Liebe Freundin in Finnland, was soll ich zu Land und Leuten sagen?
Dass ihr mir unheimlich seid mit eurem Hang zum Saunagehen, wo ich doch Platzangst habe und eine Abneigung gegen Hitze? Dass ich die langen, kalten, dunklen Wintertage fürchte, die mich in Depressionen treiben? Oder dass ich die hellen, klaren, langen Sommernächte liebe und die ruhigen finnischen Seen? Aber nicht die sommerliche Mückenplage?
Dass mich Eure Sprache und Schrift interessiert, die so gar nicht europäisch ist? 
 Denn Finnisch gehört zum finnougrischen Zweig der uralischen  Sprachfamilie und somit nicht so wie die meisten europäischen Sprachen  zur indogermanischen Sprachfamilie. Es ist eng mit dem Estnischen und  entfernt mit dem Ungarischen verwandt. Ich grüße meine finnische  Freundin Pirkko! heißt übersetzt: Tervehdin minun Suomi tyttöystäväni Pirkko!

Ihr seid praktisch und auch geschäftstüchtig und nehmt das Geld nicht zu wichtig: 
 Wer in Finnland Urlaub macht und erstmals an einer Einkaufskasse steht,  der wird sich möglicherweise kurz wundern: Schon ganz ohne dass man  „Aufrunden?“ gefragt wird, wird der Betrag hier als Wechselgeld zur  nächsten 5-Cent-Grenze auf- oder abgerundet. Auf das Kleinstgeld  verzichten die Finnen nämlich ganz offiziell. 
 Für den Geldbeutel  ist das finnische System eine Entlastung. Dadurch, dass man hier auf 1-  und 2-Cent-Münzen verzichten, muss weit weniger Wechselgeld durch den  Tag geschleppt werden. In der Summe gleichen sich die auf- und  abgerundeten Beträge aus. Da es sie so selten gibt, sind die finnischen  Kleinstmünzen ein begehrtes Ziel von Sammlern.

Ihr habt Humor und Selbstironie, 
 das zeigt das stille Örtchen auf finnischen Briefmarken. 
 Das stille Örtchen ist den Finnen eine Kindheitserinnerung, eine  Herzensangelegenheit, wie das oft eingeritzte Herz in der Tür beweist.  Auf dem Land findet man noch heute familiäre Anlagen aus den Fünfzigern.  »Die haben oft drei Löcher, mit einem niedrigeren für Kinder«, erklärt  mein Gastgeber. Sein eigener Schuppen hat nur ein Loch, ist aber  himmelblau angemalt. Weil die Farbe so schön ist, aber auch, weil sie  Fliegen abhalten soll. Die Tür besteht aus zwei Teilen – ein kleiner  Raum mit Weitblick: „Wenn ich mich setze, lasse ich den oberen Teil auf.  Dann schaue ich direkt aufs Meer und höre die Vögel zwitschern. Es ist  der schönste Platz auf Erden.“ Hier komme er auf die besten Ideen, sagt  Juhani Seppovaara. »Es ist dann ganz still, und wenn man lange dasitzt,  sprechen die Bäume zu einem.« Der ehemalige Banker, jetzt Fotograf und  Autor, hat ein Spitzdach auf sein Häuschen gesetzt. Für die Brille nahm  er Styropor: »Das hält im Winter schön warm.« 
 Die finnische  Spezialität <Trockenklo> ist in Entwicklungsländern sehr gefragt  weil sie die wertvolle Ressource Wasser spart.

Ihr kämpft für Toleranz und Menschlichkeit: Eine Briefmarken-Serie  mit Motiven der Schwulen-Ikone Tom of Finland avanciert zum weltweiten  Kassenschlager. Auf den Briefmarken sind halbnackte muskulöse Männer zu  sehen, deren homoerotische Inszenierung den 1991 im Alter von 81 Jahren  verstorbenen Künstler Tom of Finland international bekannt gemacht  hatte. 
 Die Finnische Post sprach vom bislang größten weltweiten  Medieninteresse an einer ihrer Briefmarkenserien. Das Ziel, „unserem  Zeitgeist entsprechende Briefmarken zu drucken“, sei offenkundig  erreicht worden. Alle finnischen Briefmarkensammler waren gespannt, wie  die russische Post die Briefe mit diesen Marken behandeln würde. Beim  großen, übermächtigen Nachbarn Russland sind Pornografie und  Homosexualität immer noch strafbar. Aber siehe, die Briefe an russische  Sammlerfreunde passierten anstandslos alle Poststationen und Ämter und  wurden den Empfängern zugestellt. Es gab keine Schwärzungen oder  Rücksendungen: Ein kleiner Sieg für mehr Toleranz und Menschlichkeit!
Quellen
Deutsche Briefmarken-Zeitschriften, 
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Finnland
 Finnische Botschaft in Berlin http://www.finnland.de/Public/Default.aspx
Abbildungen: vom Autor
