichkeiten. Den Glühwein sucht man allerdings vergeblich, er würde einem hier wohl nicht schmecken und bei 30° im Schatten noch weniger bekommen. Allerlei hausgemachte Spezialitäten, Marmeladen, Honig, Brot, Getränke und Süßes gibt es ebenfalls.

Für Kinder

Auch für die Kleinen ist gesorgt: handgefertigte Baby- und Kinderkleidung, Puppen und Spielzeug locken zum Kauf, und ein Streichelzoo kann den quengelnden Nachwuchs ablenken.

Marktgespräche

Viel wichtiger als das Angebot, aus dem auch Touristen ihren Bedarf an qualitativ hochwertigen und einzigartigen Souvenirs decken können, ist aber etwas anderes: man muss nichts kaufen! Keiner preist lautstark seine Waren an, aber jeder Händler freut sich über das Interesse an seinen Waren und gibt bereitwillig und freundlich Auskunft über Art und Herstellung (was übrigens überall für jeden Einkauf gilt, wie wir zu unserer Verwunderung feststellen konnten). Die bei uns übliche Musikberieselung fehlt dagegen. Das Gespräch ist viel wichtiger. Vielleicht eine Art afrikanisches Palaver, obwohl man auf diesem Markt fast nur Weiße sieht.

Eine Weihnachtsfeier – Carols by Candlelight

Eine Einladung zu einem Abend in einer Kirche zu einem Abend mit „Carols by Candlelight“ konnten wir uns nicht entgehen lassen.

Weihnachtslieder singen wir natürlich auch, und auch in Deutschland gibt es zur Weihnachtszeit noch Kurrendesänger, aber Weihnachtslieder bei Kerzenlicht als Veranstaltung?

Die Ursprünge des Brauchs

„Carols by Candlelight“ sind eine australische Tradition aus dem 19. Jahrhundert. Walisische Bergleute in den Minen von Südaustralien trafen sich heimwehgeplagt am Weihnachtsabend um ihre heimischen Weihnachtslieder zu singen; auf ihre Sicherheitshelme hatten sie brennende Kerzen geklebt.

Die Verbreitung

Der Brauch verbreitete sich schnell über Victoria und Melbourne in ganz Australien. 1938 sah ein Radioreporter eine alte Frau, die allein in ihrer Stube bei Kerzenlicht Weihnachtslieder aus dem Radio mitsang; der Reporter fragte sich, wie viele Leute wohl am Weihnachtsabend allein singen und feiern müssten. Er hatte die zündende Idee, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, gemeinsam die Christmas Carols bei Kerzenlicht zu singen. So eine Art Fischer-Chöre mit Kerzen.

Das erste Zusammentreffen wurde sofort von 10000 Leuten besucht und war ein voller Erfolg. Nach dem 2. Weltkrieg verbreitete sich der Brauch im ganzen englischen Königreich.

Der Brauch heute

Heute ist daraus eine in der ganzen englisch-sprachigen Welt gefeierte populäre Massenveranstaltung geworden, an der viele Stars gerne mitwirken; die Hauptsache ist und bleibt aber das gemeinsame Singen. Für die Großveranstaltungen nimmt man Eintrittsgelder, der Erlös wird für wohltätige Zwecke gestiftet. Carols by Candlelight veranstaltet man aber auch in kleinerem Kreis, ähnlich, wie bei uns die Weihnachsfeiern: in jedem Betrieb, jedem Verein, vor allem aber in den Kirchengemeinden trifft man sich und singt die traditionellen Carols. Man kann diese Lieder nicht gut mit unseren Weihnachtsliedern vergleichen, sie sind häufig viel fröhlicher und temperamentvoller.

Die Zeremonie

Der Abend in der Baptistengemeinde, deren Einladung in Kapstadt wir neugierig annahmen, war für uns beeindruckend: wir wurden freudig wie alte Bekannte begrüßt (“Gäste aus Germany“ hatte man dort nicht alle Tage) und bekamen einen Kerzenhalter in die Hand gedrückt; der bestand aus einem abgeschnittenen, umgedrehten Oberteil einer Plastikflasche, in dem schon eine Kerze steckte – praktisch, denn das Wachs lief in den Halter und die Flamme konnte keinen Brand auslösen. Die Kirche war ziemlich schlicht und schmucklos, aber weihnachtlich hergerichtet mit einer Krippe, die ersichtlich von den Kindern der Gemeinde selbst gebastelt war.

Singen

Einige einführende Worten des Predigers und dann wurde gesungen- aber wie! Wer jemals Gospels gehört hat, kann sich vorstellen, was hier „Singen“ hieß. Die alten und meist auch uns bekannten englischen und internationalen Lieder wurden mit einer Inbrunst und Begeisterung gesungen, die jeden mitriss. Alle sangen mit, und wer die Texte nicht kannte, konnte sie von der Wand ablesen: ein Beamer machte es möglich.

Zum Schluss

Um die Eingangsfrage zu beantworten: auch unter Palmen und südlicher Sonne wird die Vor- und die Weihnachtszeit gefeiert; anders als bei uns, aber nicht weniger festlich.

Links

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