von Lore Wagener
Kühl- und Gefriergeräte haben – im Verein mit anderen Großgeräten – die Küchenarbeit so erleichtert, dass die Nur-Hausfrau selten geworden ist. Für die meisten Frauen ist eine außerhäusliche Berufstätigkeit heute möglich und selbstverständlich.
Kampf dem Verderb
Als es noch keine künstliche Kühlung gab, war das Haltbarmachen verderblicher Lebensmittel sehr arbeitsaufwändig. Die Hausfrau musste täglich frische Lebensmittel vom Markt holen und rasch verarbeiten. Man kochte ein, räucherte, pökelte, säuerte, dörrte und nutzte alle erdenklichen Möglichkeiten aus, um Lebensmittel vor dem Verderb zu bewahren. „Kampf dem Verderb“ war denn auch im Zweiten Weltkrieg ein politisch relevantes Motto. Die dazugehörigen Comics in den Zeitungen fand ich als Kind recht interessant.
Eine verbreitete Methode, Lebensmittel frisch zu halten, war seit jeher die Kühlung. Diese Methode verlangsamt die biologischen Zersetzungs-Prozesse und hält somit den Verderb von Lebensmitteln auf – wie lange, das hängt von der Kühltemperatur ab: Je kühler, desto besser.
Die natürliche Kühlung
Schon in Urzeiten lagerten die Menschen ihr Wildbret gerne an kühlen Stellen ihrer Höhlen, später auch in Gewölben und Kellern. Schon in den Mittelmeerländern der Antike hatte man ausgeklügelte Kühl-Methoden. Dort gab es einen regen Handel mit Eis und Schnee aus den Gebirgen. Nero und Alexander der Große ließen Eisgruben bauen. Ausgrabungen belegen, dass man auch geschickt die Kälte ausnützte, die beim Verdunsten von Wasser entstand. In Nord- und Mitteleuropa hatte fast jeder bessere Landsitz seinen Eiskeller. Das Eis hierfür holte man im Winter aus Flüssen und Eisteichen. Die englischen Kohlenschiffe, die in die Ostsee fuhren, brachten auf dem Rückweg Eis aus der gefrorenen See mit, und in Nordamerika gab es einen Handel mit Eis aus den großen Seen. In den Gärten standen mancherorts Eishütten, die gut isoliert und mit Eis gefüllt, die Lebensmittel kühl hielten. Haushalte mit kleinerem Budget kannten gut isolierte Holzkästen, die sie mit Eis und ihren Lebensmitteln füllten. Das war aber Luxus, denn das Eis war vergänglich und oft teurer als der Wein, den es kühlte.
Der Kühlschrank
Heute sind Eis- und Milchmann nur noch Legende. Dafür steht in fast allen Haushalten nun der elektrische Kühlschrank. In Deutschland trat er um 1950 seinen Siegeszug an. In Amerika gab es ihn schon viel früher. Technisch arbeiten Kühlschränke mit Kompressoren oder mit Absorbern.
Sehr vereinfacht dargestellt, funktioniert der Kompressor-Kühlschrank wie eine Art umgekehrter Zentralheizung. Sein Prinzip beruht auf dem Linde-Verfahren. Das nutzt die Eigenschaft von Gasen aus, sich bei Expansion abzukühlen. Um diesen Effekt zu nutzen, setzt man das Kühlmittel außerhalb des Schrankes mit einem Kompressor unter Druck und leitet es dann innerhalb des Schrankes durch die Kühlschlangen. Dabei kann das Gas sich wieder ausdehnen und so die Kühlwirkung erzeugen. Dann wird das Gas wieder komprimiert und der Kühlkreislauf beginnt erneut. Nach ersten Versuchen mit Ammoniak wurden später FCKW-haltige Kühlmittel eingesetzt. Diese erwiesen sich aber als Klimakiller. Etwa ab 1990 werden nur noch FCKW-freie Geräte hergestellt.
