von Roswitha Ludwig
Weihnachten will man auch schmecken. Es regt sich etwas in uns beim Duft des frischen Gebäcks. Mit Backbrett, Wellholz und Rührschüssel sind viele jedes Jahr dabei. Von A- wie Ausstecherle bis Z- wie Zimtsterne lebt das Gebäckrepertoire in der Familientradition.
Backen mit den Großeltern
Zu meinen ganz frühen Erinnerungen gehört das Backen mit ihnen, S- wie Springerle waren dran. In der Küchentechnik hat sich seitdem vieles verändert. Damals wurde im Kohleherd gebacken. Ja, meine Großmutter hat sogar noch die Vorgängertechnik im Haus zur Verfügung gehabt, den gemauerten Backofen, aber das war vor meiner Zeit. Die Teigherstellung erforderte damals ein Ausdauertraining, denn Rührgeräte fehlten.
Mein früher sehr haushaltsfern tätiger Großvater durfte im Alter Hilfsdienste leisten. Er rührte den Springerlesteig. „Und immer ein eine Richtung“, verlangte seine Chefin, „damit er rasch schaumig wird.“ Rechts herum, hieß das. Wendete sich die Großmutter ab, rührte er natürlich links herum und bedeutete mir schelmisch den unerlaubten Richtungswechsel. Ob er es mir als Linkshänderin zeigen wollte, oder ob der Opa ganz rebellisch Backanweisungen sabotierte, weiß ich nicht. Geblieben ist mir die Erinnerung an vorweihnachtliches Backen, das einfach schön war. Die Springerle sahen mit den gewünschten Füßchen und den Mustern kunstvoll aus, aber manchmal waren sie ziemlich hart.
Backen mit der Mutter
Ja, und irgendwann stand ich in meiner eigenen Küche vor dem Backbrett mit elektrischen Küchenhelfern. Die überlieferten Rezepte kamen über meine Mutter, verbunden mit hilfreichen Tipps. Wenn sie da war, gab es auch praktische Anweisungen. „Sehr wortreich“, kommentierte mein Mann. Wir redeten immer, wenn wir zusammen werkelten. Es ging nicht nur um die Backtechnik, sondern es wurde erzählt und erzählt. Leute, die ich kannte oder auch nicht, ließ sie in direkter Rede sprechen. Wir versäumten es nicht, bewährte und aus Backbüchern ergänzte Rezepte neu aufzuschreiben – mit Durchschlagpapier für beide. Und aus meiner angeheirateten Familie fand Tante Lieses Linzertorte begeisterte Aufnahme ins Repertoire.
Mit dem „Backprogramm“ konnten dann Mutter und Tochter in ihrer eigenen Küche backen. Die Grundlage für das Gebäck bildete ein weißer und ein brauner Butterteig. Ihre Haushaltskompetenz lebte meine Mutter sehr selbstbewusst. Sie hielt viel davon, mit ergiebigen Rezepten anzufangen, um rasch eine Menge zu bekommen. Die feineren und komplizierteren Gebäckarten folgten. Weiter meinte sie: „Was Dreikönig überdauert, das war nicht das Beste.“
Die Kinder am Werk
Als unsere Kinder Felix und Annette ins „backfähige Alter“ kamen, drängte es sie zu Backtaten. Sie stellten sich auf kleine Schemel, Auftritt genannt, und werkelten mit. Kaum reichten ihre Näschen über die Arbeitsplatte. Die Mehl- und Teigspuren im Gesicht standen für den Eifer. Zunächst brauchten sie noch ganz nahe helfende Unterstützung, dabei leitete sie die Oma geschickt und sehr geduldig an.
Bald zeigten sie sehr viel Eifer für eigenes Tun. Jetzt gab es „Christstollen nach Felix“. Jawohl, ein solches Weihnachtsgeschenk bekamen wir einmal. Das beigelegte schön geschriebene Rezept hüte ich noch heute. Annettes Vanillekipferl erlangten Berühmtheit: klein, wohlgeformt und köstlich. Wenn Oma eine Dose mit diesem Inhalt auf dem Gabentisch fand, war sie immer begeistert und gab die leere bald wieder zurück für das nächste Jahr.
Backen mit der kranken Mutter
und als die Kinder schon längst andere Interessen verfolgten, verschoben sich die Rollen erneut. Meine Mutter, inzwischen alleine, schlug mir gemeinsames Backen vor. Jeder erwarte von ihr Gebäck. Sie litt an Demenz und kriegte es alleine nicht mehr hin. Über das gemeinsame Backen freute sie sich. Doch sie musste behutsam angeleitet werden, damit sie sich nicht bevormundet fühlte. Sie wollte auch Aufgaben, wenn ich nicht dabei sein konnte. Ich schlug ihr vor Spitzbuben mit Marmelade zu bestreichen, da konnte nichts anbrennen. Das ging auch, wenn ich weg war. Doch der Auftrag kam ihr auch nachts in den Sinn – das kostete unsere Nachtruhe und führte zu Auseinandersetzungen. Oft fiel der Satz: „Diesmal habe ich dir wieder helfen können. Ich weiß nicht, ob ich noch kommen, wenn ich das nicht mehr kann.“ Doch zu Weihnachten strahlte sie, wenn sie mit uns zusammen feierte und ihr Gebäck auf den Tellern sah.

Beim Backen alleine
Dieses Jahr stand ich wieder vor meinem Backbrett mit unserem handgeschriebenen Backprogramm. Inzwischen backe ich nicht mehr mit meiner Mutter. Sie lebt nicht mehr. Doch wenn ich den Butterteig auswelle, ist sie mir ganz nah in der Erinnerung an das gemeinsame freudevolle Tun und ganz nah mit ihrem lebhaften Erzählen – alle Jahre wieder. So manches Jahr ist inzwischen ins Land gegangen. Unsere Tochter ist Mutter geworden und backt auf dieselbe Weise mit ihren Kindern.
Beim Herstellen von Weihnachtsgebäck wünsche ich allen: Frohes Backen von A bis Z – alle Jahre wieder!

Foto: Roswitha Ludwig