von Roswitha Ludwig
Zum persönlichen Erinnern kommt das kollektive hinzu, das zu einer Gesellschaft gehört. Jede Zeit schafft sich ihr eigenes Geschichtsbild. Wer heute auf einen Denkmalsockel gestellt und geehrt wird, kann morgen trotzdem vergessen sein, anders gesehen oder gar gestürzt werden.
Das Bismarckdenkmal in Hamburg
Nach der Reichsgründung von 1871 entstanden in Deutschland ungefähr 500 Denkmäler zu Ehren Otto von Bismarcks, des ersten deutschen Reichskanzlers und „Schmied des Reiches“. Straßen, Plätze, Aussichtstürme, ja sogar der Bismarckhering wurde nach ihm benannt. Mit ihm verband sich der Stolz auf die endlich erreichte Einheit Deutschlands, auf seine Größe und ja, auch auf den Anspruch, als Großmacht Geltung zu erhalten. Nachdem die Einheit erreicht war, erwies sich Bismarck als geschickter Diplomat, der neue Kriege zu vermeiden verstand und eher gedrängt dem Trend der europäischen Großmächte folgte, Kolonien zu erwerben.

(Public Domain)
Das weltgrößte, 34 m hohe, steinerne Bismarckdenkmal befindet sich seit 1906 in Hamburg. Es erinnert in der Gestaltung an den Roland, einem Freiheitssymbol der Städte. Die Kaufmannsstadt Hamburg erlebte im Wilhelminismus eine Blütezeit. Diese Ära begann nach der Entlassung Bismarcks 1890 unter Kaiser Wilhelm II. Der jetzt angestrebte „Platz an der Sonne“ und die Flotten- und Kolonialpolitik förderten die Hamburger Kaufleute. Historiker diskutieren die Motive der Entstehung. Nutzten die Rechten den Bismarckmythos? Oder wollte sich Hamburg als reiche Handelsstadt präsentieren?
Kontrovers beurteilt wurde Bismarck von seinen Zeitgenossen. Den einen galt der Geehrte als Verfolger der Sozialisten, Feind der katholischen Kirche und undemokratischer Kanzler, den andern als genialer Diplomat, dem die Reichseinigung zu verdanken war, der Deutschland zur Größe führte, und der eine für die damalige Zeit vorbildliche Sozialversicherung schuf, freilich nicht in einem demokratischen Prozess, den die Verfassung des preußisch deutschen Kaiserreiches nicht vorsah.
Zur heute kritischen Haltung kommt hinzu, dass er in der Zeit des Nationalsozialismus für die Großmachtziele Hitlers instrumentalisiert wurde und Hitler sich als Vollender der Politik Bismarcks sah. Am Kriegsende, als Hamburg in Trümmer fiel, fanden bis zu 500 Bürger Schutz im Sockel des Monuments. Man hatte darin einen Bunker eingerichtet.
Und heute wird lebhaft um die Bedeutung des Denkmals gestritten. Doch sein Vorhandensein ist ein Impuls für Fragen an die Geschichte.
Welche Motive leiteten die Hamburger, als sie die Errichtung dieses Denkmals veranlassten und dafür spendeten? Wie wird der einst zum Idol gewordene Bismarck in verschiedenen Zeiten gesehen und wie siehst du ihn, Zeitgenosse?
Das Denkmal Wilhelms I. in Karlsruhe
Der Großherzog von Baden veranlasste 1897 die Errichtung dieses Reiterstandbildes aus Bronze, das Wilhelm I. als General darstellt. Es fand seinen Platz an exponierter Stelle. Der Kaiser blickt stadteinwärts in die nach ihm benannte Kaiserstraße, die die Fächerstraßen der Planstadt schneidet. Im Zweiten Weltkrieg wurden einige der Bronzeplatten des Sockels für Munition eingeschmolzen, wie es auch mit vielen Kirchenglocken geschah.

© Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Behringer 994/2DO
Der hier Geehrte war ein Gegner der Revolution 1848/49, und Baden war ein Zentrum dieser Revolution. Weil er 1849 das Oberkommando über das Bundesheer hatte und die Niederschlagung erreichte, nannte man ihn Kartätschenprinz. Unter seinem Kommando wurden standrechtliche Erschießungen angeordnet und an 27 Freiheitskämpfern vollzogen. Groß war das Bestreben, dieses nicht zu vergessen. Seit 2002 umgeben das Denkmal Gedenksteine mit den Namen der Hingerichteten und eine Granitplatte zu Ihrem Andenken. Die Kritik gegenüber Wilhelm I. hat Gestaltung gefunden.

© Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Behringer 994/6DO
Eine beeindruckende Initiative dazu war 1998 vorausgegangen. Schüler des Durlacher Markgrafengymnasiums errichteten um das Denkmal herum für 4 Wochen Holzbarrikaden mit Totenköpfen und Namensschildern der Opfer. Eine aktuelle Initiative, des „Landesverbandes Baden in Europa“ strebt die Umbenennung des Kaiserplatzes in Platz der Republik an.
Platz der Grundrechte in Karlsruhe
Karlsruhe, als Sitz des Bundesverfassungsgerichtes, besitzt seit 2005 einen Platz der Grundrechte zwischen Marktplatz und Schloss. Der Künstler Jochen Gerz hat Aussagen zum Thema Recht und Unrecht gesammelt von Juristen, Richtern und Bürgern und auf 24 Schildern dargestellt. Hier ein Beispiel:
„Das Ausmaß an Toleranz ist größer geworden. Vieles war früher tabu, was heute im täglichen Leben zu sehen ist. Ich selbst bin gespalten, wenn ich auf der Straße vermummte Frauen sehe, aber ich mache mir keine Gedanken, wenn eine katholische Nonne an mir vorübergeht. Die Haube der einen und das Kopftuch der anderen, wo ist da der Unterschied?“

Ist es nicht ein guter Gedanke, auf diese Weise unsere Grundrechte zu würdigen und zum Nachdenken über sie anzuregen?
Wer Denkmäler reflektierend betrachtet, blättert im Bilderbuch der Geschichte und wird zu Fragen angeregt. Gelangt er zu Antworten, so können diese auch Impulse für die Fragen der Gegenwart geben. Gegenüber Denkmälern sollte man die Grundhaltung einer kritischen Würdigung einnehmen und ihre Wirkungsgeschichte beachten.
Quellen und Literatur:
https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/Hamburgs-umstrittener-Koloss-Das-Bismarck-Denkmal-an-der-Elbe,bismarckdenkmal186.html
https://www.hamburg-global.de/v1.0/placemarks/107
https://www.ndr.de/geschichte/koepfe/Otto-von-Bismarck-Erster-Reichskanzler-des-Deutschen-Reiches,bismarck234.html
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/Heimatkunde-Bismarck-Denkmal,hamj55228.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser-Wilhelm-I.-Denkmal_(Karlsruhe)
https://meinka.de/kaiser-wilhelm-i-denkmal-karlsruhe/
https://www.karlsruhe.de/stadt-rathaus/so-ist-karlsruhe/mit-recht-karlsruhe/platz-der-grundrechte