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Kühltruhen und Gefrierschränke
Mittlerweile ist ein Haushalt ohne Kühlschrank, aber auch ohne Gefriertruhe, kaum vorstellbar. Die modernen Wohnungen haben meist weder Keller noch Speisekammer. Zur kurzzeitigen Aufbewahrung benutzt man den Kühlschrank mit seiner Temperatur von 4 bis 8 Grad. Die Tiefkühltruhe mit minus 18 Grad Celsius dient der längerfristigen Vorratshaltung. Sie arbeitet mit einem modifizierten Linde-Verfahren und ist praktisch der moderne Eiskeller. Erste Gefriertruhen gab es um 1930 in den USA. Sie setzten sich zuerst in bäuerlichen Haushalten durch, wo sie beim Schlachtfest nützlich waren. Seit den 1970er Jahren machten sie sich auch in deutschen Privathaushalten nützlich, wo sie – dank der aufstrebenden neuen Tiefkühlindustrie – ein Renner wurden. Den Anfang machten Fischstäbchen und Spinat und heute geht es mit einer Vielzahl von Fleisch- und Fischspeisen weiter. Die halbfertigen und fertigen Produkte nehmen der Hausfrau einen großen Teil der Essensvorbereitung ab. Man kann heute innerhalb kurzer Zeit ein leckeres Essen auf den Tisch zaubern.
Die Kühlkette
So praktisch die Tiefkühlung auch ist, sie hat doch ihre Schwachstellen. Das Kühlgut muss nämlich permanent auf der Gefriertemperatur von minus 18 Grad gehalten werden, auch während der Transporte von der Fabrik über den Handel bis hin zum Endverbraucher. Das ist eine große Herausforderung für die Transporteure, die ihre Transportflotten entsprechend umstellen mussten. Das Ziel war die perfekte Kühlkette. Sie wird von Fachleuten als “Kette im temperaturgeführten Verkehr” bezeichnet. Es gibt bereits viele internationale Verträge dazu. Von Bedeutung ist das ATP, ein „Übereinkommen über internationale Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel“. Es legt fest, wie die Kühlkette kontrolliert und diese Überprüfung dokumentiert werden muss. Wichtig ist, dass an jeder Übergabestelle die Temperatur der Kühlfracht gemessen und das Messergebnis dokumentiert wird. Dafür steht das ATP-Label.
Unterbrechungen der Kühlkette
Kommt es zu einer Unterbrechung der Kühlkette, so sind Lebensmittel dadurch möglicherweise verdorben, in ihrer Qualität gemindert oder in ihrer Haltbarkeitsdauer beeinträchtigt. Solche Waren werden meist aus dem Handel genommen. In Zukunft soll noch mehr Wert auf die technische Überwachung der gesamten Kühlkette gelegt werden. In der Entwicklung sind Funkchips. Diese Chips werden am und im Transportgut angebracht und zeichnen unter anderem Temperatur und Luftfeuchtigkeit des Frachtguts auf. Bei Abweichungen wird ein Alarm ausgelöst. Auf das Transportgewerbe und die Supermärkte kommen also neue Belastungen zu. Sie sind aber notwendig, um die vereinbarten Temperaturvorgaben durchzusetzen.
Der Endverbraucher
Aber eine Schwachstelle gibt es in dem ausgeklügelten System dennoch – und das ist der Endverbraucher, der nicht sorgsam mit dem Kühlgut umgeht. Um zu verhindern, dass er mit seinem Kühlgut länger durch den Laden bummelt, haben fortschrittliche Supermärkte ihre Tiefkühltruhen kurz vor den Kassen aufgestellt. So bleibt der Weg zum Ausgang kurz, und wenn der Käufer dann eine Kühlbox im Auto hat, war die Unterbrechung der Kühlkette unbedeutend. Sonst sollte der Käufer dafür sorgen, dass sein Kühlgut so rasch wie möglich in die heimische Kühltruhe kommt. Vielleicht kann er dazu auch die angebotenen Spezialtaschen nutzen. Hat er zudem beim Einkauf auf die Haltbarkeitsdaten geachtet, steht nun dem Genuss dieser gesundheitlich wertvollen Lebensmittel nichts mehr im Wege.
Eine wichtige Erfindung
Die künstliche Kühlung ist eine der wichtigen Erfindungen der Zivilisation. Man kann hier sogar einen gesundheitlichen Fortschritt vorweisen. Nach den statistischen Zahlen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war damals die Sterblichkeitsrate im Sommer größer als im Winter. Damals gab es noch keinen Kühlschrank, und viele Lebensmittel verdarben bei sommerlichen Temperaturen schnell. Das führte vermutlich zu den zahlreicheren sommerlichen Lebensmittelvergiftungen. Heute sind solche Vergiftungen sehr selten geworden. Und die Lebensmittelkontrolle greift trotz der häufigen Sensationsmeldungen über Schäden an Lebensmitteln. Man kann heute sagen, dass wir trotz aller Unkenrufe mit der modernen Lebensmitteltechnik besser leben als früher.